Berlin. Ich mag die Stadt. Es ist schön, an einem Sonnentag stundenlang hindurch zu laufen und sich über die ganzen Gegensätze zu wundern. Der Reiz an Berlin ist sicher auch, dass es tatsächlich versucht, trotz seines Geldmangels sexy zu sein. Berlin ist also zugleich hip und alternativ. Das sind auch zwei gute Stichworte zur Beschreibung des Phänomens "Retro-Rock". Er ist unter Musikern wie unter Fans gerade sehr in Mode und bietet zudem wohl eine gern gehörte Alternative zu allem, was höher, weiter und vorwärts ist. Und auch Berlin hat mittlerweile eine ganz schlagkräftige Vintage-Rock-Band zu bieten, nämlich KADAVAR. Selbige spielt auf dem renommierten Hammer Of Doom-Festival als Freitags-Headliner, was toll ist für eine noch aufstrebende junge Band. Und jetzt schickt sich mit HEAT eine weitere Hauptstadt-Band an, mit ihrem zweiten Album (das Review zum selbstbetitelten Debüt gibt es hier) aus dem Windschatten des KADAVAR in die weite Welt des Seventies-Booms zu preschen.
Ich muss tatsächlich ein wenig schmunzeln, während ich den Opener 'Siamese Smile' höre. Klar, es ist wirklich exakt der Sound, den momentan so viele Bands spielen und selbst meinereiner, der diesen Boom lebt und liebt, fragt sich, warum der Musikfan nun auf die Idee kommen sollte, jetzt also auch noch diesen Rundling von HEAT in seine schnell wachsende Rückwärts-Sammlung aufzunehmen. Aber hey, die Musik fetzt einfach. Asbach-Uralt-Sound, Links/Rechts-getrennte Gitarren mit knackigen Riffs, Twin-Leads und einfache, bluesige Soli, damit wird der Urinstinkt des Rockmusik-Hörens geweckt. Spätestens beim dritten Stück 'Golden Age' hat man sich eingegroovt, und wenn das Stück dann im Mittelteil mit Mellotron und Akustik-Gitarre auch noch die proggig-epische Seite der Band zeigt, weiss ich, dass auch "Labyrinth" seinen Platz im CD-Regal verdient hat.
Wie oft diese HEAT-Langrille auf Dauer im CD-Schacht rotieren wird, kann nur die Zeit beantworten, denn man will schliesslich auch noch die Ikonen wie WISHBONE ASH oder STEPPENWOLF und auch die ganzen tollen Epigonen wie DEAD LORD, WITCHCRAFT und GRAVEYARD hören. In deren Liga spielt HEAT auf Albumlänge noch nicht ganz, insbesondere den angepriesenen Gesang finde ich persönlich nicht ganz so charismatisch wie bei der schwedischen Konkurrenz, und manche Song könnten doch noch einen Tick eigener Note vertragen. Denn wie gesagt, sehr viele Bands spielen diesen Stil gerade. Ein gut klingendes und absolut hörenswertes Album für Genre-Fans ist "Labyrinth" aber allemal.
www.powermetal.de, 6.09.2014
Punkte: 7.5 / 10