Dass Architektur gefrorene Musik ist und Musik somit nur flüssige Architektur stellt Maeckes mit KIDS eindrucksvoll unter Beweis. Nichts scheint auf diesem Album dem Zufall überlassen und alles von vorne bis hinten beabsichtigt.
Beim druck auf Play kriegt man mit dem Intro “Grinsende Gleichgültigkeit” gleich einen Schlag mitten vor den Kopf. Kein sich aufbauender Beat, keine Hymnen. Nur Schreibmaschinenklappern, dass sich fast unerträglich langsam zu einem minimalistischen Beat aufbaut. Begleitet von im Gleichton gerappten letzten Gedanken eines 9 jährigen Kindes, das seinen Abschiedsbrief von einer bizarren Welt teilnahmslos auf eine Rechnungsrückseite tippt. BAM
Da steht man und denkt sich allein dabei schon: Ja genau, was denkt man dabei? Etliche Gedanken fliegen durcheinander, man kann auf einmal nichts mehr richtig begreifen und wird mit Gewalt in diese von Maeckes konstruierte Welt reingedrückt. Ob man will, oder nicht.
Mit dem zweiten Song “Graustufenregenbogen” verhällt es sich ähnlich. Man kriegt einen Querschnitt durch eine Welt, in der selbst Kinder keine Hoffnung und keinen Frohmut mehr kennen und Erwachsene sowieso nur den Abschaum der Gesellschaft darstellen. Das ganze wird, allerdings diesmal mit einem eingängigen Beat, samt Instrumentalpassage, die Zeit zum verarbeiten lässt, aufgelockert.
Ab de 3. Song fährt das Album richtig auf. Nun wird sich jeweils 1 Hauptthema rausgepickt, dass fachgemäß Stück für Stück, wie ein Puzzle diese dystopische Welt beschreibt, die wie eine nahezu greifbare Schattenversion der unsrigen anmutet. Ob auf “Würgegriff des Glücks” die Glückssucht und Entmenschlichung oder auf “Seifenblasen platzen nie” Paradoxe Sachverhalte, beschrieben werden, geschieht dies stehts auf sehr poppig anmutenden synthethischen Beats, die meist noch ein Live-Instrument, wie Gitarre, oder Saxophon irgendwo zur Auflockerung aufgebaut haben. Gleichzeitig werden in “Kindisch wie du” und “Das letzte Mal” Lösungsvorschläge angeboten um aus dieser depressiven Welt zu fliehen, indem man einfach wieder kindisch wird, weil es das neue cool ist, oder die kleinen Momente im Leben einfach mehr schätzt.
Allgemein zeichnen sich die Lyrics durch ein kaum beschreibbares bizarres Element aus. In “Betrunkene Kinder” etwa kidnapped der Erzähler ein Kind und macht es betrunken um die Wahrheit zu erfahren, weil Betrunkene und Kinder ja bekanntlich die Wahrheit sagen. Dabei wirkt der Erzähler geradezu verzweifelt und durchgeknallt, weil er davon ausgeht, dass sich die Wahrheit auf diese Weise wie eine mathematische Lösung finden ließe.
“Heimweg.avi“ beschreibt jemanden, der, anscheinend betrunken, den Heimweg sucht und dies per Kamera festhällt, während bei “4 Uhr Nachts” ein Kind einsame auf dem Spielplatz vor einem Lagerfeuer sitzt und über sein Leben philosophiert. Beide Songs bauen erschreckende Bilder auf, die genauso auch Heute gut denkbar wären.
Abgerundet wird das ganze von dem Schlusssong “Idioten” (Das Piratenlied zähle ich mal einfach als sympatischen Skit), der über die namensgebenden Idioten erzählt, die ihren Träumen nachjagen und denen eigentlich die Welt gehört.
Das Album entfaltet wegen mehreren Tatsachen einen ganz eigenen Flavour, der einen gefangen nimmt und bis zum letzten Song nicht mehr entlassen will. Zum einen ist die Mischung aus durchaus poppigen, eingängigen Beats, Catchy Hooks und gleichzeitig sperrigen Lyrics etwas noch nie dagewesenes im deutschen Rap. Zum anderen wurde hier eine persistente Welt erschaffen, die liebevoll bis ins kleinste Detail ausgearbeitet wurde. Das Album dürfte aber gerade deswegen wohl Geschmackssache bleiben. Jeder Rapfan sollte dem ganzen trotzdem zumindest eine Chance geben.
Punkte: 8.5 / 10