Man bekommt value for money, denn das Album besteht zum einen aus dem eigentlichen Studioalbum, zum anderen gehört aber noch eine LP mit Liveaufnahmen aus dem selben Jahr dazu. Auf das Livealbum möchte ich an dieser Stelle nicht im Detail eingehen, aber es sei gesagt dass es sehr hörenswert ist und das Album gut ergänzt – die Hälfte der Lieder stammt vom grandiosen Vorgängeralbum 'Muswell Hillbillies'.
Nun aber zum eigentlichen Album. Man wird direkt beschwingt in den Staralltag eingeführt. 'Here comes yet antoher day' rattert durch jenen Alltag voller Oberflächlichkeit und ohne Zeit mal runterzukommen. Zwischen den Zeilen deutet sich der baldige Zusammenbruch an, niemand hält dieses Tempo dauerhaft durch (obwohl, wie lange ist Bob Dylan schon auf seiner Never Ending Tour?).
Das Thema 'Essen' verfolgt die Band (leider ohne komplettes Konzeptalbum dazu), so auch in 'Maximum Consumption'. Hier ist essen nur noch das am Leben erhalten, der Protagonist muss fit bleiben um das ganze Touren durchzustehen. Besonders gesund klingt das besungene Essen nun nicht grade, das kann auch nicht lange gut gehen. Plötzlich, Wechsel der Szenerie. In 'Unreal Reality' fragt er sich ob dieser Reichtum, der ihn umgibt, eigentlich überhaupt echt sein kann und man sich nicht vielleicht fantasiert. Ich mutmaße es geht um die Zentrale der Plattenfirma. Das waren Zeiten. Na gut, das sind sie immernoch, aber die Plattenfirmen protzen nicht mehr so gerne dermaßen offensichtlich, das passt nicht zum schlimmen Wegen-Raubkopierern-Müssen-Wir-Hungern-Gejammer. Naja, das Lied ist eine Unterbrechung der Essenthematik, denn schon das nächste Werk heißt 'Hot Potatoes', ha. Ein komisches Lied - er solle sich einen Job suchen, sonst macht die Freundin kein fancy Essen mehr, sondern nur noch Kartoffelbrei? Wie passt das zum Album? Diese Hymne an die Liebe und die Kartoffel und die Liebe zur Kartoffel beschreibt wie scheißegal dem Protagonisten die Extravaganz des ausschweifend wohlhabenden Lebensstils sei, solange es nur mit der Liebe stimme. Ja, das lassen wir mal so stehen, denn eigentlich sollten wir gedanklich woanders sein, und da werden wir mit 'Sitting in my Hotel' auch ganz schnell wieder hingebracht. Der Herr Star sitzt, wie der Titel schon sagt, in seinem Hotelzimmer. Und das sitzt er so ganz alleine, umgeben von dem ganzen Starrummel, und denkt darüber nach wie das wohl seine alten Freunde finden. An dieser Stelle trieft das autobiografische schon fast zu aufdringlich aus dem Lied.
They would see me in my hotel,
Watching late shows till the morning,
Writing songs for old time vaudeville revues.
All my friends would ask me what it's all leading to.
Ja, das fragten sich wohl nicht nur die Freunde wo diese theatralische Kinks-Schaffensphase hinführen würde. Eigentlich ganz lustig dass er das selbst auf dem Album aufgreift – sozusagen auf die Gedanken des Hörers präventiv antwortet.
Wie gehts auf der B-Seite weiter? Auf der Autobahn. 'Motorway', ein flottes Lied über die Einöde der Autobahn, welche man ja auf Tour den ganzen Tag sieht. Und um Essen gehts natürlich auch mal wieder, das Thema kam schon zu lange nicht mehr. Es folgt die Sinnfrage in 'You don't know my name'. Welchen Sinn macht es permanent unterwegs zu sein wenn das mit richtigen Superstardasein doch nicht so ganz klappen will? So verstehe ich das zumindest, aber es ist auch schön wenn einen Texte verwirren können. Vielleicht lässt das alles auch ganz andere Deutungen zu.
Ab in die Utopie, ins 'Supersonic Rocket Ship'. Da muss ich mir um Deutungen keine Gedanken machen. Das Lied hat schon wirklich ein enormes Ohrwurmpotential, ich litt bereits des öfteren darunter. Nobody has to be hip...
'Look a little on the Sunnyside' ist hinter der recht optimistischen Ufftata-Fassade eine bösartige Abrechnung mit den Kritikern, die aufgrund der zunehmenden Sperrigkeit des Kinks-Schaffens der Band immer weniger zugeneigt waren. Bösartigkeit in freundlichen Liedern verstecken ist die hohe Kunst des fiesen Liedguts. I love it. Das Album braucht noch ein etwas versöhnlicheres Ende. Zum Glück kommt noch eines der großen Werke der Kinks, 'Celluloid Heroes'. Es erstreckt sich untypischerweise über mehr als 6 Minuten und greift jede Menge Starbiografien auf um wohl den Albuminhalt noch einmal zu unterstreichen. Letztendlich sind es alles auch nur Menschen mit Problemen, und am schönsten wäre das Leben nicht als Star im echten Leben, sondern als Star im Film. Unsterblichkeit, Schmerzlosigkeit, das wäre doch schön. Nunja, ich weiß nicht. So ein Leben zum Beispiel als James Bond ist auch furchtbar anstrengend, und nur in der Hängematte liegen kann man wohl in keinem Film – irgendwas ist immer.
Erstveröffentlichung: www.tantepop.de/2013/01/album-fur-album-kinks-everybodys-in.html
Punkte: 8.5 / 10