Soko Friedhof Blutrünstiges Mädchen (2004) - ein Review von DarkForrest

Soko Friedhof: Blutrünstiges Mädchen - Cover
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6.50
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Dark Wave / Gothic: EBM


DarkForrest
14.11.2023 17:00

Letztes Jahr habe ich mir mit meinem Review zu “Die Geschichte Eines Werwolfs” ein etwas exotischeres Soko Friedhof Album etwas näher angeschaut. Das Ganze war ein Konzeptalbum, das sich über 18 Songs erstreckt hat, den einen oder anderen sehr ruhigen Track und auch hier und da mal ein paar Instrumentals bereitgestellt hat und damit nicht bei allen Fans gut ankam. Der Nachfolger “Blutrünstiges Mädchen” aus dem Jahr 2004 ist quasi der komplette Gegenentwurf: mit 11 Songs und gut 40 Minuten Laufzeit wieder kurz und knackig, bestückt mit dem einen oder anderen sehr tanzbaren Clubhit und wieder mehr auf die ironisch-witzige Seite der Soko setzend, ist es bis heute bei vielen Fans das beliebteste Album und wird auch heute noch gerne als Maßstab für kommende Alben herangezogen. Eigentlich auch kein Wunder, immerhin befinden sich neben dem Titeltrack auch Hits wie “Blutsauger (Und Du Kommst…)” oder “Die Rache Der Hurenkinder” auf dem Album.

Wenn wir jetzt aber mal über diese drei Klassiker hinausschauen, dann wird es schon etwas kniffliger. Ich bin ganz ehrlich: hätte man mich gefragt, bevor ich mir das Album in den letzten Wochen nochmal etwas genauer vorgenommen habe, was es denn sonst noch so zu bieten hat, wäre mir nicht mehr viel eingefallen und ich glaube da geht es nicht nur mir so. Der Großteil der Tracklist von “Blutrünstiges Mädchen” ist im Laufe der Jahre irgendwie in Vergessenheit geraten. Das heißt also entweder, dass das Album vollbepackt mit versteckten Perlen ist oder dass es von einer kleinen Anzahl an Klassikern lebt, aber als Gesamtwerk nicht so ganz mithalten kann.

Bevor wir uns aber im Detail angucken, was hinter dem hässlichen Cover (ohne Scheiß: WTF?!) steckt, vielleicht noch kurz etwas zum Gesamtkonzept. Ich hatte “Blutrünstiges Mädchen” tatsächlich als das erste Album in Erinnerung, auf dem die Soko so richtig ihre Comedy-Seite auslebt und gleichzeitig sehr tanzbar geworden ist - also in etwa das bietet, was wir auf Alben wie “Totengräber” oder “Klingeltöne Satans” in der zweiten Hälfte der 2000’er hauptsächlich zu hören bekommen sollten. Teilweise ist das auch teilweise der Fall, aber eher in Form von ersten zaghaften Schritten in diese Richtung. Abseits der großen Hits sind die Tracks aber nach wie vor ziemlich rough. Mal klingt es sehr schrammelig, dann wieder schräg - also sehr nach dem, was die ersten drei Soko-Alben mitgebracht haben. Allerdings geht man hier sogar ein paar Schritte vom gut abgerundeten “Die Geschichte Eines Werwolfs” zurück, um am Ende teilweise sogar wieder sehr nach “Grabschönheiten “zu klingen. Es gibt zwar dieses Mal nur ein einziges reines Instrumental, allerdings sind die Vocals oft recht simpel gehalten, die Tonqualität schwankt stark, Samples bilden wieder ein sehr wichtiges Fundament für die Songs und die Musik ist gerne mal eher aggressiv als melodisch. Einen musikalischen oder inhaltlichen roten Faden gibt es dieses Mal auch nicht und die Übergänge zwischen den Songs sind mitunter recht hart.

Auch ein Intro gibt es zum ersten Mal nicht, stattdessen legt unser “Blutrünstiges Mädchen” direkt mit dem Titeltrack los. Hier muss ich sagen, dass es sicher nicht umsonst ein Klassiker ist. Greta Csatlos’ Performance ist hier definitiv on Point, die Melodie ist unverwechselbar und der Beat treibend. Nachdem die Soko aber gefühlt unendlich oft versucht hat, an diesen Erfolg anzuknüpfen und uns mit zahllosen Songs überschüttet hat, die versuchen, genau das zu kopieren, muss ich aber auch zugeben, dass sie es auch ein paar Mal geschafft haben, sehr ähnliche, aber bessere Tracks raus zu ballern, gegen die dieser Song etwas zu simpel, langsam oder brav wirkt. Trotzdem kann ich es mir auch heute noch ohne Probleme anhören und muss dazu mit dem Kopf wippen.

Noch besser gealtert dürfte aber “Blutsauger (Und Du Kommst…)” sein. Mal abgesehen von der etwas zweideutigen Hookline “Und du kommst in meinen Mund”, um die sich der Song hauptsächlich dreht, wird hier ein sehr schönes Duett von Greta und David A. Line, der hier mit wunderbar düsterer Stimme singt, geboten, dass perfekt mit Synthesizern untermalt wurde. Selbst wenn einem die Lyrics also zu albern sind, bekommt man hier immer noch ein sehr ordentliches Dark Wave Stück geboten.

In einem sehr harten Übergang wird man danach direkt mit den sehr penetranten Piano-Geklimper von “Ave Satan Dominus” erschlagen. Der diesmal etwas dünne Gesang von A. Line und das random französische Geflüster machen die Sache nicht unbedingt besser. Aber zumindest schwankt die Qualität - zwischendurch wird das Geklimper immer wieder durch elektronische Klänge ersetzt, die Vocals steigern sich in ihrer Intensität und die französischen Samples werden durch eine Art Kirchenchor ersetzt, der zwar wenig originell wirkt, sich aber ganz gut in das Gesamtwerk einfügt. Damit klingt “Ave Satan Dominus” zwischendurch auch mal ganz nett, fällt aber auch wieder auf das schwache Anfangsniveau zurück.

Aber das ist immer noch besser als die große musikalische Durststrecke, die jetzt kommt. A. Line versucht zurück zu seinen ranzigen Wurzeln zu gehen und braucht dafür 4 Versuche, bis es endlich nicht komplett scheiße klingt.
Versuch 1: “Die Zeremonie” - das einzige Instrumental, das stark auf Samples setzt, die allerdings nicht großartig bearbeitet wurden. Es klingt eher, als würde man ziemlich lange und ohne Cuts eine Szene aus einem Horrorfilm laufen lassen (ja, ich konnte leider nicht rausfinden, woher die Samples stammen) und diese dann nach und nach mit missglückter Musik immer unverständlicher machen. Das wäre selbst auf “Grabschönheiten” eher mal schwach gewesen, aber vielleicht hat ja jemand Lust die Erfahrung zu simulieren, irgendeinen Film zu gucken und dabei zunehmend vom Nachbarn belästigt zu werden, der einfach seine Scheiß-Musik nicht leiser drehen will. Aber okay, ist ja auch nur ein kurzes Interlude von knapp drei Minuten und der nächste Track wird sicherlich besser, oder?

Versuch Nummer 2: “Burn In Hell”. Ehrlich gesagt geht das hier noch nicht mal soooo weit an meinem Geschmack vorbei. Wir haben ein paar treibende Beats und dazu aggressive englische Vocals von A. Line. Das Problem ist hier eher die Qualität. Vielleicht ist das hier auch eine seltene Live-Aufnahme aus Zeiten von Festival Der Geisteskranken, die heimlich in einem besetzten Haus in Kreuzberg mitgeschnitten wurde und in den Fall würde ich alles zurück nehmen, aber so wie das ganze klingt, kann man eigentlich kaum vorstellen, dass “Burn In Hell “und “Blutsauger (Und Du Kommst…)” sich ein Album teilen, da hier alles wirklich eher mal einen chaotischen Soundbrei bildet, als einen richtigen Song. Aber es kommt noch schlimmer:

3. Versuch: “Welcomes Darkness Now”. Zumindest die tiefe und melancholische Stimme von A. Line ist wieder da, allerdings lallt er dermaßen schief, dass ich mir hier ernsthafte Sorgen um seine Gesundheit mache. Untermalt wird das ganze mit derart chaotischen elektronischen Arrangements, dass ich davon Kopfschmerzen kriege - ein erstaunlich schmerzhafter und unangenehmer Song, der entweder so klingt als würde man einen eigentlich guten Soko-Song auf einer zerkratzten CD in einer total kaputten Anlage hören oder ihn sich live geben, während sowohl die gesamte Band als auch man selbst einen sehr ungesunden Drogencocktail eingeworfen haben.

4. Versuch: “Töte Sie” - Na endlich! Ein wunderbar abgefuckter Song mit fast schon punkigen, aber noch gut hörbaren Vocals, simpler, aber stimmiger Musik und aggressiven, aber sehr passenden Einsatz von Samples aus der deutschen Version von “From Dusk Till Dawn”, der so klingt wie Festival Der Geisteskranken zu ihrer besten Zeit. “Töte Sie” liefert die perfekte Balance zwischen tanzbarer Extase und psychotischen Alptraum und bietet die perfekte musikalische Untermalung für das nächste Familienessen oder die eigene Beerdigung. Aber mal im Ernst: Auf genau solche versteckten Perlen habe ich gehofft, als ich “Blutrünstiges Mädchen” nochmal ausgegraben habe.

Als nächstes bekommen wir es relativ unvermittelt mit dem “1000 Seelen Mix” von “Blutrünstiges Mädchen” zu tun. Rein formal macht dieser Remix alles richtig, indem er das Original zwar schon relativ stark modifiziert, aber die markante Grundmelodie immer noch erkennen lässt. Gleichzeitig wurde er um männliche Vocals ergänzt. Großartig, oder? Leider nur so lange, bis man merkt, dass das Ding derart drüber ist, dass es wohl eher weniger als ernstgemeinter Remix gedacht war. In gerade mal zwei Minuten wird uns derart heftig alles auf einmal um die Ohren geballert, dass dieser Remix weniger dazu einlädt, auf der Tanzfläche loszulegen und eher dazu in dieser Zeit möglichst oft und heftig seinen Kopf gegen die Wand zu schlagen.

Aber zumindest das Finale kann dann doch nochmal ein wenig was rausreißen. Die letzten drei Songs bestechen durch schnellen und tanzbaren Elektro, gestützt durch zahlreiche Samples und aggressive Vocals - schonmal ein kleiner Vorgeschmack auf das kommende “Jesussaft “. Los geht's mit “Drachenblut”, welches verdammt catchy ist und über 5 Minuten lang ganz gut unterhalten kann.

“Tödlich Beleidigt” setzt auf ähnliche Stärken und bietet einen ganz interessanten, fast schon mantraartigen Gesang. Die musikalische Untermalung fällt hier zwar arg simpel aus, aber der exzessive Einsatz von Samples kann das irgendwo ganz gut ausgleichen.

Bleibt nur noch “Die Rache Der Hurenkinder” - absoluter Klassiker, der richtig gut auf die Fresse haut. Das “Verpiss Dich, Toter!”-Sample wird einfach nie alt, der ganze Song ist trotz seiner fast schon hirnlosen Brutalität erstaunlich melodisch und eingängig und die Vocals absolut dämonisch. Geiler Abschluss!

Der Gesamteindruck ist dagegen eher gemischt. Ein paar echte Kracher, die sich auch heute noch hören lassen können, hat “Blutrünstiges Mädchen” definitiv am Start. Den einen oder anderen weniger bekannten Song, der positiv überrascht, kann man dort sicherlich auch finden. Ein bisschen Füllmaterial ist ja auch in Ordnung. Aber leider ist der Anteil an richtig nervigem Schrot alarmierend hoch. Ich meine “Im Beichtstuhl Der Begierde” hatte vor allem gegen Ende einige Längen, aber man konnte sich den ganzen Spaß ohne größere Probleme am Stück anhören. Hier wird es zwischendurch schon ziemlich unangenehm. Und im direkten Vergleich hat “Im Beichtstuhl Der Begierde” mit “Perversion Bizarre” oder “Mother Wears Black” ebenfalls seine Hits.

Mit “Die Geschichte Eines Werwolfs” will ich es gar nicht erst vergleichen. Das Ding ist für mich eine verdammt runde Sache und schafft es ähnlich abwechslungsreich zu klingen und trotzdem einen klaren roten Faden zu haben. Von den ersten drei Alben kann lediglich das etwas langweilige “Grabschönheiten” durch “Blutrünstiges Mädchen” getoppt werden und das auch nur, weil hier ein paar echt großartige Momente geboten werden. Wenn man jetzt die schlechten Songs etwas stärker gewichtet, dann muss man aber schon sagen, dass hier auch seiner Zeit neue Tiefpunkte erreicht wurden - nicht so schlimm wie später bei “Mord” oder “Drom”, aber doch merklich.

Insgesamt ist “Blutrünstiges Mädchen” ein ganz nettes Album, aber keinse, das sich lohnt, am Stück gehört zu werden, sondern eher eins, bei welchem man sich die Favoriten rauspickt und die restlichen Songs schnell vergisst, was ich immer schade finde - zumal so durch die beiden Best Ofs das eigentliche Album fast schon überflüssig wird. Dem absoluten Hype wird es daher für mich nicht gerecht, wenn es allerdings gut ist, dann klingt es richtig gut und das auch noch nach knapp 20 Jahren.

Punkte: 6.5 / 10


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