Nun, Straftanz als Band ist relativ schwer zu beschreiben und die Truppe selbst ist dabei auch nicht unbedingt hilfreich, wenn sie sich als "Proletariat des Industrial" bezeichnet, welches "Industrial Streetfighting-Dance" macht, was auch immer das heißen soll. Die beiden Alben waren da immer eine ziemlich bunte Überraschungskiste an verschiedenen Songs und Genres. Da konnte auf ein etwas kitschige Futurepop-Stück schonmal ein prolliger Aggrotech-Song folgen, der wiederum von irgendeiner Mischung aus Elektro und schrammeligen Gitarren abgelöst wurde. Auch die Zusammensetzung der Band war immer ziemlich uneinheitlich und irgendwie hat Straftanz eher wie eine bunte Spielweise von Musikern aus diversen anderen Projekten auf mich gewirkt, die sich hier fernab ihres Hauptorojektes ein wenig austoben wollten.
Aber 2006 hatten wir erstmal nur den Song "Straftanz" selbst und diese hübsche kleine Single hier. Zuerst einmal zum eigentlichen Song: "Straftanz" besticht sicher eher mal durch Eingängigkeit als durch Komplexität. Es ist wahrscheinlich einfacher sich das Teil einmal anzuhören, statt es zu beschreiben, aber stellt euch einen clubtauglichen Futurepop-Song vor, bei dem alle paar Sekunden recht aggressiv daran erinnert wird, wie der Song gleich nochmal heißt und wo und wie man ihn genießen kann. "Straftanz im Lager! Straftanz Zeche! Straftanz im Fall! Straftanz Matrix!" schreit es einem da entgegen und garniert wird das Ganze mit den Samples einer Sexy Frauenstimme, die jetzt endlich ihre Bestrafung will - classy! Aber hey: die Tanzfläche konnte man damit gut vollbekommen und wenn es auch mal leichte Kost sein darf, dann kann dieser Song ziemlich viel Bock machen.
Hier ist er sogar gleich dreimal vertreten: als "Straftanz [Ost]", "Straftanz [West]" und "Straftanz [Süd]". Am Ende ist es dreimal genau der gleiche Song. Einziger Unterschied: die Lyrics unterscheiden sich minimal und je nach Region werden entweder Clubs im Osten, Westen oder Süden Deutschlands aufgezählt. Nur Norddeutschland scheint von den Clubs her etwas dünn aufgestellt zu sein und geht damit leider leer aus. Wie hoch der Mehrwert jetzt ist, wenn man einen musikalisch identischen Song gleich dreimal am Start hat, muss wohl jeder für sich entscheiden. Ich betrachte das eher als einen einzigen Song, von dem sich jeder seine Version rauspicken kann.
Mein Problem, das ich mit "Straftanz" habe, ist eher, dass der Song meiner Meinung nach ziemlich schlecht gealtert ist. Gar nicht mal, was das künstlerische Niveau angeht. Ich denke mal, dass das Stück eh nicht besonders ernst gemeint war und viel Parodie drin steckt. Aber rein musikalisch ist es schon eine ziemlich einfache Kiste und klingt sehr basic. Straftanz sollten im Laufe ihrer Karriere noch ein paar ganz treibende oder zumindest ungewöhnliche Angriffe auf die Ohren starten. Da wirkt dieses Werk in seiner Ur-Version fast schon langweilig gegen.
Schuld daran mögen vielleicht auch die beiden Remixes sein, die sich ebenfalls auf dieser Single hier befinden. Da haben wir einmal einen Remix von "Süd" von einem Projekt namens Reaper, das ich nicht kenne. Diese Version ist schon deutlich tanzbarer als das Original. Obwohl es nichts an seiner Härte einbüßt, klingt alles ein wenig gefälliger und abgerundeter, weshalb ich diese Version direkt gegenüber dem Original bevorzugen würde. Richtig beeindrucken können mich aber nur Agonoize mit ihrer Version von "Ost". Das Ding klingt wirklich geil! Was hier zusammengebastelt wurde, klingt nicht nur maximal clubtauglich, sondern zaubert mir auch zu Hause jederzeit ein Lächeln auf die Lippen. Endlich klingt der Song so treibend wie er klingen soll!
Als kleine Kuriosität hätten wir auch noch einen Song namens "Eintausendmal" auf der CD, der eher wie eine Live-Aufnahme klingt, ohne dass ich je eine reine Studioversion davon gehört hätte. Das ganze ist recht lang, beatlastig und experimentell. Vielleicht ein nettes Stück, um im Club oder auf dem Konzert die Menge anzuheizen, aber nichts, was ich mir gerne einfach so anhören würde.
Tja und am Ende weiß ich nicht so ganz, was ich von dieser CD halten soll. Immerhin bin ich wohl auch auf dem klassischen Weg zu Straftanz gekommen: ich habe mir den Song im Club angehört, fand ihn gut genug, um mir diese Single zu kaufen und fand diese wiederum gut genug, um mir die Alben zuzulegen. "Straftanz" ist also per se kein schlechter Song. Allerdings sollte das, was wir hier hören, durch die Alben und späteren Songs schon deutlich in den Schatten gestellt werden. Am Ende haben wir hier einen sehr simplen Song in verschiedenen Versionen plus was auch immer "Eintausendmal" darstellen soll. Davon konnte mich langfristig nur der ausgezeichnete Remix von Agonoize bei Laune halten.
Im Jahr 2006, als Straftanz noch nichts anderes released hatten, mag die CD vielleicht etwas mehr ihren Reiz gehabt haben. Heutzutage würde ich sie nur noch für zwei sehr kleine Gruppen an Leuten empfehlen: diejenigen, die sich wirklich nur für diesen Song von Straftanz interessieren, weil sie ihn mal Im Club gehört haben und ihn auf CD wollen und diejenigen, die gerne alles von Straftanz haben wollen.
Punkte: 4.5 / 10