Eigentlich wollte ich das Review nach dem ersten Durchlauf schreiben und kaum ein gutes Haar an “Unisonic“ lassen. Erwartungshaltungen lassen sich nun einmal nicht so leicht glattbügeln und der erste Höreindruck war ganz anders, als ich es gehofft hatte. Was man genau erwartet hatte, ist schwierig zu sagen, wusste man ja zumindest, was Unisonic nicht ist. Aber eine EP wie “Ignition“ mit dem harten Song “Unisonic“ so wie einer Live-Version des Kürbisklassikers “I Want Out“ weckte innerlich das Verlangen nach Teutonenmetal.
Nach gründlichem Hören weiss ich es aber besser. Sowohl, was Unisonic denn überhaupt ist und dass man immer seine Lauscher gefälligst geduldiger und aufmerksamer aufsperrt, wenn die Herren Kiske und Hansen etwas zu sagen haben. Ich wurde nicht enttäuscht.
Mit “Unisonic“ wird eröffnet und die Messlatte gleich mal ganz oben angesetzt. So kennt man Michi Kiske und die ganze Band macht keine Gefangenen. Starker Opener, der schon seit der EP-Veröffentlichung auf Heavy-Rotation lief.
“Soulvs Alive“ legt nach und beschert und starkes Riffing, tollen Gesang und Refrains aus dem Mitsing-Lager. Dazu ein starkes Solo von Mandy Meyer (Ex-Gotthard/Asia/Krokus) und fertig ist einer der besten Songs auf “Unisonic“.
Dann kommt “Never Too Late“. Aus dem Booklet geht hervor: komplett von Hansen geschrieben. Das bestätigte sich beim hören, wobei hier und da ein paar poppige Einschläge durchkommen und der Gesang am Anfang ein Stück in Richtung Skate-Punk tendiert. Macht aber nichts, denn als ganzes ist “Never Too Late“ bärenstark! Für Gamma Ray wäre das zu viel Mainstream-Appeal, aber auch bei Unisonic funktionieren Hansen-Songs prima.
Ich mag ja vielseitige Alben. Bei Unisonic steuern immerhin vier Musiker Songs bei, und das ist auch gut so. “I‘ve Tried“ stammt aus der Feder von Dennis Ward, der ja bekannter weise auch eine Vorliebe für melodischen Rock hat. Vor allem der Refrain hat eine starke AOR-Schlagseite, was mächtig Spaß macht.
Ebenso eine Ward-Nummer, doch musikalisch ganz anders folgt “Star Rider“. Ein potenter Midtempo-Rocker, der sich allerdings im Vergleich zu den ersten Tracks etwas abnutzt. Wir meckern hier auf hohem Niveau!
Als ich anfangs erwähnte, dass “Unisonic” mit mehrmaligem Hören deutlich gewachsen ist, meinte ich das absolut ernst. Allerdings kommt mir “Never Change Me“ immer noch komisch vor. Die Gitarrenarbeit hat für meinen Geschmack zu viele Wolle-Petry-Anleihen und wird durch die Gesangslinien nicht gerade gerettet. Was hat dich denn bei der Nummer geritten, Kai? Es bleibt nur zu hoffen, dass das Publikum nicht vor dem letzten Chorus (bei 2:42) rhythmisch unisono klatscht. Dann hätte man wirklich das Gefühl, sich auf‘s falsche Konzert verlaufen zu haben.
Den Eindruck der letzten zwei Songs macht zum Glück der nächste Track “Renegade“ wett. Es schallt mächtig stampfend aus den Boxen und demonstriert, dass Herr Kiske auch in tieferen Stimm-Registern eine sehr gute Figur macht. Maximales Tempo muss ohnehin nicht immer sein, so dass ich spätestens nach dem Refrain wieder mit dem Album versöhnt bin.
Ebenfalls bekannt durch die “Ignition“-EP ist “My Sanctuary“, dem Dennis Ward und Kai Hansen tolle Melodien und eine dufte Prise Rock ,n‘ Roll-Flair verpasst haben. Geht sofort ins Ohr, die zweistimmigen Klampfen sind richtig klasse und das Finale verspricht Live eine absolute Stimmungs-Bombe zu werden.
Bei “King For A Day“ darf Texter und Komponist Hansen dann auch mal an die Backing Vocals, was dem ganzen gut steht. Am Ende bin ich etwas überrascht, dass es „nur“ 4:10 Minuten waren, denn hier wurden etliche gute Ideen verwurstet.
Unisonic nehmen schließlich etwas Tempo auf. “We Rise“ tönt abwechslungsreich und variabel. Inklusive des wohl einzigen Galopps auf “Unisonic“ schreit der Song geradezu nach mitsingenden Fans vor der Bühne. Spaßfaktor vorprogrammiert.
Der letzte Track hört auf den Namen “No One Ever Sees Me“ und hier hat sich Michael Kiske als Schöpfer verewigt. Im Stil einer gemäßigten Ballade (mit Synthi-Streichern) neigt sich das Album dem Ende zu. Ich komme allerdings nicht von dem Gedanken weg, dass diese Nummer auch in so manchem Musical eine gute Figur gemacht hätte. Die Gesangslinien lassen Ausnahme-Sänger Kiske noch einmal voll auftrumpfen und hätten so auch aus der Feder von Avantasia-Mastermind Tobi Sammet stammen können, was man durchaus als Kompliment verstehen kann.
Nach dem letzten Song verspüre ich nun mehr und mehr den Drang, zurück zum Anfang zu gehen und mir die elf Songs erneut durch den Kopf pusten zu lassen. “Unisonic“ ist ganz klar eine Platte mit Wachstumspotential. Wenn jetzt auch noch live gezeigt wird, aus was für klasse Musikern die Band besteht, sind wir um eine starke Heavy-Rock-Band reicher, die keine Kopie der Hauptbetätigungen ihrer Mitglieder darstellt. Der musikalische Kurs war teilweise etwas mutig, im großen und ganzen lässt sich aber festhalten: Experiment gelungen. Acht Punkte dafür!
(8/10 Punkte)
geschrieben von mir und erschienen auf rockandrollcircus.de (http://www.rockandrollcircus.de/unisonic-unisonic/042577)
Punkte: 8 / 10