:Wumpscut: Wreath Of Barbs (2001) - ein Review von DarkForrest

:Wumpscut:: Wreath Of Barbs - Cover
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1 Review
3
3 Ratings
8.50
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Dark Wave / Gothic: EBM, Industrial


DarkForrest
25.04.2021 08:11

Nach "Boeses Junges Fleisch" stellte sich damals die Frage, in welche Richtung Rudy Ratzinger sein Projekt :Wumpscut: wohl mit dem nächsten Album lenken würde. Sollte er etwa beim technolastigen Stil mit deutschen Texten bleiben oder doch wieder eher an die klassischen Werke wie "Music For A Slaughtering Tribe" oder "Bunkertor 7" anknüpfen? Die Antwort war: weder noch. "Wreath Of Barbs" sollte 2001 nochmal ein paar ganz neue Einflüsse in's Spiel bringen. Das Projekt :Wumpscut: ist zwar noch voll und ganz als solches zu erkennen, bleibt aber experimentell - nur eben auf eine andere Art als "Boeses Junges Fleisch".

Die deutschen Texte sind jetzt erstmal wieder für ein paar Alben passe und auch der Härtegrad wurde erneut etwas heruntergefahren. Auch wenn "Boeses Junges Fleisch" diese Entwicklung bereits eingeleitet hat, so hatte es doch gleichzeitig immer etwas sehr düsteres und dreckiges an sich. "Wreath Of Barbs" klingt dagegen deutlich cleaner, fast schon etwas steril an manchen Stellen und wirkt dadurch oft gewollt kühl und distanziert. Um diesen Effekt zu erreichen wird nicht nur größtenteils ein langsameres Tempo eingeschlagen, sondern auch Aleta Welling wieder in's Boot geholt. Wir erinnern uns: die Dame hat bereits damals bei "Fear In Motion" die Vocals gestellt und bekommt hier eine etwas größere Rolle zugeschrieben.

Soweit ich weiß dürfte "Wreath Of Barbs" auch das letzte :Wumpscut:-Album sein, welches ursprünglich auf einer CD released und erst Jahre später eine Neuauflage mit Bonus-CD spendiert bekommen hat. In diesem Falle gab es (weil 13 so eine schöne Runde Zahl ist) im Jahr 2014 die "13th Anniversary Edition". Als Bonus-CD gibt es diesmal eine relativ normale Remix-CD, welche ein wenig an die Bonus-CDs der späteren Alben erinnert. Vielleicht nicht super spektakulär, aber ehrlich gesagt habe ich mehr davon als von den etwas unbeholfenen "Embryodead"-Instrumentals oder den zwei Bonus-CDs auf "Boeses Junges Fleisch", die zum größten Teil aus bereits veröffentlichtem Material bestanden.

Aber stürzen wir uns erstmal mit CD1 direkt in's Vergnügen. "Opening The Gates Of Hell" ist als Opener vielleicht etwas irreführend. Es kombiniert fast alle klassischen :Wumpscut:-Trademarks und ist deutlich schneller und härter als der Rest des Albums - also eigentlich ein sehr klassischer :Wumpscut:-Song bzw. ein klassischer :Wumpscut:-Opener - diese sind ja ganz gerne mal nicht so besonders experimentell und holen mich zwar immer schnell und unkompliziert in's Boot, sind aber auch selten die Songs, die mir nach Genuss des Albums lange in Erinnerung bleiben. "Opening The Gates Of Hell" ist da eigentlich keine Ausnahme, außer dass es sich stilistisch eben etwas vom Rest des Albums unterscheidet.

"Deliverance" klingt dagegen fast schon poppig. Alles ist irgendwie sehr melodisch und geht gut in's Ohr. Auffällig ist hier der Refrain - die Vocals wurden durch einen Vodcoder nochmal deutlich verfremdet, was dem ganzen einen sehr interessanten aber gelungenen Anstrich verleiht. Aber auch der Wechsel mit Traditionellen Vocals und die sehr melancholischen Streichinstrumente im Hintergrund sorgen dafür, dass das Ding zurecht eine eigene Single erhalten hat. Der Titeltrack treibt den Einsatz des Vodcoders dann auf die Spitze: er wurde auf sämtliche Vocals angewendet. In Kombination mit der sehr einprägsamen Melodie und dem gemächlichen Tempo haben wir hier eine sehr einzigartige Ballade, die deutlich besser funktioniert als man es bei dieser Zusammensetzung erwarten würde. Hilfreich ist sicherlich auch, dass Rudy über diese beiden Songs hinaus (zumindest soweit ich das auf dem Schirm habe) die Finger vom Vodcoder lässt und somit gerade für "Wreath Of Barbs" eine ziemliche Einzigartigkeit garantiert. Später sollten von diesem Song noch gefühlt hunderte Remixes in Form von mehreren Remix-CDs nachfolgen. Ob das so ganz gerechtfertigt war, steht sicher auf einem anderen Blatt, aber der Song an sich ist und bleibt ein Klassiker.

Mit "Dr. Thodt" kommt schließlich Aleta Welling bei den Vocals zum Einsatz und zwar ausschließlich sie. Wie schon damals bei "Fear In Motion" setzt sie eher auf monotonen Sprechgesang, wobei "Dr. Thodt" etwas mehr auf diesen zugeschnitten zu sein scheint und eher gleichmäßiges Gestampfe bietet, statt mit einer chaotischen Struktur wie bei "Fear In Motion" einen Kontrast zu den Vocals schaffen. Das klingt im Ergebnis zumindest ziemlich einzigartig, ist mir aber etwas zu stumpf und führt dazu, dass ich den Song schon vor seinem Ende nach knapp 5 Minuten über habe. Im Gegensatz dazu war für mich das erste Instrumental "Mankind's Disease" der Song auf "Wreath Of Barbs", welcher am meisten davon profitiert hat, dass ich ihn mir öfter angehört habe. Im Grunde ist er sehr simpel aufgebaut mit seinem einfachen Rhythmus, der nur ab und zu mal ganz langsam das Tempo wechselt, aber er fasziniert mich ziemlich und obwohl er inhaltlich gar nicht so viel zu bieten hat, sind die gut 5 Minuten Laufzeit absolut nötig, um die sanften Übergänge, wie wir sie hier haben zu transportieren. Eine sehr schön anzuhörende versteckte Perle.

Auch "Khristfuck" macht verdammt viel richtig. Stellt euch einen typischen :Wumpscut:-Song vor, halbiert das Tempo und fügt eine Extraportion Melancholie hinzu und ihr wisst ungefähr wie es klingt. Das ist dann einer der Momente, in denen der etwas sanftere und cleanere Stil von "Wreath Of Barbs" voll und ganz aufgeht. Das gleiche kann ich leider nicht von "Troops Under Fire" sagen. Abgesehen von ein paar kurzen Lines von Aleta ist das Ding fast Instrumental und schrecklich monoton. Sicherlich soll das so, aber mir fehlt hier Substanz, die das Ding über 5 Minuten tragen soll, die paar kurzen Samples von Feuergefechten passen erstaunlich schlecht zur Musik und wenn die ganze Chose endlich so langsam zum Höhepunkt kommt und Aleta "Left, 2, 3, 4!" ruft, ist meine Aufmerksamkeit in der Regel schon längst ganz woanders hin abgedriftet.

Auf eine wirklich bizarre Art schön ist auf der anderen Seite "Line Of Corpses" und das daraus resultierende Duett, welches sich Aleta und Rudy liefern. Nicht nur, dass beide ihre Vocals erstaunlich intensiv abliefern, die Synths im Hintergrund und das ruhige Tempo schaffen eine wunderbar unheimliche Atmosphäre, wie sie auf "Wreath Of Barbs" besonders gut rüberkommt. "Hate Is Mine" konnte mich dagegen wieder gar nicht überzeugen. Egal wie oft ich es höre: es wird eher noch schlechter und langweiliger. Weder die Vocals noch die Musik an sich finde ich spannend und beides harmoniert miteinander in Kombination auch noch besonders schlecht - nein danke.

Aber immerhin "Bleed In Silence" vermag es, das Album absolut würdig abzuschließen. Da ist sie wieder, die schöne unheilsvolle Atmosphäre eines "Line Of Corpses", nur dass sämtliche Elemente, welche "Wreath Of Barbs" ihren Wiedererkennungswert geben hier besonders gut miteinander harmonieren und alles einfach direkt klickt. Rudy beendet seine Alben ja ganz gerne mal mit langen und langsamen Songs von sehr unterschiedlicher Qualität, aber dieses 6-Minuten-Werk überzeugt mich voll, bis Aleta das Album offiziell mit "Over! Out!" beendet, aber nicht ohne dass dem Hörer noch ein letztes Sample mitgegeben wird: "You're still gonna die.".

Was bleibt ist ein insgesamt sehr ordentlicher, aber nicht gerade stabiler Eindruck vom Album. Wenn "Wreath Of Barbs" funktioniert, dann bietet es wirklich geniale und einzigartige Momente. Falls das aber mal nicht der Fall sein sollte - und das passiert öfter - kann es schonmal ganz schön langweilig werden. Aber vielleicht kann die Bonus-CD ja helfen, ein abschließendes Urteil zu fällen.

Mit 9 Songs wirkt diese zwar umfangreich aber auch nicht überladen. Was wir sofort sehen: "Wreath Of Barbs"-Remixes sind wieder sehr dominant. Vielleicht sollte man dazu sagen, dass das meiste Material zum Release der zweiten CD 2014 komplett neu war. Es gibt den einen oder anderen Song, der vorher schon mal auf einem :Wumpscut:-Release zu hören war, aber das ist hier doch eher die Ausnahme, was schonmal ein Pluspunkt ist. Außerdem habe ich mir die ganze älteren Remixes nicht nochmal extra angehört und diese jetzt auch nicht mehr alle im Kopf, also kann ich die neueren nicht unmittelbar damit vergleichen. Trotzdem wäre "Wreath Of Barbs" jetzt für mich nicht unbedingt der erste Song gewesen, der ganz doll unbedingt noch mehr Remixes braucht, aber okay: jeder zweite Song auf der CD ist immerhin nicht "Wreath Of Barbs". Teilweise ist die Bezeichnung "Remix" auch etwas irreführend, da wir hier auch vollwertige Cover mit am Start haben, was für mich aber eher mal eine positive Überraschung ist.

Gehen wir das ganze mal nicht der Reihe nach, sondern Song für Song durch und fangen mit dem dicksten Brocken an, nämlich mit "Wreath Of Barbs". Zuerst hätten wir den "Instinct Primal XL Remix" und keine Angst: obwohl XL darin vorkommt, haben wir es mit keinem 15-Minuten-Monstrum zu tun, sondern mit einem Remix in halbwegs normaler Länge. Von allen Remixes dürfte das wohl der generischste sein. Alle Elemente des Originals sind klar erkennbar und wenig verändert, wurden aber so arrangiert, dass die ganze Geschichte jetzt wesentlich tanzbarer ist. Soweit ziemlich unkompliziert und nicht gerade wahnsinnig einfallsreich, aber immerhin absolut ordentlich umgesetzt, ohne dass ich wirklich was dran auszusetzen hätte.

Der "Desastroes Remix" klingt weniger desaströs als der Name vermuten lässt. Interessant ist hier die Tatsache, dass die Vocals noch stärker elektronisch verfremdet wurden und man das ganze ausgerechnet mit Pianoklängen garniert hat. Eine etwas ungewöhnliche Kombination, die in der Praxis aber tatsächlich besser klingt als in der Theorie.
Der "Violet Remix" ist ein Cover des Gothic-Projektes Violet, welches ein paar Jahre zuvor schonmal auf "DJ Dwarf Eight" und auf dem entsprechenden Album von Violet zu hören war, aber meiner Meinung nach hat es sich den Platz auf der Bonus-CD hier nochmal eindeutig verdient. Die Stimme der Sängerin klingt nicht nur wunderschön, sondern gibt dem ganzen Song zusammen mit der gänzlich anderen instrumentellen Untermalung eine völlig andere Richtung als das gewollt distanzierte Original.
Sowohl der "XSRY Remix" als auch der "A7IE Remix" können sich auch hören lassen, wobei vor allem letzterer nochmal wirklich episch klingt, mir sehr gefällt und dem Klassiker einen modernen Anstrich verleiht.

Übrig bleiben noch 4 weitere Song mit jeweils einem Remix. Der "Reiz Remix" von "Khristfuck" ist schwer zu beschreiben, kommt ziemlich minimalistisch daher, hat mich aber trotzdem vom ersten Mal Hören an sehr fasziniert - eine sehr spannende Erweiterung zum eh schon genialen Original. "Line Of Corpses" wurde von Cynical Front gecovert und man merkt, dass sich da jemand einen ziemlich Aufwand gemacht hat. Leider ist es sehr schwer an das geniale Duett zwischen Rudy und Aleta heran zu kommen, aber durch das langsamere Tempo, die Länge von fast 7 Minuten und die düstere Stimme wird hier nochmal auf ganz eigene Art eine angenehm schwere Atmosphäre geschaffen.

Der "Turmyte Remix" von "Troops Under Fire" wäre dann nochmal ein Versuch, etwas mehr aus dem lahmen Song raus zu holen, was teilweise sogar gelingt. Das Grundprinzip wurde allerdings zu wenig verändert, als dass daraus jetzt für mich eine geniale Nummer geworden wäre. Trotzdem: das ganze wurde jetzt so aufgemotzt, dass es zumindest etwas mehr Punch hat und im Vergleich zum Original eindeutig die von mir bevorzugte Version ist.

Als letztes hätten wir noch eine ":Wumpscut:-Remix" von "Eclipse", im Original von Kirilian Camera, welcher schon 2001 als Bonustrack auf der limitierten Version von "Wreath Of Barbs" zu finden war. Das Original war damals schon ein recht alter Song - soweit ich weiß aus den späten 80'ern. Alles in allem zwar grundsätzlich nicht ganz meine Musik, aber trotzdem etwas, was sich gut anhören lässt und was von Rudy auch ganz ordentlich geremixed wurde. Ich freue mich eigentlich immer, wenn so eine Remix-CD zwischendurch auch mal mit Songs anderer Künstler aufgelockert wird.

Am Ende des Tages bin ich sehr positiv von der Bonus-CD überrascht. Jeder einzelne Track ist zumindest irgendwie gut, einige sind sogar eine sehr geniale Alternative Originalsong, was meine Gesamtwertung für diese Version von "Wreath Of Barbs" nochmal etwas nach oben schraubt. Insgesamt ist es aber gar nicht mal so einfach, ein finales Urteil zu fällen.

"Wreath Of Barbs" führt den experimentellen Stil, der mit "Boeses Junges Fleisch" begonnen wurde, konsequent fort und geht nochmal etwas weiter mit insgesamt cleaneren Songs und weniger Härte. Während "Boeses Junges Fleisch" zwar als Gesamtkunstwerk eine ziemlich runde Sache war, aber doch den einen oder anderen absoluten Burner vermissen lässt, hat "Wreath Of Barbs" mehrere Klassiker zu bieten, die eigentlich jeder :Wumpscut:-Fan kennen sollte (das plus noch ein paar versteckte Perlen wie "Mankind's Disease") aber auf der anderen Seite auch mehr langweilige Momente als bisher in Rudys Karriere. Außerdem ist es etwas zugänglicher als das letzte Werk. "Boeses Junges Fleisch" hat ein paar Durchläufe gebraucht bis es gezündet hat, während mir bei "Wreath Of Barbs" sehr schnell klar war, welchen Song ich mochte und welchen nicht. Falls ihr euch für die experimentelle Phase von :Wumpscut: der späten 90'er bis mittleren 2000'er interessiert, wäre "Wreath Of Barbs" jedenfalls kein schlechter Einstieg, wobei ich dann aber tatsächlich die "13th Anniversary Edition" mit der Bonus-CD empfehlen würde.

Punkte: 8 / 10


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