:Wumpscut: Bone Peeler (2004) - ein Review von DarkForrest

:Wumpscut:: Bone Peeler - Cover
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1 Review
2
2 Ratings
9.00
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Dark Wave / Gothic: EBM, Industrial


DarkForrest
20.09.2022 16:23

Drei Jahre mussten :Wumpscut:-Fans auf ein neues Album warten, bis 2004 endlich Nachschub geliefert wurde. Und auch wenn das nicht lange klingt, sind drei Jahre für :Wumpscut:-Verhältnisse relativ lang - vor allem wenn man bedenkt, dass ab diesem Zeitpunkt für die nächsten 12 Jahre jährlich mindestens ein Album plus eine DJ-Dwarf-Single erschienen ist. Aber schließlich war es dann soweit: "DJ Dwarf Four" gab schon erstaunlich viele Einblicke in das angekündigte Album und wenig später war es dann da: "Bone Peeler" - das neue vollwertige :Wumpscut:-Album.

Auf jeden Fall merkt man direkt, dass sich einiges an Material angesammelt hat. Das Album an sich ist mit seinen 12 Songs bereits über eine Stunde lang. Wie üblich konnte man neben der normalen Version auch wieder eine umfangreiche Fanbox mit allerlei Merch bestellen und auf Wunsch gab es diesmal sogar eine Remix-CD, was zumindest damals ein kleines Novum war. Während die Remix-CD mittlerweile auf Wunsch immer direkt mit dabei ist und auch die früheren Alben einige Jahre später im Nachhinein noch eine Bonus-CD spendiert bekommen haben, war "Bone Peeler" quasi das erste Album, welches von Anfang an mit einer ganz normalen Remix-CD im Hintergrund konzipiert wurde. ("Preferential Legacy" und "Music For A German Tribe", die sich nicht auf das jeweilige Album beziehen, zähle ich hier mal nicht mit.)

Mit der Remix-CD kommt man dann zusammen sogar auf eine beeindruckende Spielzeit von gut 136 Minuten - "Bone Peeler" ist also ein ziemlicher Brocken. Noch spannender als die Länge ist hier natürlich die Frage danach, wie das alles klingt - vor allem wenn man bedenkt, dass Ratzinger sich damals noch in seiner experimentellsten Zeit befunden hat. "Boeses Junges Fleisch" liebäugelte damals mit deutschen Texten und Techno und "Wreath Of Barbs" hatte einen kalten, recht sterilen Sound und viel weibliche Unterstützung bei den Vocals. "Bone Peeler" klingt dagegen fast schon wieder traditionell, wobei ich noch nicht sagen würde, dass man hier zurück zu den Wurzeln geht. Alles in allem fällt das Album wieder etwas weniger experimentell aus, vieles klingt nach typischen :Wumpscut: der mittleren bis späten 90'er, aber gleichzeitig wirkt der Sound cleaner, die Songs melodischer und die Präsentation bombastischer als damals.

Am ehesten lässt sich das Ganze wohl noch mit "Embryodead" vergleichen - beide Alben sind gut für Einsteiger geeignet und haben eine intensivere erste Hälfte und werden gegen Ende ruhiger und atmosphärischer, wobei auf "Bone Peeler" beides weniger stark ausgeprägt ist. Wirklich schnelle oder laute Songs sucht ihr hier genauso vergebens wie reine Dark-Ambient-Songs. Deshalb überrascht es auch nicht, dass das Meiste auf "Bone Peeler" im mittleren Tempo abläuft. Kleinere Samples aus Filmen und anderen Medien werden ja bei :Wumpscut: oder generell in dem Genre immer mal wieder eingesetzt, um die Songs zu garnieren. Hier ist das aber schon sehr stark ausgeprägt. Derartige Samples kommen auf diesem Album nicht nur oft vor, sondern wurden auch erstaunlich gut in die Musik integriert.

Das hören wir schon direkt beim ersten Track "Crown Of Thorns", welches aber gleichzeitig auch einen etwas unspektakulären Opener darstellt. Selten fing ein :Wumpscut:-Album derart sanft an, was nicht unbedingt schlecht sein muss. Allerdings reißt mich das ganze noch nicht so richtig mit. Lediglich der super melodische Refrain mit verzerrten Vocals hat mich ziemlich beeindruckt und bleibt gut im Gedächtnis hängen. Da wäre also noch ein wenig Verbesserungspotential für Remixes und davon haben wir gleich zwei. Zum einen hätten wir den Ansatz von Suicide Commando, der es auch bereits auf "DJ Dwarf Four" geschafft hat - kein Wunder, da dieser versucht, möglichst tanzbar zu sein. Das ist er auch bis zu einem gewissen Grad, allerdings erst ab der zweiten Hälfte, davor zieht er sich ein wenig. Ich mag ihn trotzdem mehr als das Original, da er von Anfang an etwas einzigartiger klingt, allerdings finde ich es schade, dass er so lange braucht, um wirklich in Gang zu kommen. Schließlich hätten wir dann noch den Remix Naked Beat und der Name ist hier echt Programm. Dieser Remix ist sehr minimalistisch: Auf Vocals wurde bis auf den Refrain verzichtet und wir haben hier neben dem nackten Beat nur die basalsten Elemente, die teilweise komplett neu arrangiert wurden. Trotzdem lässt sich das Original noch ganz gut erkennen. Nach 1-2 Anläufen, die ich gebraucht habe mich daran zu gewöhnen, ist das für mich die bevorzugte Version von "Crown Of Thorns", welches eh nicht dafür gemacht war, Wände einzureißen, aber in dieser Version einen sehr entspannten und eigenständigen Sound hat.

Mit "Just A Tenderness" zeigt "Bone Peeler" dann eben im zweiten Anlauf, dass es doch ordentlich Durchschlagskraft besitzen kann. Der Song ist angenehm düster und dreckig - auch ohne Tempo oder Härte eines "Bunkertor 7" oder "Music For A Slaughtering Tribe". Stattdessen bleibt es irgendwo sehr melodisch, was durch die extrem hypnotischen Synthlines besonders deutlich betont wird. Obwohl das Original schon großartig ist, haben sich hier gleich drei Projekte drauf gestürzt, um einen Remix daraus zu machen. Zuerst hätten wir da Nersoton - ein etwas minimalistischerer Ansatz, wenn auch nicht ganz so sehr wie bei Naked Beat. Beim ersten Mal hören konnte ich damit sehr wenig anfangen, da ich unbewusst immer wieder auf Momente aus dem Original gewartet habe, die am Ende dann nicht kamen. Nach ein paar Anläufen sind mir nach und nach aber ein paar eigenständige Merkmale aufgefallen, die für sich eine ganz nette Atmosphäre schaffen. So hätten wir zum Beispiel einen Beat, der sich wie ein Herzschlag durch den ganzen Remix zieht oder Marschgeräusche, welche dem ganzen einen eigenartigen Rhythmus und auch dem Remix eine ganz andere Ausrichtung als das Original geben.

Als nächstes wäre F/A/V dran und bei diesem Projekt erwarte ich nichts geringeres als etwas sehr verwirrendes - und ich wurde nicht enttäuscht! Alles klingt hier merkwürdig verzerrt. Die Vocals, die Synthlines und alles andere, was das Original ausgemacht hat, sind hier noch da, passen aber nicht mehr richtig zusammen. Irgendwas haut hier einfach überhaupt nicht mehr hin - als hätte man den Song lange genug angekokelt, bis er etwas angeschmolzen ist. Dazu dann noch ein paar scheinbar überhaupt nicht passende Samples und irgendwo in der Distanz ein paar Streichinstrumente. Und trotzdem: am Ende des Tages klingt es genau so wie es klingen soll und fügt sich zu einem wunderbaren Gesamtwerk, das wahrscheinlich nicht jedermanns Sache ist.
Der Remix von Plastic Noise Experience ist da schon wieder deutlich entspannter. Falls ihr eine möglichst tanzbare Version von "Just A Tenderness" mit Betonung auf treibende Beats haben wollt, bekommt ihr die hier - auch noch handwerklich sehr gut zusammengebastelt von jemandem, der sein Handwerk sehr gut versteht.

"March Of The Dead" kommt dann schon wieder etwas bodenständiger daher: sehr direkt, hart und mitunter vielleicht etwas stumpf, aber durchaus effektiv. Hier wird ohne Kompromisse nach vorne marschiert und auch wenn der Song etwas Variation vermissen lässt, haut er gut genug rein, um einem ganz gut die Zeit zu vertreiben. Vielleicht nicht die beste Vorlage für einen Remix, aber F/A/V haben es trotzdem versucht, aber leider nicht so erfolgreich wie bei "Just A Tenderness". Der Remix klingt nicht komplett verkehrt, ist mir persönlich aber nicht abgefuckt genug (ja, ich habe merkwürdige Standards). So wie er jetzt geworden ist, ist er mir aber etwas zu nah am Original - lediglich etwas schneller und mit allerlei Samples, Effekten und anderen Krempel überfrachtet.

"Fear In Your Eyes" ist der erste Song, der es nicht im Vorfeld auf "DJ Dwarf Four" geschafft hat und ich kann ein wenig verstehen, warum. Auch wenn er eine sehr nette Synth-Hook hat und schon ganz gut im Gedächtnis bleibt, ist er für mich eher Hintergrundbeschallung. Er geht musikalisch in eine ähnliche Richtung wie "Crown Of Thorns", bleibt dabei aber noch etwas flacher. Insgesamt sicherlich ganz nett, aber kein Highlight.

"Rise Again" ist da schon wieder eine ganz andere Nummer: ein wunderbar düsterer, atmosphärischer EBM-/Goth-Song, der echt süchtig macht und den ich mir immer wieder anhören könnte. Auf der "DJ Dwarf" gab es ihn lediglich im Datom-Remix, der die ganze Nummer ein wenig tanzbarer und leichter verdaulich macht und das auch verdammt gut. Auch wenn ich das Original bevorzuge, habe ich gegen diesen Remix überhaupt nichts einzuwenden. Komplett umgehauen hat mich aber der Remix von Haus Arafna, der ganz sicher nicht jeden Geschmack treffen dürfte. Der Song wurde hier sehr stark modifiziert und ist jetzt eine recht minimalistische Dark Ambient Nummer mit gesprochenen Lyrics und bei allem Minimalismus klingt das Ergebnis doch erstaunlich aufwendig und hochwertig. Gerade auf "Bone Peeler", welches eher gefällige Songs hat, ist so ein Remix natürlich wirklich Gold wert.

"Final Warning" teilt ein ähnliches Schicksal wie "Fear In Your Eyes": überhaupt nicht auf "DJ Dwarf Four" vertreten, es muss ohne Remixes auskommen, klingt eher flach und ähnelt zu stark einem anderen Song - in diesem Fall "Fallen Angel", da Rudy hier ebenfalls auf starke Vocal-Präsenz setzt, wobei hier die Musik für mich leider zu sehr in den Hintergrund tritt und der Song einige Längen hat.

Wie es besser geht, zeigt dann im Anschluss direkt das gerade erwähnte "Fallen Angel" - sehr starke Vocals von Rudy an der Stelle, ohne dass der Rest zu sehr vernachlässigt wird. Wir haben hier ein paar echt krasse Hooks und einen Song, der ebenso aggressiv wie mitsingbar ist. Wirklich eine kleine Perle, die im Laufe der Zeit ein wenig in Vergessenheit geraten ist. Schade, dass es hier keinen Remix gibt.

So langsam neigt sich "Bone Peeler" dem Ende zu und wird etwas ruhiger. "And Life Goes On" drosselt schon einmal ordentlich das Tempo und stampft etwas langsamer voran. Trotzdem bleibt es dabei ziemlich wuchtig und sehr elektro-lastig mit ein paar saftigen Beats im Gepäck.

Auch "Our Fatal Longing" kombiniert ein eher langsames Tempo mit immer noch gut vorhandener Power. Als netten Twist wird der Song durch eine Art Orgel (?) begleitet und hat mal wieder eine ziemlich einprägsame Melodie. Etwas inflationär wird hier im Hintergrund das von einer Kinderstimme gesungene Fritz Haarmann Lied verwendet. Ich bin immer kein riesen Fan von pseudogruseligen Kinderstimmen und hier beißt es sich sogar ein wenig mit dem Rest vom Song, aber davon mal abgesehen finde ich "Our Fatal Longing" sehr gelungen.

Zum Abschluss hin werden die letzten drei Songs zum Glück nochmal ein gutes Stück experimenteller. "Scavanger" versucht es mit den leisen Tönen und lässt sich ganz gut mit Songs wie "Stillbirth" am Ende von "Embryodead" vergleichen und hätte stilistisch vielleicht auch auf "Wreath Of Barbs" gepasst. Sowas braucht bei mir grundsätzlich immer ein bisschen was und am Anfang konnte ich mit "Scavanger" wirklich eher wenig anfangen, aber mittlerweile mag ich die etwas melancholische und trostlose Stimmung, die es verbreitet.

Noch besser wird es für mich aber mit "In The Peace Of The Night" - dem einzigen Song, den ich wirklich sehr auf "DJ Dwarf Four" vermisst habe und ebenfalls eine versteckte Perle in der wahnsinnig umfangreichen :Wumpscut:-Diskografie. Mit seinen über 8 Minuten hat das Teil nicht nur eine epische Länge, sondern auch inhaltlich einiges zu bieten. Stilistisch ist das ganze schwer greifbar und gar nicht mal so einfach zu beschreiben, außer vielleicht, dass hier alles an düsterer Atmosphäre, trauriger Stimmung aber doch auch ganz gut einprägsamen Parts aufgefahren wird, wovon "Bone Peeler" schon die ganze Zeit davor profitiert hat. Der etwas unkonventionelle Aufbau des Songs sorgt vielleicht dafür, dass man sich erstmal reinfinden muss, fesselt danach aber umso mehr. Witzigerweise findet sich hier sogar auf CD 2 ein Club Cut, der ähnlich dem Club Cut von "Crown Of Thorns" auf "DJ Dwarf Four" eher mal eine gekürzte Version des Songs ist. Da hier auf knapp 5 Minuten gekürzt wurde und das Ganze auch in dieser Version immer noch ganz gut anhörbar ist, ist das eine einigermaßen beeindruckende Leistung. Warum finde ich das trotzdem witzig? Erstmal: wer braucht sowas? Unter den Songs von "Bone Peeler", die ich nie im Club spielen würde, wäre "In The Peace Of The Night" locker unter den Top 3. Und wenn wir schon sowas haben: warum dann nicht auf der "DJ Dwarf"? Wenn sich ein Song dafür angeboten hätte (exklusiv) darauf veröffentlicht zu werden, dann doch wohl dieser Cut.

Aber wir sind noch nicht am Ende, sondern haben sogar noch einiges vor uns. Der Song, auf den sich die meisten Künstler zum remixen gestürzt haben, ist "Your Last Salute" - mit dem Ergebnis von stolzen 5 Remixes und fast jede Version davon geht so um die 5-6 Minuten, sodass fast eine halbe Stunde nur durch diesen Song ausgefüllt wird. Also auf in den "Your Last Salute"-Overkill! Erstmal zum Song an sich: das Konzept ist sehr interessant, wenn auch nicht komplett neu: eine Frauenstimme spricht die Lyrics auf etwas monotone Art und Weise ein. Diesmal ist es allerdings nicht Aleta Welling, sondern eine Dame, die hier einfach nur als Clara S. aufgelistet wird. Als netter kleiner Twist ist der ganze Text jedoch auf Katalanisch, was sich erstaunlich gut anhört. Der Rest ist eine ganz abwechslungsreiche Mischung aus eher melancholischen Violinen und den üblichen Industrial-Arrangements, die man aus den langsameren Songs von :Wumpscut: schon kennt. Auch wenn hier gar nicht so viel neu erfunden wird, wird es in "Your Last Salute" doch irgendwie sehr schön aus ganz unterschiedlichen Elementen zusammengesetzt und verleiht dem Album einen gelungenen Abschluss.

Bleiben noch die Remixes. Der Airforge Remix und der Datom Remix haben nicht nur ungefähr die gleiche Länge und klingen recht ähnlich, sondern haben auch in etwa die gleiche Wirkung: sie lockern das Original auf und machen es tanzbarer - der Datom Remix vielleicht noch etwas mehr als der Airforge Remix, weshalb dieser wohl auch auf der "DJ Dwarf" zu finden war. Naked Beat haben sich auch daran ausgetobt und ähnlich wie bei "Crown Of Thorns" den Fokus wieder etwas stärker auf Rhythmus und Beats gelegt, hier aber etwas mehr vom ursprünglichen Song beibehalten - insgesamt der längste und wahrscheinlich auch komplexeste Remix. Schließlich hätten wir noch Laittog mit einem ebenfalls sehr entspannten Remix, wobei ich allerdings zugeben muss, dass in der Fülle irgendwann alles anfängt für mich recht ähnlich zu klingen und "Your Last Salute" in all seinen Versionen zu einer einheitlichen Masse wird. Nur die Jungs von Das Ich lassen mich hier nochmal aufhören, da ihr Remix nicht nur kurz und knackig ist, sondern dem Song doch nochmal ein neues Soundgewand gibt - guter Job.

Ob es jetzt wirklich 5 Remixes von diesem einen Song gebraucht hätte, weiß ich nicht - zumal ich "Your Last Salute" gar nicht mal so geeignet dafür finde. Dem Original gibt es eigentlich wenig hinzuzufügen, während andere Songs wie "Our Fatal Longing" oder "Fallen Angel" wohl ganz spannend in einer anderen Version zu hören gewesen wären. Klar kann man Rudy das jetzt nicht unbedingt übel nehmen - ich weiß ja nicht, wie da üblicherweise das Prozedere ist und ich denke nicht, dass er alleine darüber bestimmt, welcher Künstler sich jetzt welchen Remix vornimmt, aber insgesamt 6 mal "Your Last Salute" ist schon ziemlich brutal und macht das Hörerlebnis ziemlich sperrig, falls ihr mal vorhabt, die Remix-CD am Stück zu hören.

Mein Fazit für "Bone Peeler" fällt aber trotzdem sehr positiv aus. Ich war immer wieder etwas überrascht, dass es bei vielen Fans gar nicht mal so gut angekommen ist. Ja: die Aggressivität aus alten Tagen kehrt hier nicht komplett zurück und wenn man sehr kritisch ist, dann könnte man Rudy hier unterstellen, dass er es mit "Bone Peeler" quasi allen Leuten recht machen wollte, aber für mich ist das Ergebnis eine verdammt runde Sache und ich finde man merkt, dass er sich damals etwas mehr Zeit gelassen hat, bevor er "Bone Peeler" rausgehauen hat.

Insgesamt finde ich das Album sehr stabil in seiner Qualität. Vielleicht gibt es hier nicht ganz so heftige musikalische Experimente, für :Wumpscut:-Verhältnisse eher weniger schockierende Songs, kaum absolut abartig gute Highlights, die mich lange zum Nachdenken gebracht haben und manche Songs klingen sogar zu ähnlich. Gleichzeitig fällt die Qualität hier auch kaum unter ein gewisses Niveau. Während meistens mal ein langweiliger oder komplett bekloppter Song auf dem typischen :Wumpscut:-Output vertreten ist, kann ich hier überhaupt nicht sagen, dass mir ein Song gar nicht gefallen hat. Selbst bei den Remixes haben wir hier eine stabile Qualität und das will schon was heißen.

Damit ist "Bone Peeler" für :Wumpscut:-Fans und -Interessierte eher mal leichte Kost und kein Album, dass man erst dreimal gehört haben muss, bis es *klick*macht, was ich aber vollkommen in Ordnung finde. Auch der Umfang ist beeindruckend. Ich würde sogar so weit gehen, dass ich sagen würde, dass es "Bone Peeler" besser getan hätte, sich von ein paar Songs und Remixes zu trennen, um eine etwas knackigere Erfahrung daraus zu machen, bin aber alles in allem mehr als zufrieden.

Nachtrag zu Bone Peeler Resilience:

“Bone Peeler” war eines der ersten :Wumpscut:-Alben, die ich mir zugelegt habe und dementsprechend begleitet es mich schon viele, viele Jahre, in denen ich immer mal wieder reingehört habe. Vor ziemlich genau zwei Jahren habe ich mich dann nochmals etwas intensiver damit beschäftigt, indem ich eine Review zum Album, der Remix-CD, der zugehörigen DJ Dwarf und sogar diesem komischen Bonus-Vinyl geschrieben habe, um festzustellen, dass das Album verdammt gut gealtert ist. Aber wie es scheint, bin ich immer noch nicht fertig mit “Bone Peeler”, denn Rudy Ratzinger hat dieses Jahr zum 20. Jubiläum des Albums, nochmal eine neue “Bone Peeler” CD nachgereicht. Das ist jetzt nicht direkt ungewöhnlich, da er auch älteren Alben immer wieder seine Aufmerksamkeit schenkt und zu scheinbar random Songs von vor was weiß ich wie vielen Jahren noch irgendwelche Remixes raushaut, aber heutzutage tut er das doch meistens nur digital. Und in einem Jahr, in dem erstmalig die aktuelle DJ Dwarf nicht mehr in physischer Form veröffentlicht wurde, wirkt es fast schon ungewöhnlich, dass es hierfür eine eigene CD gab.

“Bone Peeler Resilience” nennt sich der Spaß und ist am ehesten eine Remix-CD, wobei sie sich schon deutlich von der Bonus-CD unterscheidet, die damals beim Album mit dabei war. Wie der Name schon andeutet, stammt jeder einzelne Remix von Advent Resilience, was ich schon mal ganz positiv finde, da die beiden schon oft bewiesen haben, dass sie Ahnung vom Remixen haben (laut eigener Aussage im Booklet haben sie im Laufe der Jahre schon über 150 Remixes zu :Wumpscut:-Songs erschaffen) und ein paar ihrer Werke zu meinen absoluten Favoriten unter den :Wumpscut:-Remixes zählen. Am spannendsten dürfte aber sein, dass die eigentliche Playlist des Albums dabei erhalten bleibt - das heißt, dass jeder Song genau einen Remix erhalten hat und auch die Reihenfolge der Songs unverändert bleibt. Am ehesten dürfte das mit der Remix-CD zu “Bunkertor 7” vergleichbar sein. Das klingt natürlich wahnsinnig spannend, da auf diese Art der eine oder andere Song zum ersten Mal einen Remix spendiert bekommt und auf “Bone Peeler” gab es sowohl Exemplare, bei denen ich überhaupt nicht verstehen konnte, warum nicht, als auch solche, bei denen ich mir einen Remix ziemlich schwierig vorstelle. In beiden Fällen macht das natürlich neugierig, was Advent Resilience draus gemacht haben.

Eine Frage, die sich mir am Anfang auch direkt gestellt hat war, ob es sowas wie ein festes Konzept oder zumindest eine Art roten Faden hinter den neuen Tracks gibt, die allesamt mit dem Zusatz “Mos Teutonicus” betitelt wurden, um sie wahrscheinlich besser von den bisherigen Remixes unterscheiden zu können. Die kurze Antwort wäre: eher mal ja. Alles in allem kommen die Tracks deutlich minimalistischer daher und wurden in ihrer Struktur stark vereinfacht. Vocals fehlen teilweise ganz und wurden sonst meist deutlich reduziert. Getragen werden die Tracks hier oft von den Sprachsamples, die auf “Bone Peeler” damals schon reichlich vorhanden waren und jetzt noch mehr im Vordergrund stehen und ein paar markanten Takten der jeweiligen Melodie des Songs. Bis auf ein paar Ausnahmen, in denen die Remixes ganz klassisch etwas tanzbarer werden, wird hier aber vor allem auf Atmosphäre gesetzt. Oft sind die Songs jetzt deutlich ruhiger und langsamer als vorher.

Der Anfang ist dabei allerdings leider etwas ungünstig, da man mit “Crown Of Thorns” anfangen muss und das wäre für mich gleich mal an sich ein eher ungünstiger Song zum Remixen. Das Original ist ein sehr passender Einstieg in das Album - relativ sanft und im Midtempo, durchaus etwas komplexer, dabei aber sehr harmonisch und melodisch. Kein Song, der für mich auf “Bone Peeler” durch etwas besonderes hervorstach, aber super war, um einen guten Überblick auf das meiste zu geben, was uns auf dem Album erwartet. Die neue Version vereinfacht das Ganze stark, ohne etwas Besonderes hinzuzufügen. Handwerklich ist das zwar alles gut gemacht, aber inhaltlich doch sehr repetetiv und schon nach kurzer Zeit etwas langweilig und mit 4 ½ Minuten für das, was geboten wird, etwas zu lang.

Ganz anders sieht es da schon bei “Just A Tenderness” aus. Das Original ist zurecht einer der bekanntesten Songs von “Bone Peeler” und hat sehr viele Remixes spendiert bekommen, die alle irgendwie nicht so richtig an das Original heranreichen. Um hier auf konventionelle Art einen guten Remix zu zaubern, müsste dieser schon derart gut umgesetzt sein, dass er das Original und die ganzen anderen Remixes übertrifft. Advent Resilience wählen hier zum Glück nicht den konventionellen Weg, sondern schaffen mit der “Mos Teutonicus”-Version fast schon einen Dark Ambient Track, der lange Zeit nur aus ganz minimalistischen Sounds und Sprachsamples besteht, bis nachher hier und da ein paar Takte und Vocals des Originals angedeutet werden. Das ist nicht nur ziemlich kreativ, sondern funktioniert für mich als Kenner des Originals auch super. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass Leute, die das Original entweder gar nicht kennen oder nur ein paar Mal gehört haben und hier auf eine coole Version davon hoffen, mit diesem Remix eher wenig anfangen können. Das kommt für mich auf “Bone Peeler Resilience” tatsächlich öfter vor: nämlich, dass die neuen Versionen für mich gerade deshalb gut funktionieren, weil ich die alten Versionen in und auswendig kenne und ich trotzdem direkt einen guten Bezug zum jeweiligen Song habe, auch wenn dieser teilweise nur angedeutet wird.

Ähnlich ist es auch bei “March Of The Dead”, welches im Original vor allem durch die Vocals sehr hart und dynamisch rüber kam und hier komplett instrumental ist. Diesmal müssen Samples und Marschiergeräusche reichen und durch die von Advent Resilience geschaffene Soundkulisse ist aus dem sehr kraftvollen Song fast schon ein beklemmender Track geworden, mit dem man auch ganz gut den Teaser von einem Horrorfilm untermalen könnte. Auch hier finde ich es wieder sehr gelungen, wie der Song in der neuen Version nochmal in eine ganz andere Richtung geht.

“Fear In Your Eyes” war auf “Bone Peeler” für mich immer einer von 2 Songs, die zwar nicht direkt schlecht waren, ohne die das Album aber auch prima ausgekommen wäre. Hier haben wir jetzt den ersten Remix dazu und er erscheint mir vergleichsweise unkreativ, aber trotzdem gut umgesetzt - eines der wenigen Beispiele von Remixes auf “Bone Peeler Resilience”, die den Song wirklich einfach nur etwas tanzbarer machen. Aber hey: der Song ist jetzt etwas schneller, hat einen fetten Beat und macht damit irgendwie mehr Spaß, als das etwas langweilige Original. Das Upgrade wurde also erfolgreich durchgeführt.

Bei “Rise Again” ist es fast schon das Gegenteil: ich fand das Original sehr cool und der minimalistisch-langsame Remix passt zwar super zum Gesamtkonzept von “Bone Peeler Resilience”, während der Song an sich nicht wirklich von dieser Transformation profitiert. Hier würde ich eindeutig das Original bevorzugen, muss aber sagen, dass der Remix trotzdem sehr stimmig ist, wenn man “Bone Peeler Resilience” am Stück hört.

Mit “Final Warning” haben wir gleich den zweiten unspektakulären “Bone Peeler”-Song, der vorher ebenfalls noch keinen Remix gesehen hat. Die “Mos Teutonicus”-Version ist ganz schön langatmig. Alleine das Intro dauert schon 1 ½ Minuten. Auch wirkt alles etwas minimalistischer und passt damit zur Stimmung der CD, allerdings ist mir das hier wirklich etwas zu langweilig. Das Original hatte zumindest noch ein bisschen Power, die mir hier doch etwas fehlt.

Worauf ich mich sehr gefreut habe: endlich ein Remix von “Fallen Angel", das mir im Original sehr gefallen hat. Und zum Glück mag ich den Remix auch. Für “Bone Peeler Resilience”-Verhältnisse ist das Tempo recht hoch, aber trotzdem fällt er im Gegensatz zu etwa dem Remix von “Fear In Your Eyes” nicht zu sehr aus dem Rahmen, da hier mal wieder alles sehr auf die Basics runtergebrochen wurde - so gibt es mal wieder keine Vocals, die Samples spielen eine tragende Rolle und auch wenn der Rhythmus sehr treibend ist, bleibt doch auch eine seltsame und fremdartige Stimmung bestehen. Finde ich sehr gelungen.

Bei “And Life Goes On” mit seinen fetten Beats im Original, hätte man eigentlich ziemlich viele Möglichkeiten für eher klassische Remixes, aber natürlich entscheiden sich Advent Resilience hier klar dagegen. Der Remix fängt sehr dezent und fast schon geheimnisvoll an, während er nach der Hälfte der Laufzeit dann nochmal ganz überraschend an Intensität zulegt. Beide Teile sind gut umgesetzt und greifen gut ineinander über, aber für meinen Geschmack hätte man auch ohne weiteres beim ruhigen ersten Teil bleiben können.

Aber das macht nichts, denn “Our Fatal Longing” schafft hier Abhilfe. Eigentlich dachte ich, dass ich nach dem XXL-Remix auf dem Vinyl zu “Bone Peeler” so ziemlich alles gehört habe, was der Song zu bieten hat, aber Advent Resilience haben es diesmal geschafft, eine komplett ruhige, fast schon verträumte Komponente aus dem Song herauszukitzeln und Piano-Passagen einzubauen, die nicht nerven. Selbst die Kinderstimme, welche das Fritz Haarmann Lied singt, konnte man hier einbauen, ohne dass sie das Gesamtwerk stört. Im Original und den anderen Remixes ist sie sehr präsent und im Vordergrund, während sie hier leise und mit einem leichten Hall daherkommt, als wäre sie weit entfernt. Sehr gelungen, wie man es geschafft hat, “Our Fatal Longing” nochmal einen komplett anderen Anstrich zu geben.

Auch bei “Scavenger” können Advent Resilience ziemlich beeindrucken. Das Original ist an sich schon recht langsam und düster und relativ undankbar zum Remixen, würde ich sagen. Aber sie haben nicht nur was sinnvolles draus gemacht, sondern waren dabei auch recht kreativ. Der Remix ist etwas elektrolastiger, nimmt dem Original etwas von seiner Schwere und klingt ein gutes Stück cleaner, aber auch kälter - ein wenig so wie die meisten Songs auf “Wreath Of Barbs”, worauf dieser Remix für meinen Geschmack ganz gut passen würde.

Aus dem wirklich großartigen und eh schon ruhigen “In The Peace Of The Night” hat man dann eine ganz besonders minimalistische Nummer gemacht. Ohne die Vocals und Sprachsamples hat man hier relativ wenig, womit man arbeiten kann und trotzdem wird durch die einfache Melodie, um die der Remix gestrickt wurde, etwas sehr atmosphärisches geschaffen, das nochmal mein Interesse weckt, weil es eben gar nicht erst versucht, mit dem Original zu konkurrieren, sondern eher eine ganz nette Ergänzung dazu ist. Eigentlich wäre das auch ein sehr cooles Outro für “Bone Peeler Resilience” gewesen, aber einen Track haben wir ja noch.

“Your Last Salute” sehe ich ebenfalls als etwas undankbar zum Remixen an. Ich mag das Original, aber einerseits haben wir durch die Remix-CD von damals bereits eine breite Masse an Remixes und andererseits unterscheidet sich der Song durch die katalanische Sängerin so sehr vom Rest des Albums, dass dieser letzte Remix zum Schluss nochmal deutlich hervorsticht und so ein bisschen das Gesamtkonzept kaputt macht. Wie zu erwarten ist der Remix relativ ruhig ausgefallen und hat ein paar ganz kreative Momente, unterscheidet sich aber nicht mehr großartig von den anderen Remixes und fügt zu “Bone Peeler Resilience” wenig hinzu, was man unbedingt bräuchte, tut aber auch nicht weh und macht das Remix-Album am Ende auch vollständig.

Tja und damit wären wir dann auch durch, wobei ich dieses Mal wirklich angenehm überrascht bin. Ich habe eine etwas konventionellere Remix-CD erwartet und eine wirklich kreative Neuinterpretation von “Bone Peeler” bekommen. Hier haben wir auch schon den größten Unterschied zu der Neuinterpretation von “Bunkertor 7”. Während man “Bunkertor 7” im Original und Remix ganz gut miteinander vergleichen kann und dann bei jedem einzelnen Song für sich darauf kommt, welche Version man jeweils bevorzugt, lässt sich “Bone Peeler Resilience” teilweise kaum mit dem Original vergleichen und ist für mich eher eine Ergänzung zu “Bone Peeler”, hinter der fast schon ein eigenes Konzept steht.

Was am stärksten auffällt ist, wie minimalistisch die einzelnen Tracks daherkommen. Vor allem Tempo und Härte wurden größtenteils entfernt und während das für jemanden wie mich, der eigentlich beides sehr beim Hören von :Wumpscut: sucht, am Anfang ziemlich ungewohnt war, mag ich es mittlerweile, wie die einzelnen Songs dadurch nochmal eine komplett neue Seite entwickelt haben. Teilweise klingen sie dadurch leichter und verträumter, oft aber auch melancholischer, düsterer und mitunter sogar gruseliger. Und vielleicht interpretiere ich da zu viel hinein, aber irgendwo klingt es auch so, als würde man das Album, nachdem man es viele Jahre nicht gehört hat, aus der Erinnerung abrufen, in welcher viele Elemente einfach fehlen oder verzerrt sind.

Als Alternative zu “Bone Peeler” würde ich “Bone Peeler Resilience” nicht unbedingt empfehlen. Wenn ihr vielleicht nur 1-2 oder gar keine Songs des Albums kennt und überlegt, welche Version ihr euch zulegen sollt, dann bleibt lieber erstmal beim Original. Ich habe das Gefühl, das für mich ein großer Reiz in “Bone Peeler Resilience” darin bestand, gut mit dem Original vertraut zu sein. Wenn ihr aber “Bone Peeler” kennt und einigermaßen etwas damit anfangen könnt, dann empfehle ich euch wärmstens, mal zu hören, was Advent Resilience aus dem Album gemacht haben und das alte Album nochmal mit einem komplett neuen Anstrich zu erleben.

Punkte: 8 / 10


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