Nun SATYRICON, meine herzallerliebsten Black Metaller, und seit Beginn ihrer Karriere immer wieder auf der Suche nach neuen Einflüssen und Inspirationen, haben hier ein Instrumentalwerk für eine Ausstellung des prominentesten norwegischen Malers, des großartigen Edvard Munch geschaffen. Neben der Musik in allen ihren möglichen Spielarten, ist die Malerei – insbesondere von ca. 1800 bis 1930 – eine weitere große Leidenschaft von mir, so dass mein Interesse sofort geweckt war.
Edvard Munch, einer der bedeutendsten Expressionisten, hat insbesondere in den letzten Jahren vor der Jahrhundertwende 1900 einige der spektakulärsten Bilder der Kunstgeschichte geschaffen und nicht nur das bekannte „Der Schrei“ oder die wunderschöne „Madonna“ oder das beklemmende „Vampir“. Viele, viele andere Bilder, einige, die ich schon in der Schulzeit beim Klassenausflug in der Stuttgarter Staatsgalerie bewundern durfte, sind auch von hoher Qualität und Ausdruckskraft.
Norwegens SATYRICON, die auch schon mit Orchester (auf ´Deep Calleth Upon Deep´ und ´Live At The Opera´) tätig waren und (nicht nur) dafür von den konservativen Black Metallern des Revisionismus und des Verrats angeklagt wurden, haben hier für die angepriesene, „einzigartige und von Kritikern und Fans hochgelobte Kunstausstellung“ im MUNCH-Museum in Oslo einen musikalischen Hintergrund geschaffen. Schon auf dem SATYRICON-Cover vom ´Deep Calleth Upon Deep´-Album von 2017 fand sich mit dem „Dødskyss/The Kiss of Death“ ein Gemälde von Edvard Munch von 1899.
Was wäre ich gerne in Oslo in dem 2021 spektakulär eröffneten Museum, muss mir jetzt aber die Ausstellung zu dem musikalischen Werk von Satyr und Frost dazu denken oder im Internet anschauen. Beeindruckend, dass die Bilder in einem dunklen Raum ausgestellt werden, was den Übergang zwischen den expressionistischen Farben und der Dunkelheit noch einmal spektakulär kontrastiert.
Edvard Munch hat es wie wenige Maler geschafft, mit seinen Bildern extreme Emotionen auszudrücken, insbesondere Angst und Schrecken und Agonie sind in seiner Malerei oft präsent. Er und seine Familie waren gekennzeichnet von Schwindsucht, Depressionen, frühem Tod, und – nach heutigen Maßstäben – dem „Borderline Syndrom“ und „bipolarer Störung“. Das ist natürlich ein guter Ansatzpunkt für die düsteren Fantasien von Satyr, den auch SATRYCON haben von Anfang an extreme Gefühlswelten und Kälte, Tod und Wahnsinn in ihr musikalisches Werk einfließen lassen.
Das hier präsentierte 56-minütige Instrumentalstück hat die Düsternis und die Angstzustände aus den jahrelangen Black Metal-Zutaten von SATYRICON destilliert und Frost hält sich schlagzeugtechnisch hier eher zurück. Es gibt ein durchgängiges Thema, das immer wieder aufgenommen wird. Die Musik ist eher ruhig und fließend, wenig Gitarren, es werden aber mit den zahlreich eingesetzten vielfältigen, oft klassischen Instrumenten, und old-fashioned Synthesizern immer wieder sonore düstere Höhepunkte geschaffen. Breaks, die eher Besinnliches mit Dunklem, Beklemmendem verbinden. Spartanische Klavieruntermalungen wechseln sich mit geschmackvollen Synthie-Einsätzen ab. Aus meiner Sicht haben Satyr und SATYRICON die Gemütszustände von Edvard Munch sehr gut eingefangen und die Musik kann die Gefühle, die ich bei der Betrachtung der Bilder wie den apokalyptischen Lithographien „Desire“ oder dem oben genannten „The Kiss of Death“ habe, sehr gut unterstützen, auch wenn ich beim Betrachten der Malerei ungerne Ablenkung habe.
Aber auch ohne die Kunstwerke von Munch funktioniert die Musik von Satyr und Frost hervorragend und die Spannung kann über die 56 Minuten aufrechterhalten bleiben, was bei Instrumentalstücken in meiner Rezeption eher die Ausnahme ist (abgesehen bei Ausnahmekünstlern wie POPOL VUH, die aber auch nicht komplett instrumental tätig sind). Ganz am Schluss erinnern ein paar Piepstöne an das großartige ´Echoes´, mein absolutes Lieblingslied von PINK FLOYD.
Für mich ist SATYRICON & MUNCH schon jetzt eine der wenigen gelungenen Verbindungen zwischen klassischer Kunst und Rockmusik in den letzten Jahren. SATYRICON gelingt es hier, die Merkmale ihrer Musik zwar ohne die metallische Härte, aber mit dem emotionalen Substrat des (Black) Metal einfließen zu lassen. Spannend. Nicht gerade zum Headbangen oder als Supermarktmusik geeignet.
Interessant die Information zur Kollaboration mit dem Gespräch zwischen Sigurd Wongraven (Satyr) und der für die Ausstellung verantwortlichen Kuratorin Trine Otte Bak Nielsen:
Zunächst nur digital erhältlich, ein physisches Produkt soll folgen
https://www.saitenkult.de/?s=Satyricon+
Punkte: 8.5 / 10