Im Juni 2005 verabschiedete sich Band gefeiert mit dem 2-tägigen Festival am Lausitzring vor 125'000 Besuchern, die Zeugen des Abschlusses einer einzigartigen Karriere wurden. Danach war erstmal still - Weidner meldete sich erst zur Fussball-WM 2006 im Sommer jenes Jahres mit dem Projekt "Nordend Antistars" zurück, die Online-Single "Unser Stadion, unsere Regeln/Gewinnen kann jeder" war für mich DIE Hymne zur WM in Deutschland.
Gerüchte hielten sich, dass Weidner, der oft als DJ tätig war, mit einer Soloscheibe rumkommen wird - seine im Jahr 2006 gestartete Webseite bekräftigte dies. Jedoch nahm man an, dass das Projekt eher in Richtung elektronische Musik geht - umso "überraschender", dass die vorliegende Scheibe nun doch wieder verdächtig nach seiner alten Band klingt - eigentlich jedoch logisch, da Weidner ja zum Schluss fast alles im Alleingang für die Onkelz gemacht hat...
Dazu sein eigenwilliger Schreibstil, der ihn von anderen Songschreibern unterscheidet.
Nach dem ersten Durchlauf hatte ich etwas Mühe mit der Scheibe; viele Texte wirkten auf mich irritierend selbstverliebt, aus Verletztheit auf Stolz getrimmt und irgendwie unreif. Dazu viele moderne Einflüsse wie etwa der tiefe, oft etwas albern wirkende Sprechgesang...
Allerdings fiel mir nach dem 2. oder 3. Durchlauf auf, wie pointiert die Lyrics eigentlich in Wirklichkeit doch sind und wie nackt sich Weidner wahrhaftig zeigt; viele Texte sind von Unsicherheiten, Ängsten und Trauer gezeichnet.
So wird eine endgültige Hymne zum Thema "Böhse Onkelz" verfasst; "Asche zu Asche" - für mich sicher ein Highlight der Scheibe, intensiv und wunderschön. Ein Zeugnis der Vergangenheit und für sich selbst.
Desweiteren verursacht "Zwischen Traum und Paralyse" Gänsehaut - ein Song den Weidner für seinen verstorbenen Freund Marc Spoon (Markus Löffel) geschrieben hat.
"Töte mich", ein Duett mit Skew Siskin-Sängerin Nina, gehört sicher auch zu den Favoriten des charmanten Albums. Neben Nina halfen auch die Jungs von PRO-PAIN mit und setzten in Sachen Drums, Bass und Gitarre Akzente.
Ebenso wirkte Jacob Binzer der Dänen D:A:D, die beim Onkelz-Abschied-Festival auch auf der Bühne standen, gitarrentechnisch beim Song "Ein Lied für meinen Sohn" mit.
Der kraftvolle Opener "Der W zwo drei" und das folgende "Geschichtenhasser" oder auch "Schatten" klingen arg nach den Onkelz der neueren Zeit, doch das ist auch gut - oftmals vermisst man bei solchen Songs die einzigartige Stimme von Onkelz-Sänger Kevin Russell, der mit seinem gebrochenen und trotzdem wütenden Organ für unendlich bewegende Emotionen gesorgt hat - Weidner macht seinen Job zwar solide, doch Emotionen kann er nicht sonderlich bewegend vermitteln, diese Intensität verpackt er dann gekonnt in den Lyrics. Onkelz-Gitarrist Matthias "Gonzo" Röhr, mit dem sich die Band NACH der Trennung etwas überschlug, kriegt sein Fett weg; "Mein bester Feind" spricht ohne den Namen zu nennen eine deutliche Sprache.
Der tonnenschwere, in sich gekehrte und geknickte Rausschmeisser "Pass gut auf dich auf" wirkt wie der Moment vor dem einschlafen; man befindet sich in einer fast komatösen Zwischenphase aus wach sein und aufkommendem Schlaf - dem Moment wo man mit sich selber spricht und in angehende Träume eintaucht - krasser Abschluss eines bewegenden Albums...
Es fällt auf, dass Weidner versucht den Songs eine möglichst dichte Atmosphäre zu verpassen - ein Versuch der auch tatsächlich gelingt. Gepaart mit den vielsagenden Texten ergibt das eine anzüglich melancholische Schwere, die eben nicht auf einen überheblichen, arroganten Menschen zurück führen. Eher in Gegenteil... Schon sehr offen wie Weidner sich gibt - klasse!
Was soll man gross dazu sagen? Weidner schafft den Sprung aus dem übergrossen Schatten, den die Onkelz geschaffen haben - er füllt die Fussstapfen aus, brilliert mit Ideen; musikalisch, sowie auch textlich. Natürlich polarisiert er dabei wie immer... Das gehört nunmal zu diesem Mann. Manche hassen ihn, viele lieben ihn.
Für mich letztendlich ein reifes Werk, das einige Durchgänge benötigt um es in seiner Schönheit zu verstehen - sicher besser als das letzte Onkelz Album "Adios" --- knappe, jedoch sympathische 8,5 Punkte!
Punkte: 8.5 / 10