Das Album „S&M“ baut sich im Prinzip auf drei Elementen auf: Zum einen die bekannte und gewohnte (Thrash)-Metal-Musik von METALLICA selbst, zudem die Orchester-Musik unter Leitung von Michael Kamen, und als dritter Punkt kommt, wie bei Live-Aufnahmen üblich, das Publikum hinzu. Zu Anfang des Albums ist auch noch eigentlich alles in Ordnung: Die Begeisterung des Publikums wird eingefangen, dazu ertönt dann das rein vom Orchester gespielte Intro „The Ecstasy Of Gold“. Der Song an sich hat zwar rein gar nix mit Metal oder METALLICA zu tun, aber ich mag ihn trotzdem irgendwie, und als Intro ist er sicherlich nicht fehl am Platze. Doch gleich danach beginnt dann das Unheil.
Schon beim ersten Song, dem Instrumental-Klassiker „The Call Of Ktulu“ bemerkt man das grundlegende Problem dieses Versuchs. Die Metal-Musik von METALLICA auf der einen und die klassischen Parts des Orchesters auf der anderen Seite klingen hier dissonant. War man vom Original überwiegend Gitarren-Power und fette Riffs gewohnt, kommen hier Posaunen und Geigenklänge dazwischen und erwecken eine seltsame Stimmung. Statt bei den im Original brachial rüberkommenden Riffs mitzugehen und mitzumoshen kratzt man sich verwundert an der Birne, weil plötzlich Flöten- oder Geigen-Töne der Power eines Thrash-Metal-Riffs entgegenwirken. Da ist nichts mit Moshen, sondern nur mit ungläubigem Staunen. Der Song kommt lediglich dann gut rüber, wenn das Orchester gerade mal Pause macht.
Hat man diesen langen Instrumental-Song, den man eventuell noch unter „zweites langes aber schlechtes Intro“ abhaken kann, überlebt, wird man gleich mit der nächsten Blasphemie konfrontiert. „Master of Puppets“ soll der nächste Song sein. Ist es aber nicht wirklich. In dieser komischen Orchester-meets-eigentlich-göttliche-Riffs-Version wird hemmungslos künstlich versucht, die Spannung und Intensität des Songs zu erhöhen. Wie soll das aber klappen, wenn neben schnellen Thrash-Riffs lahmarschige Streicher-Töne und langsames Posaunen-Getute ertönen und die Spannung bzw. die originalen Melodien völlig zerstören? Seit „In The Sign Of Evil“ von SODOM haben im Metal-Sektor wohl nicht mehr zwei Musik-Komponenten so gegeneinander statt miteinander gespielt wie in diesem Fall METALLICA und das Orchester.
Und das Schlimme ist: Es wird kaum besser. Ob „One“, „Enter Sandman“ oder auch „Sad But True“, das Orchester passt nicht zu den Songs. Lediglich bei Songs neueren Datums wie „Hero Of The Day“ oder dem ganz neuen „No Leaf Clover“ kann man erkennen, das wohl wirklich Band und Orchester zusammen auf der Bühne gestanden und versucht haben müssen, gemeinsam Musik zu machen. Hier passt die Kombination zumindest ein wenig, wobei mir die Songs aber generell nicht gefallen. METALLICA ist und bleibt für mich kein Alternative-Rock mit Geigen-Gefidel, sondern aggressive Thrash-Musik. Um ihre Musik in kommerziell ordentlicher Weise mit Orchester-Begleitung umsetzen zu können, haben sie einen großen Fehler gemacht: Die Song-Auswahl. Songs der ersten vier Alben hätten sie nie für dieses Projekt auswählen dürfen, denn aggressiven, traditionellen Thrash-Metal, wie METALLICA ihn auf ihren ersten vier Alben zum größten Teil gespielt haben, kann man nicht 1:1 mit Orchester-Begleitung umsetzen. Bei den neueren (meiner Meinung nach wesentlich schlechteren Songs) klappt das allerdings zugegebenermaßen stellenweise durchaus, was allerdings nur auf die Charts-Ausrichtung und Kommerzialisierung neuerer METALLICA-Songs hindeutet. Insgesamt bleibt festzuhalten: Während einerseits METALLICA einen maximal routinierten Gig mit mäßigen Publikums-Reaktionen runterzocken, kämpft ein Orchester dagegen an, dessen Musik eher nach einer Vertonung von Prokofieffs „Peter und der Wolf“ oder dem Soundtrack zu einer schlechten Winnetou-Kopie klingt. Hier wird krampfhaft versucht, zusammenzuführen, was nicht zusammengehört.
Fazit: METALLICA hätten auf diesem Album keine Songs der ersten vier Album verwursten sollen. Die Songs ab dem „Black Album“ sind bedingt orchester-tauglich, aber schon von Natur aus nicht wirklich gut. „No Leaf Clover“, „The Memory Remains“ und auch „Until It Sleeps“ klingen allerdings auf diesem Album besser als im Original, was aber nicht verwundern sollte, waren doch „Load“ und „Reload“ eigentlich nur Rohstoff-Verschwendung. Aber alle Thrash-Songs davor sind mit einem störenden Orchester versehen nur komplett ein schlechter Witz. Nur neue Songs zu spielen wäre künstlerisch schlüssig gewesen, hätte aber mit Metal soviel zu tun gehabt wie England mit dem Fußball-EM-Titel. Zumindest verzichten METALLICA zum Glück auf eine Vergewaltigung sämtlicher „Kill ’Em All“-Tracks, aber alleine der Versuch, Songs wie „Battery“ per Orchester aufzuwerten, ist ein tiefer Griff ins finsterste Flughafen-Klo von Wladiwostok. Der Metal-Fan geht kotzen und die Zielgruppe, die aus dem Mainstream kommt, wundert sich, was das für Störungen seiner sonstigen Charts-Gewohnheiten sind. Als Hintergrund-Musik beim Duschen oder Tanzmucke beim jährlichen Dorf-Karneval kann man diesen Doppeldecker aber immerhin gebrauchen.
Punkte: 1 / 10