Janeck

Janeck
Registriert seit: 12.11.2005

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Bewertungen: 251 Reviews: 171
Genres: Blues, Comedy, Country, Dark Wave/Gothic, Elektronische Musik, Hardcore, House, Hörspiel/Hörbuch, Jazz, Klassik, Metal, Musical, Pop, Punk, Rap/Hip Hop, Reggae, Rock, Schlager, Singer/Songwriter/Liedermacher, Ska, Sonstiges, Soul/R&B, Soundtrack, Volksmusik/Folklore, World Music
Bewertungsverteilung von Janeck
0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 5.5 6 6.5 7 7.5 8 8.5 9 9.5 10
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9.5: 37.704918032787% (23x)

10.0: 13.114754098361% (8x)

Die letzten Bewertungen
9.5 für Lunar Aurora: Hoagascht (2012) (07.12.2024 18:38)
8.5 für Love: Forever Changes (1967) (07.12.2024 18:37)
8.5 für Lycia: Day In The Stark Corner, A (1993) (07.12.2024 18:37)
8.0 für Amon Düül II: Yeti (1970) (07.12.2024 18:35)
8.5 für Peter Gabriel: So (1986) (07.12.2024 18:35)
8.0 für Soft Cell: Non-Stop Erotic Cabaret (1981) (07.12.2024 18:33)
10.0 für Who, The: Quadrophenia (1973) (07.12.2024 18:32)
9.0 für Cultes Des Ghoules: Henbane (2013) (07.12.2024 18:30)
7.0 für Sadus: Illusions (1988) (20.10.2024 21:46)
Insgesamt 251 Bewertungen vorhanden. Alle anzeigen
Die letzten Reviews

07.12.2024 18:38 - Lunar Aurora: Hoagascht (2012)

9.5 / 10
Das letzte Album der Rosenheimer gehört zu den besten musikalischen Schöpfungen, die der deutsche Musikmarkt im neuen Jahrtausend hervorgebracht hat. „Hoagascht“ ist so unheimlich perfekt, dass ich es auch heute kaum glauben kann, dass das Kapitel Lunar Aurora tatsächlich abgeschlossen ist. Auf diesem Schwanengesang singen die Rosenheimer im strengen, urbayrischen Dialekt und erschaffen damit ein unverwechselbares, klangliches Kunstwerk, das nicht nur in der (Black) Metal-Landschaft seinesgleichen sucht. Bis heute zählt dieses Album für mich zu den großartigsten Veröffentlichungen des Genres. Mir ist kein anderes Werk der letzten Jahre bekannt, das dermaßen stimmig und zugleich komplex aufgebaut ist – vor allem im Sounddesign. Als „Hoagascht“ im Jahr 2012 veröffentlicht wurde, stand ich dem Album zunächst mit gemischten Gefühlen gegenüber. Die vorherigen Werke von Lunar Aurora, insbesondere „Andacht“, gehörten zu meinen absoluten Favoriten im Black Metal-Genre, und die Erwartungen an das neue Album waren entsprechend hoch. Doch was mich bei den ersten Durchläufen von „Hoagascht“ erwartete, war etwas völlig Neues, etwas Unerwartetes – ein Klangbild, das sich stark von dem unterschied, was ich von dieser Band kannte und liebte. Die komplexe, fast schon erdrückende Soundlandschaft war zunächst eine Herausforderung für mich. Im Vergleich zu früheren Werken der Band zeigt sich auf „Hoagascht“ eine gesteigerte Souveränität im Umgang mit dynamischen Kontrasten. Wo zuvor noch eine gewisse Kompromisslosigkeit in der Härte zu spüren war, präsentiert sich die Gruppe hier als Meister der kontrollierten Intensität. Dies mag auch der Grund sein, warum „Hoagascht“ trotz – oder vielleicht gerade wegen – seiner Kompromisslosigkeit als eines der zugänglichsten Alben im Œuvre von Lunar Aurora gilt. Die Soundlandschaft, die das Duo hier entwirft, ist von tiefer Schwere und dennoch voller Details. Die Gitarren klingen oft, als würden sie von Wind und Wetter gepeitscht, während das „Schlagzeug“ in den Songs wie ein pochender Herzschlag durch die düsteren Wälder hallt. Über allem schwebt ein atmosphärischer Schleier aus Synthesizern, der die einzelnen Tracks zusammenhält und eine kühle, fast majestätische Erhabenheit verleiht. Dabei wird das Tempo immer wieder gedrosselt, die Musik zieht sich in die Länge wie ein schleichender Nebel, der den Hörer langsam und unaufhaltsam umhüllt. Die sagenhafte Atmosphäre, die auf dem Werk erzeugt wird, ist kaum in Worte zu fassen: Die kunstvoll eingesetzten Keyboards, die eine wesentliche Rolle in der Klangstruktur des Albums spielen, sind überwältigend, die umwerfenden Melodien übergroß, der Sound herrlich urig, der Drumcomputer perfekt programmiert, die Riffs sensationell harmonisch und schwebend, und das Songwriting zum Niederknien. Jeder einzelne Song ist ein Kunstwerk für sich; die darin enthaltenen Ideen und Soundkreationen sind unfassbar ausgereift, und die verträumte Atmosphäre ist so gut eingefangen, wie ich es auf kaum einem anderen Album so intensiv erlebt habe. In den besten Momenten des Albums fühlt man sich wie ein Wanderer, der allein durch die Nacht zieht, nur begleitet vom Heulen des Windes und den entfernten Rufen der Eulen. Das Album lebt von dieser intensiven, fast greifbaren, organischen Atmosphäre. Jede Melodie scheint aus der Erde selbst geboren zu sein, jede Note klingt wie ein Echo uralter Geschichten und Mythen, die in den Bergen und Tälern der Alpenregion verwurzelt sind. Lunar Aurora haben schon immer ihre Umgebung in die Musik einfließen lassen, doch hier wird diese regionale Verwurzelung so direkt und authentisch in die Klangwelt integriert wie niemals zuvor. Es ist eine melancholische, fast romantische Sicht auf die Natur, die die Band hier musikalisch umsetzt. Die Songs ‚Nachteule‘, ‚Sterna‘, ‚Im Gartn‘ und ‚Håbergoaß‘ verkörpern die Genialität dieses Albums auf exemplarische Weise. ‚Nachteule‘ ist ein atmosphärisches Meisterwerk: Mit einer melancholischen Melodie, getragen von tiefen, bedrohlichen Riffs, erschafft der Song eine Atmosphäre, die gleichermaßen erdrückend und hypnotisch wirkt. ‚Sterna‘ besticht durch majestätische Erhabenheit – seine unheimlich schöne Melodie gräbt sich unauslöschlich ins Gedächtnis ein. Das beeindruckende ‚Im Gartn‘ entfaltet durch hypnotische Strukturen und sich überlagernde Klangschichten die besten Momente atmosphärischen Black Metal. Hier beweist die Band ihre Fähigkeit, Rohheit und Feinsinnigkeit zu einem faszinierenden Ganzen zu verschmelzen. Mit ‚Håbergoaß‘ schließlich vereinen Lunar Aurora all diese Elemente und entführen den Hörer in die verschneiten Wälder Bayerns, wo sich Mythen und Realität verweben. Der Song offenbart eine fast meditative Qualität. Die Entwicklung von Lunar Aurora bis zu diesem Punkt ist gekennzeichnet von einer stetigen Verfeinerung ihres einzigartigen Sounds. Vom rohen Black Metal ihrer Anfänge über atmosphärische Klanglandschaften bis hin zu den komplexen, fast symphonischen Arrangements auf „Andacht“ zeichnet sich ein Weg ab, der von unbedingtem künstlerischem Willen zeugt. Dieses Album markiert dabei zweifellos den Zenit ihres Schaffens – ein Meisterwerk, das die Band kurz vor ihrer Auflösung noch einmal in all ihrer Größe zeigt. Da das eigentliche Abschiedswerk „Andacht“ schon ein Ausnahmemeisterwerk war, ist es umso erstaunlicher, dass Lunar Aurora mit „Hoagascht“ die Qualität nochmals steigern konnten. Besser hätte die beste deutsche Black Metal-Band nicht abtreten können. Mit ihren Alben nach der Jahrtausendwende haben die Bayern ausschließlich Meisterwerke geschaffen, die ich persönlich zu den besten Alben im Black Metal-Genre zähle, und „Hoagascht“ ist nichts weniger als ein perfektes Wunder. „Hoagascht“ ist ein Album, das tief in der Tradition des Black Metal verwurzelt ist, aber gleichzeitig die Konventionen des Genres in eine Richtung lenkt, die so einzigartig und eigenständig ist, dass es fast aus der Zeit gefallen scheint. Es ist ein Werk, das sich nicht an Moden oder Trends orientiert, sondern aus einer tieferen, zeitlosen Quelle schöpft. „Hoagascht“ gehört zu meinen absoluten Lieblingsalben, und die emotionale Verbindung, die ich mittlerweile zu diesem Album aufgebaut habe, ist enorm. Es ist ein Album, das sich mit seiner beängstigenden Perfektion und einzigartigen, verwunschenen Atmosphäre in die Riege der großartigsten Black Metal-Alben aller Zeiten einreiht. [Review lesen]

07.12.2024 18:37 - Love: Forever Changes (1967)

8.5 / 10
„Forever Changes“ von der Band Love ist zweifellos eines der eigenwilligsten und zugleich faszinierendsten Werke der Rockgeschichte. Veröffentlicht im Jahr 1967, markiert es den Höhepunkt der kreativen Ambitionen von Arthur Lee und seinen Mitstreitern. Anders als viele seiner Zeitgenossen, die sich in psychedelischen Klangwelten verloren oder ekstatische Klangteppiche entwarfen, geht „Forever Changes“ einen introspektiveren Weg, ohne dabei die Tiefe und die Struktur der musikalischen Innovation jener Epoche zu vernachlässigen und gleichzeitig die drückende Stimmung einer zerbrechenden Welt perfekt einfängt. „Forever Changes“ erweist sich bei eingehender Betrachtung als ein musikalisches Werk von beispielloser Komplexität und emotionaler Tiefe. Das Album ist weder ein lauter noch ein vordergründig revolutionärer Aufschrei, vielmehr gleicht es einer subtilen Warnung, die sich durch sanfte Melodien und intime Texte schlängelt. Der Opener ‚Alone Again Or‘ mag zunächst wie eine klassische Folk-Rock-Komposition wirken, doch schon bald offenbart sich die darunterliegende Tiefe. Der warme Klang der Akustikgitarre wird von Bläsern und einem orchestralen Arrangement unterstützt, das dem Song eine fast schon barocke Pracht verleiht. Die melancholische Stimme von Bryan MacLean – sanft und zugleich voller unausgesprochener Sehnsucht – setzt einen ersten emotionalen Höhepunkt. Es ist diese unterschwellige, fast bedrückende Stimmung, die dem Song eine zusätzliche Schwere verleiht: „And I will be alone again tonight, my dear.“ Es ist ein Lied über Isolation und Verlust, und doch vermittelt es eine Art von stoischer Gelassenheit, die das thematische Rückgrat des Albums bildet. Arthur Lee, das kreative Zentrum von Love, durchzieht das Album mit einer introspektiven Vision, die sowohl zeitlos als auch zutiefst verwurzelt in der Unsicherheit des späten 1960er-Jahre-Amerika ist. Während viele Bands dieser Zeit sich von einer hedonistischen Begeisterung für Freiheit und Selbstverwirklichung treiben ließen, scheint Lee bereits die kommende Desillusionierung zu spüren. Seine Texte, die oft auf den ersten Blick kryptisch erscheinen, offenbaren bei näherer Betrachtung eine erstaunliche Tiefe und einen klaren, fast prophetischen Blick auf das, was auf die amerikanische Gesellschaft zukommt. Das gesamte Album ist geprägt von einem vielschichtigen Sound, der von orchestralen Arrangements bis hin zu scharfkantigen, fast dissonanten Momenten reicht. Es ist diese ständige Spannung zwischen Harmonie und Dissonanz, die „Forever Changes“ auszeichnet. Songs wie ‚The Red Telephone‘ scheinen in ihrer fragilen Schönheit fast auseinanderzufallen, nur um im letzten Moment wieder zusammengehalten zu werden. Lee singt hier von Angst, Verzweiflung und Entfremdung, und doch wirkt der Song gleichzeitig wie ein Mantra des Durchhaltens. „Sitting on a hillside / Watching all the people die“, singt er mit einer fast unheimlichen Ruhe. Die Instrumentierung des Albums ist komplex und zeigt die Band in ihrem kreativen Zenit. Statt sich auf die typischen Rock-Instrumente zu verlassen, erweitert Love das Spektrum durch Bläser, Streicher und orchestrale Arrangements, die eine zusätzliche Dimension der Erzählung schaffen. Besonders hervorzuheben ist hier der Produzent Bruce Botnick, der es verstand, die klangliche Vision der Band auf brillante Weise umzusetzen, ohne dabei die Intimität und die Rohheit des Materials zu verlieren. Die orchestralen Passagen wirken nie überladen oder künstlich, sondern fügen sich nahtlos in die eher minimalistischen und akustisch geprägten Parts ein. Das Album strahlt eine schwer zu greifende Eleganz aus, die jedoch nie prätentiös wirkt. Die Arrangements wirken niemals überladen, sondern lassen den Songs genug Raum zum Atmen. Jedes Instrument, von der akustischen Gitarre über die sanften Bläser bis hin zu den scharf akzentuierten Streichern, fügt sich perfekt in das Gesamtbild ein und verstärkt die emotionale Aussage der jeweiligen Komposition. Was dieses Album jedoch so zeitlos und gleichzeitig so unvergleichlich macht, ist die Art und Weise, wie es persönliche Angst und kollektive Unsicherheit auf einer musikalischen Ebene verbindet, die sich jeder eindeutigen Kategorisierung entzieht. Es gibt Momente auf „Forever Changes“, in denen man das Gefühl hat, dass die Musik selbst sich gegen den Hörer wendet – dass die scheinbare Schönheit und Harmonie nur eine Illusion ist, die sich bei zu genauer Betrachtung auflöst. Das Album weigert sich, einfache Antworten zu geben. Die wohl stärkste Leistung von „Forever Changes“ ist es, dass es die Dualität von Hoffnung und Verzweiflung meisterhaft einfängt. Der Titel selbst impliziert eine Ewigkeit, die sich ständig wandelt –dies ist die beste Beschreibung für die Klanglandschaft, die Love hier entwirft. Es ist ein Album, das in einer Epoche tief verwurzelt ist und gleichzeitig zeitlos bleibt. In gewisser Weise kann man sagen, dass „Forever Changes“ seiner Zeit voraus war. Während viele Alben der späten 60er Jahre in ihrer Zeit stecken geblieben sind, hat dieses Werk seinen Reiz und seine Relevanz bewahrt. Die Band selbst hat es nie geschafft, den „Erfolg“ dieses Albums zu wiederholen, was nur den mythischen Status von „Forever Changes“ weiter untermauert. Es bleibt ein einsames, aber strahlendes Meisterwerk. [Review lesen]

07.12.2024 18:37 - Lycia: Day In The Stark Corner, A (1993)

8.5 / 10
Wenn Musik zur völligen Dunkelheit wird, wenn Klänge die tiefsten, unergründlichsten Winkel der menschlichen Seele durchdringen, dann hat man es mit einem Werk wie „A Day in the Stark Corner“ von Lycia zu tun. Dieses Album steht als einsamer Monolith in den nebelverhangenen Grenzgebieten von Gothic, Ambient und experimentellem Rock. Veröffentlicht im Jahr 1993, in einer Zeit, als die Welle der 80er-Jahre-Gothic-Musik langsam abebbte und sich neue Formen atmosphärischer Klänge abzeichneten, präsentiert dieses Werk eine faszinierende Fusion düsterer Introspektion mit klanglicher Innovation. Mit einer nahezu erdrückenden Atmosphäre und einer einzigartigen Mischung aus Darkwave, Gothic und ambienten Klängen schaffen Lycia hier einen Klangkosmos, der düster, melancholisch und zutiefst hypnotisch ist. Die Synthesizer fließen wie kalter Atem durch die Songs, während die Gitarren mit einer leisen, aber unaufhaltsamen Präsenz über den Kompositionen schweben. Das Album ist ein Meisterwerk der Isolation, das die tiefsten Ängste und Einsamkeiten des menschlichen Daseins in gefrorenen, elektronischen Klanglandschaften einfängt, die Lycia mit solcher Präzision erschaffen haben. Lycia erschaffen hier Klangwelten, die von minimalistischen, beinahe distanzierten Kompositionen geprägt sind, und dennoch ist diese klangliche Kargheit von überwältigender Wirkung. Das Projekt um Mike VanPortfleet entwickelte seit seiner Gründung 1988 kontinuierlich eine einzigartige Klangästhetik. Mit „A Day in the Stark Corner“ erreichten sie den Höhepunkt ihrer kreativen Vision: ein Album, das gleichzeitig bedrückend und erhebend, düster und transzendent wirkt. Es steht für die Fähigkeit, die Ästhetik des Minimalismus in einen Sound zu verwandeln, der von emotionaler Intensität durchdrungen ist. Der Eröffnungstrack ‚And Through The Smoke And Nails‘ taucht den Hörer sofort in eine frostige, klirrend kalte Atmosphäre ein. Die langsamen, methodischen Rhythmen verleihen dem Stück eine gespenstische Ruhe, jedoch ohne jemals beruhigend zu wirken. Vielmehr hat man das Gefühl, am Rande einer gewaltigen, bodenlosen Leere zu stehen. Dieser Song fungiert als Eintritt in eine andere Dimension, in der jeder Klang sich Zeit nimmt, um sich vollständig zu entfalten und die Gefühle der Isolation und des Unbehagens zu intensivieren. Es ist ein Paradebeispiel für Lycias Fähigkeit, eine dichte, intensive Stimmung zu erzeugen, ohne dabei auf überladene Kompositionen zurückzugreifen. Die emotionale Kraft von Lycias Arrangements liegt oft in ihrer scheinbaren Einfachheit. Klangliche Wiederholungen wirken beinahe meditativer Natur und erzeugen eine Sogwirkung, der man sich nur schwer entziehen kann. Es gibt keine plötzlichen Höhepunkte, keine aggressive Dynamik. Stattdessen bauen Lycia Spannung auf, indem sie Motive langsam und methodisch aufbauen und wiederholen. Diese subtile Spannung zwischen Stille und brodelnder Dunkelheit durchzieht das gesamte Album und verleiht ihm eine fesselnde, erdrückende und beinahe unentrinnbare Präsenz. Was „A Day in the Stark Corner“ so einzigartig und beeindruckend macht, ist die Art, wie Lycia Musik als Ausdruck von Gefühlen der Verlassenheit und Verzweiflung nutzt, ohne dabei jemals kitschig oder melodramatisch zu wirken. Das Album ist in seiner Düsternis absolut konsequent und vermeidet jegliche Form von theatralischer Überzeichnung. In Songs wie ‚Pygmalion‘ zeigt sich das deutlich: Hier treffen spärliche, repetitiv gespielte Gitarren auf dichte, schwer atmende Synthesizer, die den Raum geradezu erdrücken. Es ist, als ob die Musik den Hörer in eine Art klaustrophobisches Gefängnis der Einsamkeit sperrt. ‚The Body Electric‘ ist ein Paradebeispiel dafür, wie Lycia mit Texturen und Atmosphären arbeiten, um eine emotionale Intensität zu erzeugen, die sich fast unmerklich steigert. Der Song beginnt langsam und bedächtig, doch nach und nach schichtet sich eine Klangwand aus dichten Synthesizer-Wellen und hallenden Gitarren, bis der Hörer schließlich von dieser Soundlawine überrollt wird. Es ist ein subtiler, fast unheimlicher Aufbau, der das Album so intensiv und fesselnd macht. Man verliert sich förmlich in diesen fließenden Klangstrukturen. Ein weiteres Highlight des Albums ist ‚Goddess of the Green Fields‘, ein Track, der trotz seiner minimalistischen Struktur eine fast spirituelle Tiefe erreicht. Hier wird die Melancholie, die das Album durchzieht, zu einer Art erhabener Trauer, in der sich unheilvolle Synthesizer mit melancholischen Gitarren zu einem düsteren Klangteppich verweben. Es ist eine dieser seltenen musikalischen Kompositionen, die in ihrer Schlichtheit eine emotionale Kraft entwickeln, die einem den Atem raubt. Lycia haben mit diesem Album nicht nur eine Vertonung von Einsamkeit und Isolation geschaffen, sondern sie setzen sich auf künstlerischer Ebene tiefgehend mit diesen Themen auseinander. „A Day in the Stark Corner“ ist nicht einfach nur düster – es ist eine vollständige Verkörperung des Konzepts der Dunkelheit. Dabei wirkt die Musik niemals überladen oder gewollt dramatisch, sondern bleibt stets zurückhaltend und nuanciert. Gerade diese subtile Zurückhaltung verleiht ihr eine ungeheure Kraft. Die minimalistische Instrumentierung und die frostige, fast unterkühlte Produktion erzeugen eine seltsam beruhigende Wirkung, obwohl die Musik eine erhebliche emotionale Schwere trägt. Die Musik scheint sich in einer Art Zeitlupe zu bewegen, wobei jeder Klang bis ins kleinste Detail zelebriert wird, was eine fast hypnotische Wirkung erzeugt. Im Kontext der frühen 1990er Jahre stellte „A Day in the Stark Corner“ einen radikalen Bruch mit den Konventionen des Gothic Rock dar. Während andere Bands auf theatralische Gesten und romantische Klischees setzten, schuf Lycia eine in sich geschlossene Klangwelt. „A Day in the Stark Corner“ ist ein hypnotisches, introspektives Meisterwerk, das die Schönheit der Dunkelheit auf eine subtile, aber kraftvolle Weise feiert. [Review lesen]

07.12.2024 18:35 - Amon Düül II: Yeti (1970)

8.0 / 10
„Yeti“ von Amon Düül II ist der Soundtrack zu einer Reise in eine Parallelwelt, in der die Schwerkraft nicht mehr greift, die Zeit sich auflöst und die Grenzen zwischen Ordnung und Chaos verschwimmen – ein psychedelischer Sturm aus Klangkollagen, Improvisationen und rockiger Wildheit, der sich durch Raum und Zeit wälzt und dabei die Konventionen des Rock der frühen 70er-Jahre sprengt. Während Bands wie Can in der Krautrock-Szene einen minimalistischen, fast hypnotischen Ansatz wählten, bricht Amon Düül II auf „Yeti“ wie ein wütender Orkan los. Wo Can die Musik reduziert und die Strukturen straff hält, lassen Amon Düül II die Dämme brechen und entfesseln eine Klanglandschaft, die genauso chaotisch wie faszinierend ist. Hier dominieren schräge Gitarrenlinien, durchdringende Rockbeats und eine freigeistige Lust an der Improvisation, die das Album zu einem wilden, ungezähmten Erlebnis macht. Der Opener ‚Soap Shop Rock‘, mit seinen knapp 14 Minuten und in vier Abschnitte unterteilt, ist ein wilder Trip, der die unterschiedlichsten Stimmungen einfängt. Orientalische Motive tauchen auf und verschwinden, nur um von psychedelischen Gitarrenwänden und unerwarteten Klassik-Elementen verdrängt zu werden. Jeder Abschnitt führt tiefer in ein Labyrinth aus surrealen Klangbildern, das sich mal in donnernde Rockeskapaden stürzt, mal in düstere, schwebende Soundscapes zerfließt. Amon Düül II gelingt es dabei auf eindrucksvolle Weise, eine alternative Realität zu schaffen, in der die musikalischen Strukturen fortlaufend dekonstruiert und neu geformt werden. „Yeti“ ist ein Gesamtkunstwerk, das sich über seine gesamte Spielzeit hinweg als monumentale Improvisation entfaltet. Die Gitarren klingen oft wie Signale aus einer fernen Galaxie, verwoben mit organisch wabernden Synthesizerflächen und einem Bass, der sich wie ein urzeitliches Monster durch die Songs schlängelt. Besonders hervorzuheben ist die Art und Weise, wie die Band inmitten des scheinbaren Chaos dennoch eine kohärente klangliche Struktur bewahrt – eine subtile Balance zwischen Auflösung und Ordnung, die den kreativen Kern von „Yeti“ ausmacht. Für Hörer, die mit den etablierten Rockklassikern der 1970er Jahre vertraut sind und traditionelle Songstrukturen sowie eingängige Melodien erwarten, könnte „Yeti“ eine Herausforderung darstellen. Diese Widerständigkeit, dieses Reiben und Verbiegen des Erwarteten, ist die Essenz von Krautrock und macht „Yeti“ zu einem zeitlosen Meisterwerk der Avantgarde. Es fordert, es provoziert, und es belohnt diejenigen, die bereit sind, sich dem Sog dieser bizarren und fremden Klangwelt hinzugeben. Amon Düül II präsentieren sich auf „Yeti“ als eine entfesselte Kraft, die jedes konventionelle Verständnis von Struktur mit sich reißt. Sie erschaffen ein klangliches Universum, in dem jedes Element – so chaotisch es auch erscheinen mag – seinen eigenen Platz findet und zu einem faszinierenden Gesamtbild beiträgt. Das Album demonstriert eindrucksvoll die Fähigkeit der deutschen Musikszene der frühen 1970er Jahre, eine eigenständige und innovative Form der Rockmusik zu entwickeln – eine Musik, die sich bewusst von angloamerikanischen Vorbildern distanzierte und stattdessen radikal eigene Wege beschritt. Die Jahre 1969 bis 1972 markieren für Amon Düül II einen kreativen Höhepunkt, in dem die Band ihren charakteristischen Stil definierte: eine dynamische Mischung aus Improvisation, Experiment und intensiver Rockenergie, die unvergessliche Klangwelten schuf. [Review lesen]

07.12.2024 18:35 - Peter Gabriel: So (1986)

8.5 / 10
Mit „So“ lieferte Peter Gabriel 1986 ein Werk ab, das sich nicht nur tief in die Pop-Geschichte der 80er Jahre eingegraben hat, sondern die Grenzen dieses Genres sprengte und bewies, dass Popmusik weitaus mehr sein kann als bloße Unterhaltung. Gabriel, der sich in den 70ern als Frontmann von Genesis als Vorreiter des Art-Rocks einen Namen machte, transformierte mit seinem Solo-Schaffen die musikalische Landschaft immer wieder aufs Neue – und mit „So“ gelang ihm der Spagat zwischen Komplexität und Eingängigkeit in einer Art und Weise, die bis heute bewundernswert ist. Bereits der fantastische Opener ‚Red Rain‘ entfaltet eine bildgewaltige Atmosphäre. Der Song wächst zu einem emotionalen Sturm heran, der den Hörer auf eine düstere, aber hoffnungsvolle Reise mitnimmt. Es ist die Art von musikalischer Dichte und Komplexität, die Gabriel mit jedem Album perfektionierte, hier jedoch mit einer Brillanz, die den Zeitgeist der 80er einfängt und gleichzeitig darüber hinausblickt. Die Gastmusiker auf „So“ sind erstklassig und fügen der ohnehin schon meisterhaften Produktion weitere Schichten hinzu. Dennoch ist es Gabriels unverwechselbare Stimme, die wie ein Anker durch das Album führt – voller Emotion, oft zurückhaltend, aber stets eindringlich. Es folgt der größte Hit des Albums – und vermutlich der gesamten Karriere von Gabriel: ‚Sledgehammer‘. Ein Song, der mit seiner funkigen, souligen Struktur und dem unvergesslichen Bläsereinsatz sofort ins Ohr geht. „So“ hat hier nicht nur musikalisch Geschichte geschrieben, sondern auch visuell: Das bahnbrechende Video zu ‚Sledgehammer‘ revolutionierte die Ästhetik von Musikvideos und schuf Bilder, die sich unauslöschlich in das kollektive Gedächtnis eingeprägt haben. Der Song mag ein Ohrwurm sein, aber er ist weit davon entfernt, oberflächlich zu sein – es ist diese perfekte Balance aus Komplexität und Zugänglichkeit, die Gabriel meisterhaft beherrscht. Besonders hervorzuheben ist Tony Levins denkwürdige Basslinie. Mit ‚Don’t Give Up‘ betritt das Album emotionale Tiefen, die geradezu unergründlich erscheinen. Kate Bush und Peter Gabriel liefern sich ein Duett, das so schön und melancholisch zugleich ist, dass es den Hörer unvermittelt in seine eigene emotionale Welt zurückwirft. Bushs ätherische Stimme, die sich mit Gabriels warmer, brüchiger Stimme verbindet, erschafft einen Song, der Trost und Schmerz zugleich transportiert – eine Hymne für alle, die sich in schwierigen Zeiten verloren fühlen, aber die Hoffnung dennoch nicht aufgeben wollen. ‚That Voice Again‘ und ‚In Your Eyes‘ zeigen Gabriels Gespür für Art-Pop in Reinform: Schöne Harmonien, intelligente Melodien und eine Finesse im Songwriting, die auch heute noch beeindruckt. Besonders ‚In Your Eyes‘ – ein Song, der durch seine tiefgreifende Emotionalität und universelle Botschaft besticht – hat sich seinen Platz in der Popkultur verdient. Das eigentliche Herzstück des Albums ist das düstere und gleichzeitig von hypnotischer Schönheit geprägte ‚Mercy Street‘. Gabriel zeigt hier, warum er einer der größten Geschichtenerzähler der Musik ist – nicht nur durch seine großartige stimmliche Performance, sondern durch die Art, wie er Stimmungen und Gefühle einfängt. Die sparsame Instrumentierung, die subtile Produktion und Gabriels Flüstern ziehen den Hörer in einen unvermeidlichen Sog. Gabriel malt mit seiner Stimme Bilder, die jenseits des Greifbaren liegen. Mit ‚Big Time‘ kehrt die Energie von ‚Sledgehammer‘ zurück – ein funkiger, treibender Track, der die Leichtigkeit und das Selbstbewusstsein der 80er perfekt verkörpert. Mit ‚We Do What We’re Told (Milgram’s 37)‘ liefert Gabriel den wohl rätselhaftesten Song des Albums ab. Ein hypnotisches, fast psychedelisches Stück, das mit dem restlichen Album musikalisch bricht und Gabriels experimentelle Seite offenbart – ein mutiger Schritt, der dem Album noch mehr Tiefe verleiht. Peter Gabriel hat mit „So“ bewiesen, dass Popmusik nicht trivial sein muss. In einer Ära, in der viele Bands auf Plastikproduktionen und Oberflächlichkeiten setzten, schuf er ein Album, das anspruchsvoll und zugänglich zugleich war – intelligent, emotional und visionär. Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass ohne „So“ die 80er Jahre ein Stück ärmer gewesen wären. Und auch heute klingt dieses Album noch frisch, relevant und zutiefst berührend. [Review lesen]

07.12.2024 18:33 - Soft Cell: Non-Stop Erotic Cabaret (1981)

8.0 / 10
Es gibt nur wenige Alben, die so klingen, wie ihr Cover aussieht, und dabei die Seele des Covers in jedem Ton einfangen. Als Soft Cell 1981 mit „Non-Stop Erotic Cabaret“ die Bühne betraten, brachten sie etwas ganz Neues in die Musikwelt. Das Album ist eine düstere, aber gleichzeitig verführerische Mischung aus Synthpop und dekadenter Clubkultur. Es ist nicht nur ein Produkt seiner Zeit, sondern auch ein gewagter Blick hinter die schillernde Fassade des Nachtlebens - ein Werk, das ebenso verstörend wie verführerisch ist. Für mich steht dieses Album als perfekte Balance zwischen kühler, distanzierter Synthesizer-Musik und einem emotionalen, fast dekadenten Erzählen menschlicher Abgründe. Marc Almond und David Ball, die beiden Köpfe hinter Soft Cell, schufen mit diesem Album eine düstere und zugleich verlockende Klangwelt, die die Grenzen zwischen Glamour und Abgrund, zwischen Hedonismus und innerer Leere verschwimmen lässt. „Non-Stop Erotic Cabaret“ ist eine Festveranstaltung der Dekadenz, ein kaleidoskopisches Porträt der Nachtwelt, das uns in eine sündige, synthetische Realität entführt, voller Schatten und flackerndem Neonlicht. Das Album markierte nicht nur den Durchbruch von Soft Cell, sondern stellte auch einen Wendepunkt in der Geschichte der elektronischen Popmusik dar. Es gelang ihnen, kommerziellen Erfolg und künstlerische Integrität in einer Weise zu vereinen, die in der oft oberflächlichen Welt des Synthpop einzigartig ist. Soft Cell entstanden zu einer Zeit, als die elektronische Musik gerade begann, das musikalische Mainstream-Bewusstsein zu durchdringen. Während Vorreiter wie Kraftwerk und Gary Numan den Grundstein für die kommerzielle Akzeptanz von Synthesizern gelegt hatten, brachte Soft Cell einen neuen, radikaleren Ansatz in die Popmusik ein. Marc Almond, ein schillernder, expressiver Sänger, der in seiner theatralischen Darstellung fast an die Tradition der britischen Music Hall erinnert, und David Ball, ein Meister der minimalen, aber wirkungsvollen Synth-Arrangements, bildeten ein Duo, das den Synthpop mit einer bisher unbekannten, dunklen Erotik auflud. Mit „Non-Stop Erotic Cabaret“ wurden sie zu Ikonen der frühen 1980er Jahre und ebneten den Weg für nachfolgende Generationen elektronischer Künstler. Das Album taucht vom ersten Ton an in eine düstere, fast surrealistische Atmosphäre ein. Der Sound ist minimalistisch, doch gleichzeitig überwältigend in seiner emotionalen Intensität. David Balls minimalistische, aber kraftvolle Synth-Arrangements sind die perfekte Kulisse für diese Geschichten. Balls Synthesizer erschaffen eine sterile, kühle Klangwelt, die die Themen des Albums – sexuelle Freiheit, moralischer Verfall, die Suche nach Identität – perfekt widerspiegelt. Die Synths und Beats sind zwar einfach gehalten, doch in ihrer schroffen Direktheit transportieren sie eine unbändige Energie, die den Songs ihre zeitlose Kraft verleiht. Almonds Stimme ist der emotionale Mittelpunkt des Albums. Er singt nicht nur, er verkörpert jede Zeile, jeden Vers. Seine Darbietung ist (vermutlich) absichtlich überzogen, doch in dieser Übertreibung liegt eine tiefere Wahrheit, eine spürbare Authentizität. Er wechselt mühelos zwischen dem Flüstern eines Verführers und den verzweifelten Schreien eines Mannes, der von seinen eigenen Dämonen gejagt wird. Die Texte, voller dunkler Anspielungen und scharfkantiger Metaphern, schaffen eine Struktur, die in eine Welt entführt, in der Lust und Verlust untrennbar miteinander verbunden sind. Der vielleicht eindringlichste Moment des Albums findet sich in ‚Sex Dwarf‘. Hier verschmelzen provokante Lyrics mit einer fast „brutalen“ musikalischen Intensität. Der stampfende Beat und die schrillen Synthesizer-Linien treiben den Song vorwärts, während Almond Bilder von Dekadenz und Perversion heraufbeschwört. ‚Sex Dwarf‘ ist ein geschmackloses Statement, das die Grenzen des guten Geschmacks bewusst überschreitet und gerade dadurch die Doppelmoral der Gesellschaft entlarvt. Ein weiterer herausragender Höhepunkt – und der beste Soft Cell-Song – ist ‚Say Hello, Wave Goodbye‘. In diesem bittersüßen Abschiedssong verdichtet sich die Essenz des melancholischen Pop. Die Geschichte einer gescheiterten Affäre wird von einem elegischen Synthesizer-Teppich getragen, der gleichermaßen tröstend und schmerzlich ist. Almonds Performance hier ist herzzerreißend, seine Stimme schwebt zwischen Stolz und gebrochener Verwundbarkeit. Wenn die plötzlich ergreifende Synthesizer-Wucht zusammen mit Almonds unglaublich intensiven gesungenem „Take your hands off me“ einsetzt, ist es für mich tatsächlich der beste Song, der in den Achtzigern geschrieben wurde. Die düstere Erotik und das Gefühl der Entfremdung, das das Album durchzieht, machten es zu einem wichtigen kulturellen Dokument, das die aufkommende Underground-Kultur der 1980er Jahre widerspiegelte. Die künstlerische Radikalität dieses Albums, seine Bereitschaft, die Grenzen des guten Geschmacks zu überschreiten und Themen zu erkunden, die andere Künstler scheuten, machen es zu einem Meisterwerk der Pop-Geschichte. „Non-Stop Erotic Cabaret“ bleibt ein Werk, das bis heute sowohl musikalisch als auch thematisch mutig und innovativ ist. „Non-Stop Erotic Cabaret“ ist das prägende Werk, das die Essenz von Soft Cells künstlerischer Vision destilliert – ihr Meisterwerk, das die 80er Jahre nicht nur musikalisch, sondern auch visuell und ästhetisch geprägt hat und eine klare, fast kalte Ästhetik verfolgt. Und mittlerweile ist es wohl mein Lieblingsalbum aus diesem Bereich, auch wenn es eigentlich „Vienna“, „Rio“, „Dazzle Ships“ oder unter vorgehaltener Hand „A Secret Wish“ sein müsste. [Review lesen]

07.12.2024 18:32 - The Who: Quadrophenia (1973)

10.0 / 10
In einer musikalischen Welt, die Ende der 60er Jahre von revolutionärem Wandel geprägt war, drängten sich The Who bereits als eine der treibenden Kräfte in den Vordergrund. Doch während sie mit „Tommy“ ein Konzeptalbum schufen, das in vielerlei Hinsicht als Meisterwerk gilt, war es „Quadrophenia“, das die Band auf eine noch höhere Ebene katapultierte. Dieses Album zeigt die künstlerische Reife und die konzeptionelle Ambition von The Who, die es vermochten, die Ausdrucksmöglichkeiten der Rockmusik zu erweitern und zu revolutionieren. Wo andere Bands mit Konzeptalben den Weg des geringsten Widerstands gingen, schuf Pete Townshend hier ein Werk, das sich mit allem messen kann, was als künstlerisch und progressiv gilt, ohne den rohen Geist des Rock zu opfern. Was „Quadrophenia“ von anderen Konzeptalben unterscheidet, ist die fast schon cineastische Qualität, mit der Pete Townshend die Geschichte des jungen Mods Jimmy erzählt. Jimmys Geschichte ist eine Reise durch Identitätskrisen und gesellschaftliche Erwartungen, untermalt von einem Soundtrack, der das Gefühl der Isolation und des inneren Aufruhrs perfekt einfängt. Die Struktur des Albums ist ebenso komplex wie kunstvoll, indem sie zwischen den verschiedenen Facetten von Jimmys Persönlichkeit wechselt, sowohl musikalisch als auch erzählerisch, und so eine tiefgreifende emotionale Resonanz erzeugt. Townshends Vision und seine Fähigkeit, eine derart verwobene Erzählstruktur zu entwickeln, ist es, was „Quadrophenia“ wirklich von anderen Konzeptalben abhebt. Das Intro ‚I Am the Sea‘ legt den Grundstein für diese Reise, indem es den Hörer mit Meeresrauschen und einem fernwehgeprägten Klavier unmittelbar in die raue und unberechenbare Welt von „Quadrophenia“ zieht. Hier wird deutlich, dass das Meer – als Metapher für Jimmys innere Zerrissenheit – eine zentrale Rolle spielen wird. Die nachfolgenden Songs entfalten sich wie eine Ouvertüre, wobei sich ‚The Real Me‘ mit seinen energischen Bläsersätzen und John Entwistles donnernden Naturgewalt-Basslauf nahtlos in den Klangkosmos einfügt und das rohe, emotionale Fundament legt, auf dem das Album aufgebaut ist. Das zentrale Stück des Albums ist das gleichnamige Instrumental ‚Quadrophenia‘ – eine symphonisch anmutende Collage, die das musikalische Spektrum der Band in all seiner Vielseitigkeit zeigt. Hier offenbart Townshend, dass The Who weit mehr als eine typische Rockband sind; sie erschaffen ein musikalisches Universum, geprägt von komplexen Arrangements, dynamischen Wechseln und der markanten Nutzung von Synthesizern. Diese Komposition ist sowohl ein Zeugnis der technischen Virtuosität der Band als auch ihrer Fähigkeit, durch Musik eindrucksvolle narrative Bilder und tiefe Emotionen zu vermitteln. Die geschickte Kombination aus traditionellen Rockelementen und orchestralen Klangstrukturen zeigt, dass „Quadrophenia“ sowohl in seiner Komposition als auch in seiner Thematik eine außergewöhnliche Ambition besitzt. Das Stück wirkt wie ein musikalisches Gemälde, das die inneren Turbulenzen von Jimmy widerspiegelt, während es gleichzeitig die Fähigkeit von The Who demonstriert, die Grenzen des Genres zu sprengen. Stücke wie ‚The Punk and the Godfather‘ und ‚I’m One‘ vertiefen Jimmys innere Konflikte und machen die Dualität seiner Persönlichkeit deutlich – einerseits rebellisch und wütend, andererseits empfindsam und voller Selbstzweifel. Roger Daltreys Gesang ist sowohl kraftvoll als auch nuanciert und verleiht diesen Songs eine emotionale Tiefe, während Townshends Gitarrenspiel geschickt zwischen aggressiven und melancholischen Passagen wechselt. „Quadrophenia“ ist voll von solchen Momenten, in denen Musik und Text zu einer Einheit verschmelzen, die mehr ist als die Summe ihrer Teile. Besonders hervorzuheben ist ‚Love, Reign O’er Me‘, das das Album zu einem grandiosen Abschluss führt. Daltrey liefert hier eine der intensivsten und emotional aufgeladensten Gesangsleistungen seiner Karriere ab, während Townshends Klavier- und Gitarrenarbeit eine Atmosphäre von überwältigender Tragik schafft. Es ist nicht nur ein Gebet um Erlösung, sondern auch ein verzweifelter Schrei nach Zugehörigkeit in einer Welt, die Jimmy immer wieder zurückweist. Es ist ein Schlusspunkt, der die gesamte emotionale Reise Jimmys – und damit auch die des Hörers – in einer einzigen, alles umschließenden Geste zusammenfasst. Townshends kompositorische Finesse und Daltreys leidenschaftlicher Gesang verschmelzen hier zu einem überwältigenden Finale, das die Zuhörer in die emotionale Tiefe von Jimmys Welt eintauchen lässt. Die dramatische Nutzung von Synthesizern, Klavier und donnernden Akkorden schafft eine fast opernhafte Qualität, die die Tragik des Charakters in den Vordergrund rückt. „Quadrophenia“ zeichnet sich durch die enge Verzahnung von Musik und Erzählung aus. Jeder Song ist sorgfältig darauf abgestimmt, die emotionale Reise von Jimmys Leben zu spiegeln. Trotz der strukturellen und thematischen Komplexität bleibt die Musik dabei stets zugänglich und fesselnd, wodurch das Album sowohl intellektuell stimulierend als auch emotional mitreißend ist. Diese duale Qualität, zugänglich und dennoch tiefgründig zu sein, ist eine der größten Errungenschaften des Albums. Die technische Raffinesse in den Arrangements wird durch die rohe, unmittelbare Energie des Rock kontrastiert. Die Synthese von klassischen Rockelementen mit komplexen Klangschichten und einer ausgefeilten Erzählstruktur zeigt Townshends umfassende Vision und seine Fähigkeit, ein Werk von solcher künstlerischen Tiefe zu realisieren. Obwohl „Quadrophenia“ oft im Schatten von „Tommy“ steht, kann es in vielerlei Hinsicht als das reifere, deutlich bessere und vollständigere Werk betrachtet werden. Es fängt nicht nur ausschließlich den Geist der Mod-Bewegung ein, sondern behandelt auch universelle Themen wie Identität, Einsamkeit und Selbstfindung auf eine tiefgreifende und zeitlose Weise. Die Art und Weise, wie Townshend die Geschichte eines einzelnen jungen Mannes nutzt, um größere gesellschaftliche Fragen zu thematisieren, ist ein Beispiel für die Vielschichtigkeit, die The Who in dieses Werk eingebracht haben. Das Album reflektiert nicht nur die spezifischen Herausforderungen einer bestimmten Subkultur, sondern spricht universelle menschliche Erfahrungen an, die weit über die Mod-Bewegung hinausgehen. Im Bereich der Konzeptalben nimmt „Quadrophenia“ eine herausragende Stellung ein – es ist ein eindrucksvolles Zeugnis für die künstlerische Vision und das musikalische Können von The Who. Während sich viele Konzeptalben in ihrer eigenen Wichtigkeit verlieren, bleibt „Quadrophenia“ bodenständig und kraftvoll. Hier wird kein überflüssiger Bombast zelebriert, sondern pure Energie und rohe Emotionen auf den Punkt kanalisiert. Die Songs bauen sich auf, explodieren und ziehen den Hörer in einen Strudel aus Wut, Verwirrung und Selbstzweifel – ein ständiges Auf und Ab, das Jimmys Zerrissenheit perfekt widerspiegelt. Auch nach all den Jahren hat das Album nichts von seiner Kraft und Relevanz verloren und erhebt sich weit über den Status eines klassischen Rockalbums. „Quadrophenia“ ist nicht nur ein Höhepunkt in der Karriere von The Who, sondern auch ein bedeutender Beitrag zur gesamten Rockgeschichte. Es bleibt eines der großen Alben, das sowohl fest in seiner Zeit verankert als auch universell zeitlos ist – ein Zeugnis für die unbändige Kraft und die unsterbliche Energie von The Who. „Quadrophenia“ gehört zu den übermächtigsten Höhepunkten der Rockmusik, das mittlerweile seit über 50 Jahren sowohl musikalisch als auch thematisch tief berührt und inspiriert. [Review lesen]

07.12.2024 18:31 - Cultes Des Ghoules: Coven, or Evil Ways Instead Of Love (2016)

9.0 / 10
Es ist eine beachtliche Leistung, dass Cultes des Ghoules nach ihrem überwältigenden Opus „Henbane, ...or Sonic Compendium of the Black Arts“ – für mich eines der düstersten und kreativsten Black Metal-Werke des letzten Jahrzehnts – mit „Coven“ noch einmal eine Schippe drauflegen konnten. Realistisch betrachtet ist „Coven“ in allen Bereichen ausgereifter, fordernder und in seiner Vielfältigkeit nahezu überwältigend. Auf fast 100 Minuten entfaltet sich ein theatralischer Hexentanz, der den Hörer in eine Welt aus körnigen Schwarzweißbildern, verwaschenem Sepia und opulenten Arrangements entführt, die sich in ihrer epischen Breite auch mal über zwanzig Minuten erstrecken können. Der fantastische, rohe Sound des Vorgängers wurde glücklicherweise beibehalten und sogar weiter verfeinert. Die Polen zelebrieren hier eine eindrucksvolle Symbiose aus Endsechziger-Protometal-Sounds, Hellhammer-Einflüssen und der andächtigen Referenz an die frühen Mercyful Fate. Dieses Klangbild wird zu einem intensiven Sounddesign zusammengeführt, das den Hörer unmittelbar in seinen Bann zieht. Die Produktion ist bemerkenswert ungeschliffen – jedes Instrument klingt so natürlich und unbearbeitet wie möglich, was dem Album eine Authentizität verleiht, die man in dieser Form nur selten findet. Es ist eine wahre Freude, diesem rohen, ungezähmten Treiben beizuwohnen, das dennoch durch seine akribische Detailverliebtheit besticht. Besonders hervorzuheben ist, wie bereits auf dem Vorgänger, der grandiose, vielschichtige und unnatürlich kreative Gesang. Die Stimme, die hier in einer meisterhaften Aufführung die knisternde Spannung dirigiert, ist das zentrale Element, das die düstere Atmosphäre des Albums maßgeblich prägt. Diese vokale Darbietung ist weit mehr als bloßer Gesang; sie ist eine Inszenierung, die das gesamte Werk in eine düstere, fast schon greifbare Atmosphäre taucht. „Coven“ ist ein Album, das vor Kreativität nur so strotzt, zugleich jedoch auf das Nötigste reduziert bleibt. Die Musiker setzen hier einfache, aber äußerst effektive Mittel ein, um ihre großartigen Kompositionen in Einklang zu bringen. Die Band hat ein Gespür dafür, ihre Kreativität in den Dienst der Kompositionen zu stellen, ohne sich in überflüssigen Schnörkeln zu verlieren. Jeder Song auf „Coven“ ist sorgfältig ausgearbeitet – es gibt keine Längen, keine überflüssigen Passagen – alles ist auf den Punkt gebracht und dient dem großen Ganzen. Wo „Henbane“ noch als Satans wilde Marathon-Sex-Orgie auf dem Hexentanzplatz inszeniert war, ist „Coven“ der direkte Einblick in den Kreißsaal von Walpurga Hausmännin. „Coven“ fordert, es erschreckt, es fasziniert – und es zeigt einmal mehr, dass diese Band zu den innovativsten und faszinierendsten Vertretern ihres Genres gehört und hier ein Werk geschaffen hat, das sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft des Black Metal in sich trägt. [Review lesen]

07.12.2024 18:30 - Cultes Des Ghoules: Henbane (2013)

9.0 / 10
„Henbane, ...or Sonic Compendium of the Black Arts“ war das nächste große Monument im Black Metal seit „Anthems to the Welkin at Dusk“, „OM“, „Fas - Ite, Maledicti, in Ignem Aeternum“, „The Work Which Transforms God“, „Thorns“ und vielleicht noch „Rain upon the Impure“ – ein astrales Wunder, das in der Geschichte des Genres einen festen Platz einnimmt, gleichberechtigt neben diesen epischen Meisterwerken. Hier wird erst gar nicht versucht, musikalisch zu überzeugen, Experimente unterzubringen und mit aufgeblasenem Hompelpompel zu blenden. Musik für doofe Menschen wie mich, in der ich mich komplett verliere. Macht, Finsternis, Unbehagen, Schmerz und Pein, lebendiger Geisteswahn und Gestank. Cultes Des Ghoules ist hässliche Musik, unsauber gespielt, unromantisch produziert, hoffnungslos schrullig und tief in der Vergangenheit grabend, anstrengend und unepisch episch. Black Metal-Intensität bis auf das Knochenmark. Die Gesangsleistung auf diesem Album ist schlicht überragend und die „beste Leistung“ 2013. Mortuus wird im Irrenhaus von Jerusalem in einer Zwangsjacke von Mel Gibson getauft, und Xavier Naidoo versucht, ihn dabei durch das Einstimmen seiner Lieder seelisch zu beruhigen. Danach wird er in den polnischen Ostblock in das Jahr 1983 gebeamt. Der Fluxkompensator hat alles möglich gemacht und bei der Taufe das Elend und die Qual der Stimme aufgezeichnet. Das ist übertrieben gut, was da gesanglich auf diesem Werk abgeht. Es ist eine solch kreative, fast schon theaterhafte Leistung, dass man sie nicht nur hören, sondern auch fühlen muss – sie entzieht sich der Beschreibung und gehört zu den größten Gesangsleistungen, die ich je in diesem Genre erlebt habe. Marek Górecki muss eindeutig Satans persönlicher Hofdichter sein. Dann diese stumpfen, fiesen Riffs, die sich unaufhörlich durch den Sound fressen. Dieser fiese Gitarrensound: stumpf, roh, leblos, brodelnd, kaputt und staubig. Schlaghand und Wechselgequietsche sind zudem auch deutlich zu hören, so muss das. Und dieser furchterzeugende Bass, der die ganze Zeit lauert. Mal im Vordergrund, dann wieder bestimmend im Hintergrund – aber immer ist er anwesend, glotzt einen mit der dämonischen Fratze des Nachtmahres an, richtig fürchterlich. Und immer wieder diese derbe, pappige Snare. Die Produktionskosten lagen vermutlich bei 13 Zloty, mehr braucht's auch nicht. Mit 13 Zloty mal eben den besten Sound seit „Under a Funeral Moon“ erschaffen. Übelkeit, Fieber, schlimme, schweißgebadete Alpträume, juckende Pickel, Eiterbläschen und eine saftige Vorhautverengung bekommt man von diesem Sound. Mit ‚The Passion of a Sorceress‘ haben Cultes Des Ghoules nicht nur den Höhepunkt dieses Albums festgehalten, sondern auch einen der zehn besten Black-Metal-Songs der letzten 20 Jahre, der wie ein dämonischer Beschwörungstanz durch die Gehörgänge wütet und nicht mehr loslässt. Danke, Mel Gibson und Xavier Naidoo, dass es euch gibt! Der letzte Moment, in dem ich mich so klein unter meinem Kopfhörer gefühlt habe, war bei meiner nächtlichen Begegnung mit „The Work Which Transforms God“, welches mich damals (und heute immer noch) ängstlich unter dem Bett nachschauen ließ, als die Musik eines Irren die schwarze Nacht zu einem schweißgebadeten Fiebertrauma entzündete. Das war so ein Moment, wo ich es nicht wagte, die Schlafzimmertür offen stehen zu lassen, und mich in die Mitte meines Bettes bewegte, um dann in absoluter Angststarre den halboffenen und auf einmal fürchterlichen Kleiderschrank anzustarren, während mir bei einer Nachttemperatur von 6 °C listig ätzende Schweißbäche die Augen überreizten. Hat sich da gerade etwas in dem Kleiderschrank bewegt? Mein Patrick-Star-Schlafanzug war komplett durchnässt und vermochte es nicht mehr, den maskulinen Schweißfluss von zehn Bauarbeitern aufzunehmen. Mir war heiß und kalt. Der saure Schweiß verdampfte kühl, und Schweißdampf vermischte sich mit einer anderen Flüssigkeit, leicht bitter und stechend in der Nase, wodurch eine Lache, nein, eine Tunke des Ekels entstand, in der ich mich hin und her wälzte. Aber nach dem dritten Mal machte es Spaß, ein Fetisch wurde in mir geboren. Genauso einen ähnlichen, denkwürdigen Moment habe ich mit „Henbane“ durchlebt. Da mag mir noch mal einer sagen, Black Metal ist was für Loser, Bettnässer, pickelige Scheiteldeutsche, Ranzgruppen, Ü-30-Jungfrauen und Lehrer. Das ist er, der große Black-Metal-Klassiker dieser Dekade – ein polnischer Mazurka, der tief in den Eingeweiden schmerzt. [Review lesen]

20.10.2024 21:46 - Sadus: Illusions (1988)

7.0 / 10
Mit Illusions präsentierten Sadus ein Thrash Metal-Debüt, das die Grenzen des Genres in einer Weise verschob, die für viele der nachfolgenden Bands nur schwer erreichbar blieb. Das 1988 veröffentlichte Album, das später unter dem Namen Chemical Exposure neu aufgelegt wurde, ist ein Manifest des brutalen und gnadenlosen Thrash Metal, das in seiner Intensität und technischen Finesse in eine eigene Liga spielt. Sadus bieten eine rasante, ungestüme Gewaltorgie, die sowohl musikalisch als auch energetisch an die absolute Spitze geht. Die Geschwindigkeit ist absurd, das Songwriting hektisch und chaotisch - dennoch gibt es eine präzise Struktur, die dieses Chaos zusammenhält. Der Gesang von Darren Travis ist ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Albums: schrill, aggressiv und unnachgiebig. Seine Stimme wirkt, als wäre sie förmlich der Wut und Raserei des Albums entsprungen. Die hohe Intensität seines Gesangs harmoniert perfekt mit den scharfkantigen Riffs und der ungezügelten Rhythmussektion. Ein herausragendes Element auf Illusions ist das Bassspiel von Steve DiGiorgio. In einer Ära, in der der Bass oft hinter Gitarrenwänden verschwand, schafft DiGiorgio es, seinen markanten, technisch brillanten Stil in den Vordergrund zu rücken. Seine komplexen, manchmal jazzig angehauchten Bassläufe verleihen den ohnehin extremen Songs zusätzliche Tiefe und Dynamik. Besonders bemerkenswert ist, dass er ohne Plektrum spielt, was seine unglaubliche Fingerfertigkeit und Kontrolle unterstreicht. Die Basslinien ziehen sich wie ein roter Faden durch das Album und heben die Musik von Sadus auf ein technisches Niveau, das zu dieser Zeit nur von wenigen anderen Bands erreicht wurde. Das Schlagzeug von Jon Allen tut sein Übriges, um das Album zu einer brutalen, rasanten Angelegenheit zu machen. Vergleiche zu Dark Angel, vor allem zu deren Klassiker Darkness Descends, sind in Bezug auf die unaufhaltsame Schlagzeugarbeit durchaus angebracht. Allen treibt die Songs mit einer gnadenlosen Doublebass-Attacke und blitzschnellen Blastbeats voran, ohne dabei an Präzision oder Kraft zu verlieren. Das Zusammenspiel zwischen ihm und DiGiorgio ist eine der treibenden Kräfte hinter der zerstörerischen Dynamik des Albums. Die Produktion von Illusions mag roh und trocken sein, doch genau das passt perfekt zum unbarmherzigen Charakter der Musik. Die Gitarren klingen schneidend und kalt, und die Produktion setzt den Fokus auf das Wesentliche: Härte und Geschwindigkeit. Alles an diesem Album schreit nach Purismus - kein unnötiger Schnickschnack, keine verspielten Arrangements, nur kompromissloser Thrash Metal in seiner ursprünglichsten Form. Songs wie „Certain Death“ und „Undead“ veranschaulichen, wie kompromisslos Sadus zu Werke gehen. Die Riffs sind messerscharf und von einer Intensität, die fast körperlich spürbar ist. Während andere Thrash-Bands der Zeit auf groove-orientierte Passagen setzten, kannten Sadus nur ein Tempo: Vollgas. Diese kompromisslose Geschwindigkeit, gepaart mit den chaotischen, aber kontrollierten Strukturen, sorgt dafür, dass Illusions den Hörer unablässig in seinen Bann zieht und keine Verschnaufpause erlaubt. Es ist kein Zufall, dass Illusions oft in einem Atemzug mit Thrash-Meilensteinen wie Slayer's Reign in Blood und Dark Angel's Darkness Descends genannt wird. In puncto Brutalität und schierer Wucht steht es diesen Alben in nichts nach - manche würden sogar sagen, dass Sadus hier noch einen Schritt weitergehen. Wo Slayer auf düstere Atmosphäre und Dark Angel auf donnernde Schwere setzen, legen Sadus den Fokus auf rasende Geschwindigkeit und chaotische Aggression. Leider konnte die Band diese rohe Intensität auf ihren späteren Alben nie mehr in der gleichen Form einfangen. Zwar entwickelten sie sich zu einer technisch anspruchsvolleren Band mit progressiven Einflüssen, doch die ungebändigte Wildheit von Illusions blieb einzigartig. Alben wie Swallowed in Black oder A Vision of Misery mögen anspruchsvollere und komplexere Kompositionen bieten, doch sie erreichen nicht die rohe Gewalt und Unmittelbarkeit dieses Debüts. Illusions bleibt ein Vorzeigewerk des Thrash Metal, das auch Jahrzehnte später nichts von seiner Wucht eingebüßt hat. Ein Thrash-Album, das keine Kompromisse macht und die Essenz des Genres in ihrer extremsten Form verkörpert. [Review lesen]

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