Soko Friedhof Mondo Cannibale (2018) - ein Review von DarkForrest

Soko Friedhof: Mondo Cannibale - Cover
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5.50
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Dark Wave / Gothic: Electro


DarkForrest
29.11.2020 08:35

Mit "Mondo Cannibale" hat David A. Line 2018 das zweite vollwertige Soko-Album aus dem Underground heraus veröffentlicht, welches ausschließlich über den eigenen Shop bestellt werden kann. Nach dem extrem umfangreichen und sehr ordentlichen "Devil's Mark" liegt meine Messlatte natürlich einigermaßen hoch.

Diesmal gibt's keinen 2-CD-Exzess, sondern lediglich eine CD im schlichten Cardsleeve, wobei das Cover ein ziemlich witziges Gimmick ist. Ja, es wirkt vielleicht etwas krude, aber dafür wurde es von David A. Line handgezeichnet. Und damit meine ich jetzt nicht, dass er sich einmal 5 Minuten hingesetzt und ein Cover gekritzelt hat, welches dann auf jedes Cardsleeve gedruckt wird. Nein: jedes Mal wenn jemand das Ding bestellt setzt er sich hin und kitzelt Cover und Tracklist auf ein weißes Cardsleeve, sodass jedes einzelne Exemplar von "Mondo Cannibale" auch ein bisschen ein Unikat ist. Dafür gibt's schonmal direkt Pluspunkte.

Auch der Titel ist zumindest mal was neues. "Mondo Cannibale" war soweit ich weiß der Film, der die riesige Welle an italienischen Exploitation-Filmen zum Thema Kannibalismus losgetreten hat, die mit "Cannibal Holocaust" ihren Höhepunkt gefunden hat. Und tatsächlich findet sich der Name nicht nur auf dem Cover wieder. Keine Ahnung, ob das ganze offiziell als Konzeptalbum gedacht war, aber bis auf 1, 2 abweichende Songs zieht sich das Thema Kannibalismus mal mehr und mal weniger stark durch die ganze CD.

Auch musikalisch folgt diesmal alles einer etwas klareren Linie. 8/9 Songs sind deutsch und David setzt bei den Vocals hier schon sehr häufig darauf die Songs eher einzusprechen als zu singen. Das ist nicht unbedingt neu und wenn alles mit einem ordentlichen Beat unterlegt ist oder dem eine gute Melodie entgegensteht, dann kann da so manch geiles Ergebnis bei rauskommen. Hier haben wir aber unseren größten Schwachpunkt auf "Mondo Cannibale" - die Musik ist oft… schwierig. Mal ist sie selbst so simpel, dass die Songs am Ende kaum Inhalt haben und mal passt sie wenig zu den Vocals zusammen oder wirkt in sich selbst schon komplett unfertig. Das macht es manchmal ziemlich anstrengend, sich "Mondo Cannibale" anzuhören und überhaupt in das Album reinzukommen. Öfter und aufmerksam hören hilft zumindest ein bisschen, macht aber auch einige Momente noch deutlicher, die zumindest mir gar nichts gegeben haben.

Das geht schon direkt bei "Das Fleisch Der Toten" los, aus dem man vielleicht noch ganz gut ein kurzes Intro hätte basteln können, aber bis auf den kurzen melodischen Refrain, der nicht wirklich zur unterlegen Musik passt, gibt es hier für mich zu wenig, was einen eigenständigen Song über knapp 3 ½ Minuten tragen kann. "Die Kannibalen" hat leider ähnliche Probleme und langweilt mich kaum weniger als Song Nummer 1. Das Tempo ist etwas schneller, die Atmosphäre fast schon fröhlich aber das was durch minimal aufwendigeres Songwriting das Niveau das Songs erhöht wird durch den etwas albernen Humor wie die Schmatzgeräusche am Ende wieder zunichte gemacht.

"Raunacht" erinnert mich dagegen wieder total an "Das Fleisch Der Toten". Ich muss mir schon beide Songs direkt nebeneinander anhören um zu erkennen, dass hier doch nicht einzelne Elemente 1:1 übernommen wurden. Ebenfalls seltsam: der Song beginnt 12 Sekunden lang, macht einen harten Cut und beginnt dann nochmal. Keine Ahnung, ob das Absicht war oder da beim Abmischen was schief gelaufen ist, aber es klingt jedes Mal beim Hören richtig kacke. Zwischendurch kann "Raunacht" sogar etwas Stimmung aufbauen, die aber immer genau dann verpufft, wenn es gerade anfängt intensiver zu werden und man damit rechnet, dass jetzt sowas wie ein Höhepunkt kommen könnte.

Für die nächsten zwei Songs entfernt sich das Album sowohl textlich als auch musikalisch vom eigentlichen Konzept. Wer hätte gedacht, dass die Soko irgendwann nochmal das Müllmann-Thema aus "Jesussaft" aufgreift? "Trash (Müllmann 2)" macht aber genau das und erinnert mich gleichzeitig daran, dass David A. Line ja eigentlich gute Musik kann. Okay, vielleicht wird hier auch einfach nur mein persönlicher Geschmack getroffen: treibende Melodie, schräge Texte und Sample-Overkill - so mag ich Soko Friedhof. Aber es kann wohl niemand bestreiten, dass hier wirklich alles sauber umgesetzt wurde, auch wenn dieser Song eigentlich thematisch und musikalisch null auf "Mondo Cannibale" passt.

"Where The Pain Begins" ist der einzige englische Song (der ebenfalls inhaltlich und musikalisch eher wie ein Fremdkörper auf dem Album wirkt). Englischer Text heißt eigentlich immer, dass David zwangsläufig singen muss und auch hier werden wir nicht enttäuscht. "Where The Pain Begins" ist im Herzen eine dieser klassischen eher langsamen melancholischen Soko-Nummern auf englisch. Ich mag sowas ja sehr gerne nur leider kann "Where The Pain Begins" nicht so ganz mit den Klassikern mithalten. Es klingt jetzt nicht direkt schlecht, aber wenn ich es mir jetzt mal auf eine CD mit vergleichsweise hohem Anteil solcher Songs wie z.B. "Die Geschichte Eines Werwolfs" oder von mir aus auch CD 1 von "Devil's Mark" denke, dann würde es gegen Songs wie "Ghosts Of Berlin" oder "Drag Me To Hell" überhaupt keine Chance haben. Dafür wirkt es zu generisch und auch die etwas hektische Musik arbeitet eher gegen den Gesang als ihn zu unterstreichen. Damit ist es zwar gut, um auf "Mondo Cannibale" etwas Abwechslung zu haben, aber als eigenständiger Song nichts wirklich erwähnenswertes.

"In Aller Herrgottsfrühe" kann da schon deutlich besser punkten. Ich ungefähr so hätte ich mir eigentlich das ganze Album vorgestellt. Recht unkonventionelle Musik, textlich nicht ohne und allgemein beunruhigende Atmosphäre, die durch gut gewählte Samples unterstrichen wird - spätestens dann, wenn Roland Freisler zu Wort kommt, dessen Worte beim Prozess gegen Graf Schwerin von Schwanenfeld sich offenbar recht gut zu eignen scheinen, um sie in Songs einzubauen. Hier tragen sie im Gegensatz zu "Schäbiger Lump" von :Wumpscut: aber eher zur sehr beklemmenden Stimmung von "In Aller Herrgottsfrühe" bei.

Dagegen holt mich "Ich Glaube An Den Mann" überhaupt nicht ab. Textlich vielleicht noch ganz interessant, aber musikalisch fast ganz ohne Grundlage. Dafür ist "Heidenspass" das dritte Highlight für mich auf "Mondo Cannibale" - sehr fesselnde Melodie, guter Humor und ein paar nette Gimmicks wie das dezent eingebaute Wolfsgeheule sorgen dafür, dass wir hier eine wirklich runde Sache haben. "Trommler Auf Ruinen" ist etwas experimenteller, gefällt aber durch etwas mehr Variation bei den Vocals und das Thema, dass durch den Fokus auf Trommelschläge auch musikalisch ganz gut umgesetzt wurde. Keine absolute Offenbarung aber ein ganz netter Abschluss.

Um "Mondo Cannibale" zu einem guten Album zu machen reicht das aber für mich leider nicht mehr aus. Nach dem mich "Devil's Mark" so positiv überrascht hat, bin ich diesmal doch leicht enttäuscht. Das Kannibalen-Konzept hatte eigentlich viel Potential. Aber irgendwie hat es dann an der Umsetzung gehapert "Mondo Cannibale" fängt echt zäh an und braucht seine Zeit, um zumindest etwas besser zu werden. Einiges kann ich mir ja noch damit erklären, dass sicherlich jeder Geschmack verschieden ist - gerade wenn es um so ein vielseitiges Projekt wie Soko Friedhof geht - und meiner diesmal einfach nicht so ganz getroffen wurde. Manche Songs wirken aber auch einfach unfertig und halbgar.

Während "Devil's Mark" gefühlt Material für zwei gute Alben gehabt hätte, sehe ich bei "Mondo Cannibale" eher mal die Grundlagen für eine gute EP, aber in der Form wie es am Ende rauskam, ist es mir doch etwas zu holprig. Immerhin: "Trash (Müllmann 2)", "In Aller Herrgottsfrühe" und "Heidenspass" sind wirklich klasse und reißen einiges raus. Dazwischen gibt's auch mal gute Momente, sodass "Mondo Cannibale" auch nicht wirklich schlecht geworden ist und vielleicht trifft es ja auch genau den Geschmack des einen oder anderen Fans. Zum Einstieg oder Wiedereinstieg würde ich aber eher mal "Devil's Mark" empfehlen, falls heutzutage noch jemand Bock auf die Soko hat.

Punkte: 5.5 / 10


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