Richtig mitreißend ist erst der dritte Song, "Das seh' ich erst, wenn ich's glaube." Ein Rundumschlag gegen die Religion, ein Aufruf zu Toleranz. Eine Aufforderung, sich nicht überall einzumischen – getreu dem Motto "Leben und Leben lassen". Dazwischen immer wieder kleine Nickligkeiten gegen gesellschaftliche Fehlleitungen. Ein durchweg gelungener Song, der vor allem durch den Wechselgesang der Sänger Dennis Scheider und Nagel besonderen Reiz bekommt.
Kurz darauf folgt die oft schon zitierte Erkenntnis, dass es auf dieser Welt nichts Neues mehr zu entdecken gibt. Mit diesem Thema beschäftigt sich "Das halbvolle Glas des Kulturpessimismus." Dort heißt es: "Die besten Lieder sind gesungen, die besten Bücher sind geschrieben und so sehr wie Romeo und Julia wird sich niemand je mehr lieben." Und doch gibt es immer wieder Momente, die es lohnt, einzufangen, denn das, was war, kann unter Umständen von dem, was ist oder kommt, doch noch übertrumpft werden – wenn auch nur im privaten, sehr kleinen Rahmen.
Weitere Erkenntnisse werden in "Fotoautomat" gesammelt. Realistisch werden, Augen öffnen, auf die Straße gehen. Die eigene Wahrnehmung ist schön und gut, aber wenn man in die reale Welt schaut, gibt es vieles, das man so nicht sehen will. Betäubung – mal wieder – durch Ablenkung, das Leben neu ordnen. Musikalisch definitiv eines der Highlights des Albums.
Das "Wunschkonzert" beschäftigt sich im Grunde mit einer ähnlichen Thematik. Wie ein roter Faden zieht sich die Figur des Fremdkörpers durch das Album. Eine Sache, die man "Steady Fremdkörper" hoch anrechnen muss. Ohne in die Sparte des Konzeptalbums abzurutschen, findet man in allen Songs Parallelen zu den anderen. Leider setzt sich das allerdings ab und zu auch in der Instrumentalisierung fort, sodass sich einige Songs ziemlich ähneln, was bei Muff Potter aber keineswegs eine neue Erfahrung ist.
So oder so ähnlich kann man auch "Plötzlich tatsächlich" deuten, dessen Text sich um einen ideenlosen Autoren dreht, der nach vergeblichen Anstrengungen, seine kreative Krise in einen Text zu verpacken, letztendlich feststellt, dass gerade das alles noch viel schlimmer machte.
Nicht von seiner eigenen Ideenlosigkeit, sondern vom gesamten Umfeld angewidert ist der Protagonist in "Gestern an der Front", thematisch ein typischer Nagel-Text. Es geht um die Einöde, die kleine Stadt, die anwidert und der man am liebsten gestern vor morgen den Rücken zuwenden möchte, es aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht so einfach schafft.
Muff Potter stoßen übel auf. Ein stetiger Fremdkörper, wie bereits erwähnt. "Wie die Axt im Walde, wie ein Brocken im Fluss." "Steady Fremdkörper" findet in "Steady Fremdkörper" einen würdigen Abschluss. Das Album endet versöhnlich und fast schon massentauglich mit einem orchestralen Outro. Vorher eckt der Fremdkörper jedoch noch einmal an allen Ecken an. Mit fremdartigen Reimen und verwirrenden Phrasen ist er der Masse immer einen Schritt voraus und trickst sein Umfeld geschickt aus. Er ist immer noch unzufrieden mit sich und der Welt, aber er weiß, was er tun muss, denn: "Nur die Flucht nach vorn kann ihn jetzt noch retten."
Punkte: 7 / 10