Aber von Anfang an: Glücklich über eine Live-DVD, legt man diese ein und erfreut sich der ersten Töne von "American Idiot" und des beeindruckenden Anblicks von Milton Keynes (England), wo das Konzert aufgenommen wurde. Kraftvoll und vielversprechend legt die Band los, doch spätestens nach dem fünften "England!" und dem dritten "Allright!", die sich bereits im ersten Song andeuten, erreicht auch der geduligste Mensch irgendwann sein Maximum. Man ist versucht, die Skip-Taste zu betätigen, aber das ist bei einer DVD immer etwas schlecht. Also schaut man notgedrungen weiter.
Irgendwann kommt der Gedanke: Hey, sind Green Day live nicht eigentlich immer zu viert? Ja, das sind sie. Auf dieser DVD augenscheinlich nicht. Tré Cool, Mike Dirnt und vor allem der bis zum Erbrechen immer wieder angezoomte Billy Joe Armstrong nehmen fast die gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch. Jason White, der zweite Gitarrist, von dem man nach wie vor nicht so richtig weiß, was er eigentlich genau mit der Band zu tun hat, taucht höchstens mal am Bildschirmrand auf, wenn Armstrong ausnahmsweise mal nicht achtfach vergrößert erscheint.
So kommt es dann auch, dass schon "American Idiot" die Fronten klar klärt: Billy Joe Armstrong stellt sich mit seiner Gitarre - die er für den Moment übrigens nicht braucht, weil White für ihn die Drecksarbeit übernimmt und das markante Riff bis zum Zerbersten spielt - auf den riesigen, ins Publikum ragenden Steg und lässt sich feiern, als hätte er gerade das beste und längste Gitarrensolo der Welt gespielt. Davon träumt er vermutlich nachts.
Nachdem man die ersten viereinhalb Minuten mit Müh und Not überstanden hat, hofft man beim zweiten Track auf Besserung. Doch daraus wird nichts, denn erstmal kommt ein komischer Interview-Einspieler, dessen Inhalt ganz offensichtlich nicht wirklich relevant ist, wenn man das Konzert gucken möchte. Zu dem Zeitpunkt, wenn man alle Knöpfe der DVD-Fernbedienung erst nacheinander und dann gleichzeitig gedrückt hat, ist klar: der Mist lässt sich nicht ausschalten. An dieser Stelle wurde "Bullet in a Bible" ohne Wenn und Aber aus meinem DVD-Player entfernt.
Nach einer mehrtägigen absoluten Verweigerung wurde der zweite Versuch gestartet, um wenigstens mal alles vom Konzert gesehen zu haben. Durch das ständige Betätigen der Skip-Taste bei Einsetzen der Zwischenfilmchen gerät das Konzert jedoch jedes Mal wieder aus dem Fluss. Dazu kommt, dass es noch einen weiteren nervigen und dauerhaften Nebeneffekt gibt: das Bild wechselt unaufhörlich und in unerkennbarem Rhythmus und Zusammenhang zwischen Schwarzweiß- und Farbbildern.
"Boulevard of Broken Dreams", der Hit zu Erscheinen der DVD, fängt gar nicht erst mit Live-Bildern an, sondern zeigt die Band - konkret also drei Viertel der Band - in einem dem Videoclip ähnlichen Umfeld, bis dann nach einigen Sekunden erst wieder auf die Livebilder umgeschaltet wird. Auch dieses "Feature" lässt sich - welch Überraschung - nicht unterdrücken.
Zu erwähnen ist vielleicht noch, daß das Konzert - sofern es denn das gesamte Konzert ist, denn im Booklet ist ein als Hase kostümierter Mensch zu sehen, der auf der DVD mysteriöserweise nicht einmal im Ansatz auftaucht - mit 14 Songs und knapp über 60 Minuten Spielzeit äußerst kurz.
Durch diese extremen Einschränkungen hat man dann auch keine Lust mehr, die weiteren Aspekte dieser DVD zu entdecken. Einzig die beiliegende CD, die zum Glück nur das Konzert und keine nervigen "Zusatzfeatures" beinhaltet, bietet einen kleinen Lichtblick. Insgesamt ist diese DVD ein klarer Fehlschuss.
Punkte: 3.5 / 10