Vorbei ist es vorerst mit Liedern, zu denen man sich ein Glas Rotwein gönnt und dabei wahlweise in Herzschmerz oder Selbstmitleid verfließt. "Sing What You Know" bietet Biermusik, obgleich diese Bezeichnung nach wenig Niveau klingt, aber davon hat dieses Album mindestens genauso viel wie der Vorgänger. Musik jedenfalls, die offensiv ist, zu der man wild in der Gegend rumhüpfen und die ganze Welt umarmen will. "Here, of all Places" hatte diese Lieder bereits auch schon, aber umgeben von Depression und Schwermut traute man sich nicht so recht, sich von seinem Stuhl zu erheben.
"Sing What You Know" provoziert das förmlich, wenn "Maria" vom einen zum anderen Moment in eine Happy-Mood-Up-Tempo-Nummer mutiert oder "The Radio" mit einem spontanen Break überrascht und diesen mit einem unglaublichen Schlagzeuggroove füllt. "And I know you never hear this on the radio." Felix Gebhard – Verzeihung: Home of the Lame – geht nicht mit dem Zahn der Zeit und folgt erst recht keinem Trend. Er macht, was er macht und das macht er gut. "Sing What You Know" klingt erwachsener, offener als "Here, of all Places". Es gibt Background-Gesänge und viele verspielte, facettenreiche Instrumentierungen. Thomas Burhorn zum Beispiel steuert ein paar Trompeten bei und Mats Bengtsson, mit dem Gebhard im Herbst 2007 als Duo auf Tour war, spielt das Akkordeon in "Said and Sung." "Sing What You Know" hat viele Einflüsse genossen, die ihm in keinster Weise geschadet haben. Wie jede andere Home of the Lame-Produktion ist "Sing What You Know" unglaublich perfektionistisch produziert. Man hat das Gefühl, jeder Ton wurde einzeln stundenlang genauestens überlegt, um ins Gesamtbild zu passen.
"Engine" beschäftigt sich mit dem Gegenteil von eben angesprochener überlegter Perfektion, mahnt vor überhasteten Aktionen, vor zu viel Aktionismus. Dinge, die im Moment des Tuns in sich völlig Sinn ergeben, aber im Nachhinein einfach nicht hätten sein müssen, im Prozess des Geschehens beobachten und im richtigen Moment aufhören. Selektion statt Reizüberflutung. Worte, die man sich zu Herzen nehmen sollte.
Plötzlich ist er doch wieder da, dieser Schwermut. "Food for Song" und "What You Were About" spiegeln sie wider, diese "Old Songs", die Gebhard im ersten Song anspricht. Und es ist gut, dass sie da sind, denn ohne sie hätte man Mühe zu glauben, dass der "Sing What You Know"-Gebhard der Gleiche ist, der etwas mehr als zwei Jahre zuvor "Here, of all Places" geschaffen hat. Zu Felix Gebhard gehört gewissermaßen eine sympathische Verschlossenheit, eine Undurchdringlichkeit.
Undurchdringlich ist wohl auch die Frage, wie man dazu kommen kann, in einem Song über Herzensangelegenheiten auf einmal auf Ackerwirtschaft zu verweisen. Felix Gebhard jedenfalls hat uns durchschaut und lange schon überholt – auf seiner eigens gebauten Überholspur. Es ist ein "Narrow Path", aber er ist ohne Frage "on the right way, I know." "A Narrow Path" überrascht mit Peta Devlin als weiblicher Duettstimme in der letzten Strophe, die sich ausgezeichnet mit Felix Gebhards tiefer Bass-Stimme versteht.
Melancholisch wird es noch einmal im abschließenden "Said and Sung", in dem Gebhard ein letztes Mal mit der Vergangenheit abschließt und vor Übermut und zu hohen Erwartungen warnt. Der Bogen zu "Old Songs" wird gespannt, erneut hebt er den Zeigefinger und warnt davor, zu hassen, was man einst geliebt hat. Nach zweieinviertel Minuten bricht der Song aus sich heraus, ein letztes musikalisches Aufbäumen gegen das nahende Ende des Albums. Jeglichen Selbstzweifeln zum Trotz, Felix Gebhard kann man nur seine eigenen Worte mit auf den Weg geben: "Said and sung. I think you should loved what you have done." Gut finden, aufstehen, mittanzen.
Punkte: 8.5 / 10