Megaherz Wer Bist Du? (1997) - ein Review von DarkForrest

Megaherz: Wer Bist Du? - Cover
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1 Review
10
10 Ratings
7.90
∅-Bew.
Aka: Eins I One
Typ: Album
Genre(s): Metal: Heavy Metal, Industrial Metal


DarkForrest
22.02.2023 06:53

Dieses Jahr ist es soweit: Megaherz wird 30! Damit ist die Band nicht nur eine der ältesten im NDH-Bereich, sie ist sogar schon länger am Start als Rammstein, welche gerne mal fälschlicherweise als Gründer des Genres betrachtet werden. Allerdings haben Megaherz es relativ ruhig angehen lassen. Erst 1995 - also zwei Jahre nach der Gründung - gab es die erste Demo und mit "Herzwerk" auch schon sowas ähnliches wie ein Debüt-Album. Dieses war allerdings auf 500 Stück limitiert und ist daher nie wirklich unter ein breiteres Publikum gekommen. Als das erste "richtige" Album gilt daher "Wer Bist Du?" aus dem Jahr 1997, welches auch ein paar Songs von "Herzwerk" enthält und 2004 nochmal für den internationalen Markt als "Eins" bzw. "One" rereleased wurde. Damit kann man "Wer Bist Du?" also locker als offiziellen Start der Diskographie von Megaherz betrachten.

Und wenn man sich das heute so anhört, dann hat sich in 30 Jahren echt viel getan - sowohl bei Sänger Alexx als auch bei Megaherz. Sänger und Band haben sich in den frühen 2000'ern getrennt und musikalisch ziemlich auseinander entwickelt, aber sowohl Alexx mit Eisbrecher als auch Megaherz mit Lex Wohnhaas klingen heutzutage deutlich anders als das, was uns 1997 geboten wurde, was teilweise positiv, teilweise negativ sein mag.
Ich selbst bin irgendwann 2004 auf Megaherz aufmerksam geworden, als die "5" gerade draußen war und habe mir dann innerhalb kurzer Zeit direkt alle vorherigen Megaherz-Alben geholt, sodass "Wer Bist Du?" quasi von Anfang an für mich fester Bestandteil meiner Megaherz-Sammlung war, aber schon damals stach das Debüt für mich ziemlich hervor. Für jemanden, der eher die neueren Werke von Megaherz gewohnt ist, dürfte "Wer Bist Du?" ein ziemlicher Kulturschock sein.

Was klingt hier so anders? Das fängt schon beim Genre an. Neue Deutsche Härte war damals noch kaum existent und auch wenn wir hier und da ein paar grobe Hints haben, wie Megaherz und Co. später klingen sollten, würde ich das hier eher als eine Art deutschen Crossover bezeichnen. Alexx meinte glaube ich irgendwann einmal selbst, dass Clawfinger ein wichtiger musikalischer Einfluss waren und das hört man hier auch ziemlich deutlich raus. Hip Hop, Rock, Metal und Elektro treffen hier aufeinander und sind auf diesem Album unterschiedlich stark vertreten. Gleichzeitig klingt alles hier noch recht primitiv. Alexx rappt, schreit, brüllt und stammelt vor sich hin, aber singen war hier noch keine wirkliche Option. Keyboarder Noel Pix ist hier schon mit am Start und man hört seine Einflüsse, so richtig austoben darf er sich hier aber noch nicht und der Rest der Band beschränkt sich auf Musik, die selbst für NDH-Verhältnisse eher simpel ist.

Das klingt jetzt vielleicht erst einmal negativer als es ist, aber dieser sehr rohe Ansatz und der Sprechgesang haben auf jeden Fall auch Potential und wurden später auch nie ganz aufgegeben - "Ja, Genau" oder "Feindbild" wären da schöne Beispiele - und gerade die neueren Alben könnten für meinen Geschmack ein wenig mehr davon vertragen. Aber "Wer Bist Du?" ist mit 14 Tracks und über 50 Minuten Laufzeit kein kurzes Album und leidet mit der Zeit am damals noch etwas eingeschränktem Repertoire der Band. Die Songs klingen mitunter doch schon sehr ähnlich und wenn man sich alles am Stück geben möchte, vermisst man recht schnell etwas mehr Abwechslung.

Textlich geht es hier recht zünftig zur Sache. Megaherz setzen bis heute eher auf konkrete und alltagsrelevante Themen und direkte Texte, aber auf "Wer Bist Du?" erreicht das nochmal ein etwas anderes Level. Von stumpf bis hin zu "Puh, das könnte man heute wohl nicht mehr so bringen" ist quasi alles dabei. Lustigerweise wirkt Alexx hier teilweise erstaunlich verbittert und fertig mit der Welt, was man vielleicht eher am Ende seiner Karriere erwartet hätte und nicht in seinen 20'ern. Gleichzeitig werden ein paar Themen angeschnitten, die in der Theorie ganz interessant sein könnten, aber dann wieder derart grob mit dem Holzhammer bearbeitet werden, dass man absolut keine Chance hat, hier irgendeine lyrische Tiefe zu finden.

Das Album gibt direkt ziemlich Gas mit der ersten und einzigen Single "Gott Sein" - ein Song, welcher dadurch hervorsticht, dass er gerade kaum nach dem typischen Crossover-Sound des Albums klingt und eher auf klassische NDH-Merkmale setzt, die wir dann auch auf den späteren Alben häufiger hören werden. Der Titeltrack, der an zweiter Stelle folgt, ist dagegen schon eher repräsentativ für das Album: Alexx rappt über soziale Probleme und musikalisch wird das ganze erstaunlich facettenreich begleitet. Das ist insgesamt ganz nett, aber man merkt auch, dass jedes einzelne Element - Gitarren, Beats, Elektronik etc. - für sich genommen hier sehr einfach gehalten ist und der Song stark vom Zusammenspiel aller Komponenten wirkt.

"Schlag Zurück" ist dagegen ein gutes Stück härter. Es wird dabei noch nicht einmal ein besonders hohes Tempo aufgefahren. Ich würde sogar sagen, dass sich "Schlag Zurück" fast schon leicht unter Midtempo bewegt, aber die Energie, die Alexx hier vor allem im Refrain freisetzt ist trotzdem oder gerade deswegen beeindruckend, wodurch der Song auch heute noch gut reinhaut. "Das Leben" finde ich dagegen ziemlich langweilig. Das Riff, das den Song eröffnet, klingt noch einigermaßen vielversprechend. Danach stagniert alles jedoch zu einem ziemlich banalen und gleichförmigen Brei.

Danach haben wir die Kombination aus "Finsternis" und "Licht". Ersteres ist einfach nur ein kurzes Intro für zweiteres, aber ein gelungenes. Das kurze und simple Ambient-Stück garniert mit ein paar Sprachsamples bildet zu "Licht" mit seiner düsteren Stimmung ein passendes Gegenstück und sogar der Übergang ist super. "Licht" selbst ist ganz okay. Nichts Überragendes, aber auch hier kann der kraftvolle Refrain für ein paar Pluspunkte sorgen.

"Negativ" ist einer der wenigen Songs, die es von "Herzwerk" hierher geschafft haben. Was mir sofort auffällt ist dieses Elektrosample, das sich durch den ganzen Song zieht. Interpretiere ich da zuviel rein oder soll das sowas wie eine elektronische Version vom Riff von "Symphony Of Destruction" von Magedeth sein? Das wäre auf jeden Fall ein bisschen cool und auch so verleiht es dem Song auf jeden Fall eine eigene Note. Leider baut "Negativ" für mich viel zu sehr auf dieses eine Element auf und am Ende der nicht mal 4 Minuten bin ich gelangweilt. Bei "Kopf Durch Die Wand" ist der Name mal wieder Programm und die Band versucht mehr auf Power, Gewalt und brachiale Gitarren zu setzen und weniger darauf, einen guten Song zu schreiben. Als Filler für zwischendurch ist das okay, alles klingt ganz nett und brutal, aber "Kopf Durch Die Wand" hat auch wenig zu bieten, was es vom Rest des Albums hervorhebt.

Hervorstechen tut allerdings "Müde". Wer hätte gedacht, dass sogar "Wer Bist Du?" eine typische Depri-Ballade am Start hat? Obwohl, typisch? Nicht ganz: "Müde" kommt trotz allem sehr rockig mit fast schon so einer Art Country-Touch daher. Das macht den Song zumindest etwas origineller als einen Großteil vieler Eisbrecher-Balladen. "Krone Der Schöpfung" war auch schon auf "Herzwerk", wobei ich finde, dass es im Gegensatz zu "Negativ" etwas mehr zu bieten hat, was die Tatsache rechtfertigt, dass man es hier nochmal mit drauf genommen hat. Es wirkt zumindest ein wenig komplexer als die meisten Songs auf "Wer Bist Du?" und lässt sich auch heute noch ganz gut anhören.

"Tanzen Gehen" ist textlich entgegen des Titels und der beschwingten Melodie eher mal "Ich bin zu alt für diesen Scheiß" in Songform. Viel mehr kann ich dazu leider auch gar nicht sagen, da es inhaltlich wenig bietet und mich schnell langweilt. Bei "Die Gedanken Sind Frei" hat man vor lauter Provokation vergessen, das ganze mit guter Musik zu unterlegen. Teilweise dümpelt der Bass fast komplett ohne Begleitung stumpf vor sich hin. Aber immerhin schildert Alexx uns seine Gedanken in Gegenwart einer attraktiven Frau und brüllt uns immer wieder "Ficken werde ich dich!" entgegen - kreativ.

Auch ziemlich provokativ ist "Hänschenklein '97" (auch schon auf "Herzwerk" zu finden). Für Megaherz-Verhältnisse ist der Song erstaunlich brutal. Aber die ziemlich absurden Lyrics gepaart mit dem fast schon punkigen Sound machen tatsächlich ziemlich Laune. Und hey: es ist der erste Song der Megaherz-Tradition pro Album ein Märchen zu verwursten. Zum Schluss bleibt noch ein Remix vom Titeltrack, bei dem Noel Pix sich noch mal ein wenig austoben durfte. Das Ergebnis ist… akzeptabel. Der gute Noel Pix sollte später für deutlich bessere Remixes verantwortlich sein, aber es klingt jetzt auch nicht grottig. Es ist halt "Wer Bist Du?" mit mehr Betonung auf die elektronischen Parts. Wäre unter all den Songs des Albums nicht meine erste Wahl für einen Remix gewesen, aber als kleiner Bonus ist er ganz nett und da man ihn auf's Album gepackt und keine eigene Single draus gemacht hat, kann ich hier eigentlich nichts sagen.

Insgesamt muss ich aber sagen, dass "Wer Bist Du?" nicht wahnsinnig gut gealtert ist. Es kam für mich eh nie an "Kopfschuss" oder "Herzwerk II" ran, aber ich hatte es trotzdem von früher noch ein wenig besser in Erinnerung. Nett finde ich hier, wie viele Genres angeschnitten werden und mit wie viel Power und Leidenschaft die Band hier schon dabei ist, ihre Songs an den Mann zu bringen. Weniger nett finde ich, wie einfach gestrickt die meisten Songs am Ende sind und wie wenig abwechslungsreich das Album trotz der vielen einzelnen musikalischen Einflüsse bleibt. Gerade in den 2010'ern haben Megaherz mit ihrem aktuellen Sänger Lex immer mal ganz gerne alte Songs neu aufgelegt, wobei die Songs auf "Wer Bist Du?" bis jetzt noch kein Remake spendiert bekommen haben. Ich frage mich warum. Klar: Das Songwriting an sich ist hier schon nicht gerade das beste, aber ein paar gute Ansätze sind ja durchaus da. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass gerade diese alten Stücke von einem neuen Anstrich profitieren könnten.

Trotz aller Kritik ist "Wer Bist Du?" für mich jetzt auch kein schlechtes Album. Es bleibt nur ein wenig hinter den meisten späteren Releases der Band zurück. Wer die anderen Megaherz-Alben mit Alexx mag, der macht hier jetzt auch nicht grundsätzlich was falsch, wenn er sich den Erstling zulegt und für alle Fans der neueren Megaherz-Alben und Eisbrecher-Hörer dürfte das hier zumindest eine interessante kleine Zeitreise sein.

Punkte: 5 / 10


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