:Wumpscut: Ich Will Dich (1999) - ein Review von DarkForrest

:Wumpscut:: Ich Will Dich - Cover
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6.50
∅-Bew.
Typ: Single/EP
Genre(s): Dark Wave / Gothic: EBM, Industrial


DarkForrest
19.12.2020 20:27

Dass Rudy Ratzinger bei einem :Wumpscut:-Album einen bestimmten Song als Single auskoppelt kommt extrem selten vor, bei "Boeses Junges Fleisch" hat er es aber gleich zweimal getan. Während "Totmacher" ein ziemlich ausuferndes Spektakel war, was sich über zwei CDs erstreckt hat und am Ende zu einer ziemlichen Eskalation an Remixes wurde, gibt sich "Ich Will Dich" erstaunlich konventionell. Ein Intro, drei Remixes von "Ich Will Dich", ein Remix von "Flucht" - Feierabend.

Interessant ist auch der ausgewählte Song. Wenn man musikalisch schockieren und provozieren will, dann kann man mit zwei Themen eigentlich immer ziemlich gut punkten: Sex und Gewalt. Und da wir wissen, dass Rudy es liebt zu provozieren, sind beides großzügig verwendete Zutaten auf "Boeses Junges Fleisch" und bilden die Grundpfeiler der beiden Singles. Während "Totmacher" das Thema Gewalt sehr umfassend behandelt hat, wird es mit "Ich Will Dich" jetzt schmuddelig.

Ich fand allerdings den Ansatz von "Ich Will Dich" immer etwas speziell. Dass ein :Wumpscut:-Song sich um Sex dreht ist erstmal nichts besonderes. Auch wenn ich mir die aktuellsten Alben anschaue, dann wird damit in Songs wie "Russenvieh" oder "Flesh Trench" sehr schonungslos umgegangen. "Ich Will Dich" bringt aber noch einen extraderben Touch mit und klingt auch gerne mal etwas plump. Neben einigen Kraftausdrücken bei den Lyrics wird ziemlich stark auf die Pornosamples im Hintergrund gesetzt. Das klingt zwar ordentlich vulgär, ist aber eher auf eine recht oberfläche Art heftig. Rein musikalisch ist die Nummer für mich okay, aber auch nicht mehr. Aber vielleicht hat der eine oder andere Remix ja ein kleines Meisterwerk draus gemacht.

Lustigerweise ist das Original gar nicht auf dieser Single vertreten. Natürlich habe ich jetzt per se kein Problem damit, wenn auf einer Single der Song in der ursprünglichen Version nicht enthalten ist (dafür gibt es ja das Album) aber ein wenig muss ich schon darüber schmunzeln, dass der Originaltrack auf "Totmacher" gleich zweimal drauf war und hier eben gar nicht. Na gut: das Intro ist im Prinzip einfach nur ein Ausschnitt aus dem Pornosample, welches auch im Song verwendet wurde. Zumindest kann ich mir gut vorstellen, dass es aus einem Porno stammt. Musikalisch hat es zwar gar keinen Mehrwert, aber es stimmt ganz gut auf die Richtung ein, in welche "Ich Will Dich" im Groben gehen wird: eine Dame, die mit lasziver Stimme sagt, wie sie von zwei Männern gleichzeitig ***** wird, während sie einem den ******* ***** und der andere sie ******. Und es wird von da an definitiv nicht besser.

Die ersten beiden Remixes stammen vom Meister höchst persönlich. Los geht es mit dem "Slut Mix" (höhö), welcher dem Original am stärksten ähneln dürfte und es aus meiner Sicht in Sachen Qualität sogar ein wenig übertrifft. Im Gegensatz zum sehr langen und ausufernden Original ist dieser Remix "nur" 5.44 Minuten lang und bringt "Ich Will Dich" etwas knackiger auf den Punkt. Insgesamt steckt da im ganzen musikalischen Arrangement mehr Dynamik drin und es geht einfach mehr ab, was dem Song doch ganz gut steht. Für die ersten ⅔ funktioniert das auch ziemlich gut. Danach sabotiert sich der Remix dann ein wenig selbst, da das letzte Drittel sich extrem in die Länge zieht, ohne dass etwas nennenswertes passiert. Mich langweilt das Ende deshalb schon ein bisschen.

Danach hätten wir den "Harsh Mix". Oh, euch waren die Lyrics voller Obszönitäten und sexueller Aggression und das Gestöhne im Hintergrund noch nicht hart genug? Na da geht doch noch was! Der "Harsh Mix" erweitert die ganze Nummer nochmal um ein paar englische Vocals, denn nichts transportiert die dezente Message von "Ich Will Dich" besser als Lyrics wie "Die fucking Bitch!" oder "Oh god, come in my Mouth!". Die Umsetzung ist so eine Sache: am Anfang gibt es ein paar extrem coole Vocals, die Rudy in der Form soweit ich mich erinnere kaum bis gar nicht verwendet: eine Art Mischung aus einem Flüstern und seinen üblichen verzerrten Vocals - ziemlich nice und etwas, was ich öfter mal anhören könnte. Die Mitte bildet eine sehr basale und trocken präsentierte Version des eigentlichen Songs und gegen Ende nochmal ein paar enorm aggressiv abgelieferte englische Lines. Und aus irgendeinem Grund hat man sich entschieden, die Pornosamples nochmal zusetzlich zu verzerren, was in meinen Ohren ganz schön scheiße klingt.

Den dritten Remix stellen Forma Tadre zur Verfügung. Das ist die gleiche Truppe, die auf "Totmacher" einen ganz soliden, aber am Ende auch einen der langweiligsten Remixes auf die Beine gestellt haben. Der "Ich Will Dich"-Remix gefällt mir da schon etwas besser, auch weil er sehr eigenständig geworden ist und sich kaum an der Struktur des Originals orientiert. Alles in allem haben wir hier eine sehr ruhige und instrumentale Nummer, die sich über knapp 8 Minuten erstreckt und die CD damit nach so viel Action und Spannung davor ordentlich entschleunigt. Für mich ist das auf dieser Single definitiv 'ne willkommene Abwechslung. Zwar keine absolute Offenbarung, aber wenn mir mal danach ist, ruhige und instrumentale Elektromusik zu hören, dann macht sie dieser ganz atmosphärische Remix doch ganz gut.

Zum Abschluss hätten wir noch "Flucht" im Remix von Das Ich. Bruno Kramm und Stefan Ackermann haben hier eine ziemlich erstaunliche Leistung hingelegt, indem sie quasi das Genre des Songs gewechselt haben. In dieser Form klingt "Flucht" fast schon nach einer Mischung aus neuer deutscher Todeskunst und EBM/Industrial bzw. wie ein klassischer Song von Das Ich mit Rudy Ratzinger anstelle von Stefan Ackermann an den Vocals - also für mich persönlich ein ziemlicher Traum. Das ganze funktioniert am Ende sogar so gut, dass diese Version fast schon wie das Original wirkt und die Version auf "Boeses Junges Fleisch" wie der Remix, der das ganze tanzbarer und technolastiger machen sollte - aber das Gegenteil ist der Fall.

Damit endet "Ich Will Dich" auf hohem Niveau, hinterlässt insgesamt aber einen etwas gemischten Eindruck. Ich bin der letzte, der was gegen klassische Singles hat und ich störe mich auch nicht daran, dass wir hier mehr oder weniger nur 4 Remixes haben. Allerdings sollten diese dann natürlich möglichst alle on point sein, denn bei 4 Stück fällt jeder komische oder langweilige Remix natürlich viel mehr in's Gewicht als bei einer Remixorgie wie "Totmacher" oder ein modernes "DJ Dwarf". Zum Glück wird auch hier eine gewisse Grundqualität aufrecht gehalten und keiner der Songs ist kompletter Schrott. Aber lustigerweise hauen mich gerade die Remixes von :Wumpscut: selbst jetzt auch nicht unbedingt um. Beide haben recht eindeutige Schwächen. Dazu kommt, dass der Song "Ich Will Dich" mich von vorne herein eher so semi anspricht. Immerhin sammeln die letzten beiden Remixes, die den ganzen Stil von "Boeses Junges Fleisch" ordentlich auf den Kopf stellen, ein paar Pluspunkte.

Am Ende ist "Ich Will Dich" dann wohl ein ziemliches Liebhaberstück. Während "Totmacher" alleine schon durch die enorme Anzahl an Songs und die stilistische Abwechslung Spiel, Spaß und Spannung für die ganze Familie geboten hat, finde ich "Ich Will Dich" schon deutlich entbehrlicher. Klar: wer den Song mag, wird die Single mögen. Und wenn ihr unschlüssig seid, ob euch der etwas eigenwillige Stil von :Wumpscut: zwischen den späten 90'ern und mittleren 2000'ern gefällt, dann bekommt ihr hier recht effizient für wenig Zeit und Geld einen kleinen Einblick. In der sehr umfangreichen Diskographie von :Wumpscut: geht mir "Ich Will Dich" neben unzähligen wunderschönen Releases aber ein bisschen unter.

Punkte: 6.5 / 10


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