Die Guano Apes melden sich nach erfolgter Reunion und 8 Jahre nach dem letzten Studioalbum, dem grandiosen "Walking On A Thin Line", zurück mit einem neuen Werk. Was da unter den Laser kommt ist allerdings alles, aber nicht das Album auf das tausende Apes-Fans fast eine Dekade gewartet haben.
"Bel Air" vermisst alles, aber auch alles was je ein klassisches Album der Apes ausgemacht hat. Abgedrehte Alternative Rock-Hymnen wie "Dödel Up", "Lords Of The Boards" oder "Suzie" weichen monotonem, ideenlosem Pop-Rock, der sich in Originalität wie im Härtegrad kaum noch von Radio-Schnachnasen wie Silvermond oder Revolverheld unterscheidet. Große Melodien wie in "Pretty In Scarlet" oder "Living In A Lie" sucht man auf dem ganzen Album vergebens, die in Belanglosigkeit zerlaufenden Hooks wären nämlich auch auf einem Marianne Rosenberg-Album nicht deplaziert. Die unglaubliche Durchschlagskraft und Härte von Songs wie "Open Your Eyes", "You Can't Stop Me" oder dem bisher letztem Lebenszeichen der Göttinger, "Break The Line", ist fast vollkommen verschwunden und blitzt nur stellenweise auf wie eine Vision aus einer längst vergangenen, glorreichen Zeit. Die Produktion ist derart aalglatt, dass jedes Pop-Sternchen sich danach die Zunge lecken würde.
Natürlich, spieltechnisch haben die drei Jungs nichts verlernt und Sandra ist immer noch eine der besten weiblichen Röhren weit und breit. Aber damit kann man diese "Kompositionen" auch nicht vor dem Totalruin retten...
Einzig herausstechen tut die Single-Auskopplung "Oh What A Night", die zumindest ansatzweise an die Genialität, Originalität und Bissigkeit errinnert, die die Apes mit ihren ersten drei Alben an den Tag gelegt haben. Was der Rest dieser Silberscheibe darstellen soll, ist für mich allerdings ein wohlgehütetes Rätsel. Fakt ist, dass selbst Sandra Nasic's Solo-Album "The Signal" mehr zu sagen hatte als diese lauwarme Brühe hier.
Ich weiß, das Geschrei ist groß wenn alte Bands eine Reunion wagen. Das Geschrei ist noch größer wenn sie sich dann stellenweise von ihrem alten Stil entfernen. Und ich stehe so gut wie immer dahinter und versuche, das positive daran zu sehen. Und gerade unter diesem Gesichtspunkt lautet meine Aussage:
Dies ist eines der schlechtesten Reunion-Alben aller Zeiten.
Dies ist das mit ABSTAND schlechteste Guano Apes-Album aller Zeiten.
Wer die Apes liebt, sollte sich von diesem Ding fern halten, um sich selbst die Seelenqualen zu ersparen, die ich beim Durchhören durchleben musste.
Wer mutig genug ist, sollte vor einem Blindkauf trotzdem IN JEDEM FALL reinhören.
Wer nicht weiß, wer die Guano Apes sind, sollte lieber für ein paar Euro eins der alten Alben (am besten "Walking On A Thin Line") abgreifen und "Bel Air" meiden, bis er weiß was die Band eigentlich auf dem Kasten hat.
Wer auf lauwarmen Elektro-Pop-Rock mit weiblichem Gesang steht und alle Silbermond- und Juli-CDs im Schrank stehen hat, darf das hier durchaus mal antesten. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob nicht selbst erwähnte Alben in ihrem Genre besser sind als "Bel Air".
Punkte: 2 / 10