Swans The Seer (2012) - ein Review von Probatologist

Swans: Seer, The - Cover
1
1 Review
12
12 Ratings
8.96
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Rock: Folk Rock, Noise Rock


Probatologist
24.05.2013 14:49

Was lange gärt, wird endlich Wut.

Ah, der dreißigjährige Geburtstag. Nicht vielen Bands vergönnt und umso wertvoller. Was liegt bei einer dermaßen einflussreichen und eigenwilligen Band wie SWANS näher, als das Jubiläum zünftig mit einem monumentalen Mammutwerk zu begehen?

Natürlich hätten Michael Gira und Co. einfach "nur" wieder ein tolles Werk wie den Vorgänger "My Father Will Guide Me Up A Rope To The Sky" veröffentlichen können und alle Welt wäre zufrieden gewesen. Doch offenbar nahm sich die Band die leichte Kritik zu Herzen, die auch ich in meinem ansonsten recht positiven Review zur "My Father..." äußerte und erkämpfte sich ein Album, das noch mehr nach SWANS klingt als der Vorgänger. Von der knapp 13-jährigen Auszeit unter dem Namen THE ANGELS OF LIGHT, deren ruhigerer Folk sich noch auf "My Father..." auswirkte, ist nichts mehr übrig geblieben. Stattdessen hat es sich Gira zur Aufgabe gemacht, ein gewaltiges Opus zu erschaffen, welches den geneigten Hörer zermalmt, über Schmerz zur Katharsis führt, mit Fegefeuer reinigt und schlussendlich der Erlösung ein Stück näher bringt. Verschleisserscheinungen? Müßiggang? Von wegen. Dermaßen roh, ursprünglich und gewaltig, doch gleichzeitig reif und abgeklärt klang die Band noch nie.

Dabei besteht bei einem scheinbar von vornherein als solches konzipiertem Meisterwerk immer die Gefahr, dass der Schöpfer in seinem Größenwahn übers Ziel hinausschießt. Was nicht zuletzt bei einem Doppelalbum mit einer Spielzeit von zwei Stunden passieren kann.
Doch Gira und seine Mannen schienen sich ihrer sehr sicher zu sein und verschwenden in ihren Songs trotz stattlicher Spielzeiten von bis zu 30 Minuten keine Zeit. Stattdessen wirkt jeder Moment in dieser rohen Mischung aus Post-Rock, Kraut-Rock, Noise-Rock, Drone, Country-Versatzstücken, blutigen Blues-Fetzen und minimalistischen Post-Punk-Querverweisen wohl durchdacht. Wenn im halbstündigen Titelsong unverhofft Mundharmonika oder Maultrommel zum dominierenden Instrument werden, so ist das nicht im letzten Moment entschieden worden, sondern wirkt als Teil der natürlichen Entwicklung der geschäftigen Komposition.

Ebenso effektiv wurden die Gastauftritte eingebaut. Bereits der Opener wartet mit Gesang von Alan Sparhawk und Mimi Parker auf, den Köpfen der Slowcore-Rocker LOW. Diese intonieren einen dämonischen, repetitiven Chor als Intro, der dem Namen 'Lunacy' gerecht wird. Der Hörer wird eingeladen in den Wahnsinn und gerade die mantrischen Wiederholungen der Motive, der hypnotische Aufbau zu etwas Größerem wie beim folgenden 'Mother of the World', welches LOU REED mit SLINT zu kombinieren scheint, lassen den Hörer nach einer Weile das Atmen völlig vergessen. Die längeren Songs sind allesamt schwierige, aber fesselnde Odysseen, die immer wieder von Momenten schlichter Schönheit unterbrochen werden. Als da wären die zarteren Stücke 'The Wolf', 'The Daughter Brings The Water' und besonders das von Karen O (YEAH YEAH YEAHS) intonierte 'Song For A Warrior', welches den Hörer auf den Endspurt des Albums vorbereitet. Gerade letzterer sollte nicht ganz unerwähnt bleiben: Wo vielen Doppelalben zum Ende hin die Puste ausgeht, bilden die letzten drei Songs der zweiten CD einen 51-minütigen Koloss, eine intensive Beschwörung des inneren Selbst, eine Katharsis durch primitive Wut, einen Exorzismus all unserer Dämonen. Dass ex-SWANS-Sängerin JARBOE auch noch einen kleinen Gastauftritt absolviert, ist nur das Sahnehäubchen auf einem gewaltigen Kuchen, der gekonnt auf einem schmalen Grat zwischen abstoßend und faszinierend wandelt. Wenn Kuchen wandeln könnten. Möglicherweise habe ich mich mit dieser Metapher in eine Sackgasse geschrieben. Aber das passiert, wenn man es mit schwer zu beschreibender Kunst wie dieser zu tun hat.

Alterswerk? Fehlanzeige. SWANS kombinieren die besten Momente ihrer Karriere: Die hämmernde Dämonenaustreibung der Frühwerke wie "Filth", den ausschweifenden Post-Rock von "Soundtracks Of The Blind", die Größe und den Abwechslungsreichtum von "Children Of God" - und machen sich und ihren Fans damit das schmackhafteste aller Geschenke. Und siehe da, somit habe ich doch noch den literarischen Bogen zum Geburtstagskuchen geschlagen.

Anspieltipps: Avatar, Mother of the World

Ursprünglich veröffentlicht unter: http://www.powermetal.de/review/review-Swans/The_Seer,22337,22231.html

Punkte: 10 / 10


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