Wer also auf Bands wie Gojira (Songwriting), Meshuggah (Riffing) und vor allem Textures (Abwechslung) steht, der braucht gar nicht groß weiterlesen, sondern kann sich "Amoeba" gleich auf seinem Einkaufzettel notieren. Für mich persönlich ist dies schon eines der Highlights des noch jungen Jahres 2007! Denn "Amoeba" der Franzosen HACRIDE stellt ungefähr das dar, was das Album "Drawing Circles" von Textures im letzten Jahr war. Mit geradezu spielerischer Leichtigkeit verknüpfen die Jungs Polyrhythmus-Riffing, unzählige Breaks, ruhige Passagen und brutalen Schreigesang zu einer faszinierenden Melange, die durch die druckvolle Produktion dem Zuhörer den Staub aus den Gehörgängen bläst. Mag sich beim ersten Durchlauf noch vieles gleich anhören, so wird man mit jedem weiteren Anhören mehr und mehr Details erkennen. Und davon gibt es einige. So gehen z. B. kleine, melodische Gitarren-Fills im ersten Song "Perturbed" schon fast unter in der Vielschichtigkeit der Musik. Der zweite Song "Fate", der den Zuhörer durch das ruhige Intro erst in Sicherheit wiegt, bevor das Inferno dann über ihn hinein bricht, bietet durch den Wechsel von ruhigen zu schnellen Passagen und umgekehrt eine formvollendete Dynamik und beinhaltet nebenbei noch einige der technisch anspruchsvollsten Passagen der Scheibe. Völlig abgefahren wird es dann beim vierten Song "Zambra", der eine Coverversion der spanischen Kapelle Ojos de Brujo darstellt, die in ihrer Heimat mit ihrem Mix aus Hip Hop und Flamenco ziemlich erfolgreich sind und bei diesem Song auch mit HACRIDE zusammengearbeitet haben. So entpuppt sich dann auch der Song als eine überraschend gut funktionierende Mischung aus modernen, brachialem Metal und Flamenco-Einflüssen.
Wobei es allerdings insgesamt nicht ganz einfach ist, wirklich einzelne Songs besonders hervorzuheben. Jedes der insgesamt 10 Stücke (darunter ein Instrumental) bewegt sich auf dem gleichen hohen Niveau. Was auch kein Wunder sein sollte, denn die Band verbarrikadierte sich vier Monate im Studio, um diesen Geniestreich einzuspielen. Und dass die Musiker alles andere als blutige Anfänger sind, hört man sofort heraus. Mit beeindruckender Leichtigkeit zaubern die vier Franzosen einen Hammerpart nach dem anderen aus dem Ärmel und bedienen sich dabei der ganzen Bandbreite des extremen Metals. Besonders fällt natürlich die exzellente Gitarrenarbeit auf, aber auch der Rest der Truppe ist ein Highlight für sich. Den einzigen, aber wirklich nur sehr kleinen Kritikpunkt könnte man im Bereich des Gesangs anführen. Denn hier und da würde man sich etwas mehr Variationen im Gesang von Samuel Bourreau wünschen, der fast durchgängig nur am schreien ist und ruhigere Töne oder cleane Passagen nur selten anschlägt. Aber dies ist ein vernachlässigbarer Faktor bei einem Album, das eine enorme Langzeithaltbarkeit aufzuweisen hat. "Amoeba" läuft seit einer Woche fast ununterbrochen bei mir und zeigt nicht den leisesten Hauch von Abnutzungserscheinungen.
Dies ist eines der Alben, bei dem man auch nach der x-ten Wiederholung noch neue Details entdeckt, das dabei aber gleichzeitig nicht zu kopflastig, zu vertrackt, zu sperrig ausgefallen ist. Wem Meshuggah eine Spur zu heftig ist, aber trotzdem Musik mit Anspruch sucht, ist bei HACRIDE und "Amoeba" bestens aufgehoben. So hat sich moderner, eigenständiger Metal anzuhören!
(Review zuerst veröffentlicht auf: http://www.osnametal.de/art_cds.php?view=alphabet&letter=H&id=1015)
Punkte: 9 / 10