Fear Factory Recoded (2022) - ein Review von DarkForrest

Fear Factory: Recoded - Cover
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1 Review
2
2 Ratings
7.75
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal: Industrial Metal


DarkForrest
07.01.2024 08:58

Fear Factory und Remixes waren von Anfang an zwei Dinge, die sehr gut zusammen funktioniert haben. Selbst zu ihrem Debüt “Soul Of A New Machine”, dass damals noch deutlich Death Metal lastiger daherkam, gab es mit “Fear Is The Mindkiller” schon die erste Remix-EP, welche die Songs recht gelungen in ein neues Elektro-Gewand einkleidete. Den Höhepunkt hat das Ganze dann damit erreicht, dass “Demanufacture” mit “Remanufacture” ein komplettes Remix-Album spendiert bekommen hat, welches nochmal eigene Singles hervorbrachte. Das hat auch für ein paar echt schräge Songs gesorgt, die sich schon sehr weit weg bewegt haben von dem, was Fear Factory eigentlich so machen - man denke nur mal an die seltsamen Gabba-Remixes.

Obwohl es danach keine reinen Remix-Alben mehr gab, sind zumindest bei den Bonustracks der späteren Alben ziemlich regelmäßig einzelne Remixes aufgeploppt und die waren größtenteils auch recht ordentlich und aufwendig produziert, sodass ich mich schon länger gefragt habe, ob und wann man sich denn mal wieder an ein zweites Remix-Album im Stil von “Remanufacture” trauen würde. Tja und ausgerechnet 2022 - ein Jahr nach Erscheinen von “Aggression Continuum” - spendiert man dann dem neuesten Album mit “Recoded” ein vollwertiges Remix-Album.

Das Timing hätte kaum besser sein können - abgesehen davon, dass Fear Factory 2022 noch damit beschäftigt waren ihren neuen Frontmann Milo Silvestro einzuarbeiten und auf diese Weise direkt mal neues Material hatten, um die Zeit zum nächsten Album zu überbrücken, ist “Aggression Continuum” meiner Meinung nach auch das ideale Album für so ein Vorhaben. Zuerst einmal bot das Original-Album absolut gar kein Bonusmaterial, was für Fear Factory Verhältnisse schon recht ungewöhnlich ist. Da ich das Album aber wirklich ordentlich fand, bin ich absolut dabei, wenn es darum geht, mehr davon zu bekommen. Auf der anderen Seite sind die Songs von “Aggression Continuum” zwar durchgehend solide bis großartig, aber vergleichsweise wenig experimentell, was wiederum viel Potenzial für Remixes bietet.

Vom Konzept her ist “Recoded” ganz genauso aufgebaut wie “Remanufacture” - jeder Song des Albums hat genau einen Remix spendiert bekommen. Außerdem wurde die Reihenfolge der Songs wieder neu aufgebaut. Und nicht zuletzt merkt man auch hier, dass viel Wert darauf gelegt wurde, wirklich etwas Neues zu erschaffen, was sich auch darin widerspiegelt, dass jeder Track einen neuen Songtitel bekommen hat. Ihr werdet hier also keine Tracks Namens “Disruptor Remix” finden, die dann genauso aufgebaut sind wie das Original, nur etwas tanzbarer gemacht, indem man einen catchy Beat drüber gelegt hat. Man merkt auch, dass alles ziemlich gut durchdacht und produziert wirkt, was sicherlich auch daran liegt, dass sich hier wieder Veteranen wie Rhys Fulber austoben durften. Lediglich komplett neue instrumentale Songs, wie man sie auf “Remanufacture” noch gefunden hat, gibt es hier leider nicht, wobei ich aber auch sagen muss, dass die beiden Tracks “Bionic Chronic” und “Refinery” die ganze Geschichte damals auch nicht unbedingt revolutioniert haben.

Aber immerhin ist mit “Adapt Or Die” ein kleines gesprochenes Intro mit am Start, wie man es von den letzten Fear Factory Alben kannte, nur dass es dieses Mal zu einem einzelnen Track ausgeklammert wurde, obwohl es nahtlos an den ersten Remix anknüpft. Das ergibt allerdings Sinn, denn “Hatred Will Prevail” lässt sich ziemlich viel Zeit am Anfang und legt erst nach über einer Minute so richtig los, was alles schön und gut ist, aber mich trotzdem dankbar für die Option macht, das Intro einfach überspringen zu können.

Ansonsten ist “Hatred Will Prevail” ein ziemlich guter Einstieg für so ein Remix-Album. Wir haben hier nämlich den Remix zu Monolith - dem ruhigsten Song mit den meisten cleanen Vocals auf “Aggression Continuum”. Auch der Remix ist sehr gut zugänglich gehalten. Wir haben einen treibenden Beat, ein paar schöne zusammengemischte Gitarrenriffs, die alles gut ergänzen und eher cleane Vocals, die alles schön melodisch machen. Nichts, was zu wild ist, aber hier und da immer noch ein paar ganz originelle Momente bietet.

Mit “Disobey” folgt die Neuinterpretation von "Disruptor" - wahrscheinlich dem Song von “Aggression Continuum”, der sich für mich am wenigsten zum Remixen anbietet. Das Original war nicht nur relativ kurz und simpel, sondern auch nach vielen ähnlichen, sehr langweiligen Versuchen, einen derartigen Song auf die Beine zu stellen, endlich mal ein Punkt, an dem diese Formel für mich voll aufgegangen ist. Ich glaube, jeder Versuch, irgendwie daran herum zu fummeln, kann ihn nur schlechter machen. Für diese Ausgangslage ist “Disobey” eigentlich noch ganz nett ausgefallen. Die härteren Parts des Songs sind jetzt noch chaotischer und der Refrain jetzt noch melodischer, aber beides zum Glück qualitativ so gut umgesetzt, dass es nicht nervt. Trotzdem bevorzuge ich das ausbalanciertere Original.

Auch “Fuel Injected Suicide Machine” wäre nicht meine erste Wahl für einen Remix gewesen, aber aus anderen Gründen - das Original ist nämlich recht lang und für “Aggression Continuum”-Verhältnisse ziemlich komplex. Dementsprechend haben wir mit “I Am The Nightrider” mit seinen knapp 6 Minuten ebenfalls einen sehr langen Track. Das Ergebnis geht in Ordnung und ist eine schöne Alternative zum Original. Während “Fuel Injected Suicide Machine” sehr stark zwischen harten und ruhigen Momente schwankt, wirkt hier alles etwas ausgeglichener. Damit kommen ein paar Höhepunkte, aber auch Längen des Originals nicht mehr so stark zur Geltung, was den Remix damit gleichzeitig besser und schlechter macht als das Original.

“Path To Salvation” widmet sich dann dem ursprünglich etwas unspektakulären “Purity” und macht dabei einen ganz guten Job, wenn es darum geht, möglichst modern zu klingen. Vor allem die modifizierten Vocals stechen hier heraus und sorgen zumindest dafür, dass “Path To Salvation” mehr im Kopf hängen bleibt, als das Original.

Wirklich klasse wird es allerdings zum ersten Mal mit “Worthless”. Das Original (“End Of Line”) war die eine sehr langweilige Art, ein Fear Factory Album irgendwie durch Dienst nach Vorschrift zu beenden und auch wenn ich es nicht direkt schlecht fand, war es für mich der Song vom ganzen Album, der am wenigsten bei mir hängen blieb. “Worthless” macht dagegen eine 80’er Jahre Synthwave-Nummer draus, die man entweder lieben oder hassen muss und ich bin find’s absolut geil. Für Leute wie mich, die den Soundtrack von Hotline Miami lieben, ist das hier eine ziemliche Offenbarung und ich finde es absolut klasse, wie man es geschafft hat, aus einem Song, der mir null im Kopf bleiben wollte, den größten Ohrwurm auf dem Remix-Album zu machen.

Aber auch “Empires Fall” - der Remix zu “Collapse” weiß zu überraschen. Das Original war damals der härteste und Metal-lastigste Song - nicht nur auf “Aggression Continuum", sondern auch auf den letzten paar Fear Factory Alben. Trotzdem hat man es geschafft, daraus einen Remix zu machen, der einerseits das Original ordentlich durcheinander wirbelt, alles etwas melodischer macht und dabei trotzdem kaum etwas von seiner Heavyness verliert. Ziemlich beeindruckend.

“System Assassin” - der Remix zu “Aggression Continuum” haut mich dagegen nicht so wirklich um. Der Großteil ist mir zu aggressives und chaotisches Gespamme einzelner Riffs und Samples und der dafür zu melodische Refrain, den man relativ unverändert dort eingeworfen hat, mag nicht so recht dazu passen. Kann man sich irgendwie im Hintergrund anhören, wäre aber nie ein Track, den ich mir unbedingt anhören wollen würde, wenn ich mir selbst ‘ne Playlist mache.

“Hyporisy Of Faith” ist dagegen wieder so eine love it or hate it Nummer, die ich absolut abfeiern kann. Das Original war durch sein sehr cooles Riff schon mehr als ordentlich, aber “Hyporisy Of Faith” scheißt da einfach mal komplett drauf und macht aus der ganzen Sache eine Hardstyle-Techno Nummer, ähnlich wie zum Beispiel “T-1000” auf “Remanufacture”. Ich weiß nicht, wie viele Leute sowas in den 2020’ern noch gerne geben, aber ich bin sofort dabei!

Von einem Remix zu “Cognitive Dissonance” hätte ich dagegen etwas mehr erwartet. Immerhin haben wir es hier mit dem Industrial-lastigsten Song auf “Aggression Continuum” zu tun, der nicht nur an sich schon großartig klingt, sondern auch sicher viel Potential für Remixes bietet. “This Is My Life” ist dagegen eine etwas verwässerte Version von dem ganzen, die einfach mal alles Mögliche an Riffs und Elektro-Krempel draufballert, ohne dass ich darin viel Struktur erkennen kann. Das Ergebnis ist dann ein erstaunlich langweiliger Remix, der sehr schnell untergeht.

Bleibt am Ende nur noch der Opener von “Aggression Continuum” namens “Recode”. Der Remix unter dem kreativen Namen “Recoded” macht tatsächlich einen besseren Job dabei, ein langes und experimentelles Outro zu erschaffen, als damals “End Of Line”. Wir haben hier fast 6 ½ Minuten sehr schön druckvollen Industrial, garniert mit schweren Riffs und einzelnen Vocals aus dem Song, die ein wenig darauf hindeuten, dass es sich hier um “Recode” handelt, denn ohne die wäre “Recoded” wirklich eine komplett eigene Nummer, in der man das Original überhaupt nicht mehr wiedererkennen würde. Aber alles wurde sehr schön miteinander zu einem brachialen Abschluss verbunden.

Mit ein paar Abstrichen bin ich am Ende des Tages sehr zufrieden mit “Recoded”. Es ist schön, überhaupt mal wieder so ein komplettes Remix-Album von Fear Factory am Start zu haben und ich denke, dass “Aggression Continuum” eine gute Wahl dafür war. Erstaunt hat mich, wie sehr man dabei am klassischen Sound von “Remanufacture” geblieben ist. Moderne elektronische Einflüsse scheint es hier eher wenige zu geben, was man dem ganzen sowohl positiv als auch negativ auslegen könnte.

Mein größter Kritikpunkt wäre aber, dass man die eigene Komfortzone etwas öfter hätte verlassen können. Zum Großteil klingen die Songs vom Stil her recht ähnlich. “Remanufacture” war damals noch etwas mutiger, wenn es um Experimente und mitunter auch etwas seltsame Momente ging. Lediglich “Worthless” und “Hyporisy Of Faith” stechen sehr stark hervor - sind damit aber auch direkt mal meine beiden Lieblingstracks geworden. Man hätte ruhig öfter mal die Gitarren weglassen können, um sich vom Industrial-Metal ein kleines Stück zu entfernen und mal ein paar andere Genres anzuschneiden. Die Elektro-Szene war in den letzten 25 Jahren ja auch nicht gerade inaktiv und ich hätte mir sogar Dubstep geben können, auch wenn man damit gut 10 Jahre zu spät zur Party gewesen wäre und die meisten Fans wahrscheinlich die Nase gerümpft hätten.

Was das Album aber rettet, ist die durchgehend sehr hohe handwerkliche Qualität, mit der alles zusammengesetzt wurde. Man merkt, dass keiner der Remixes mal eben nebenbei entstanden ist. Die Anzahl der wirklich krassen Momente oder Songs, die deutlich durch die Remix-Behandlung verbessert wurden, könnte größer sein, aber wenn ich es im Hintergrund laufen lasse, dann habe ich über 50 Minuten lang eine wirklich ordentliche und ausgewogene Mischung aus Elektro und Industrial-Metal.

Grundvoraussetzung dafür, dass man damit etwas anfangen kann, ist und bleibt aber, dass man sowohl Metal als auch Elektro mag. Auch dem einen oder anderen Industrial-Metal-Fan dürfte das hier zu elektrisch sein und wer mit harten Gitarrenriffs nichts anfangen kann, dürfte hier ebenfalls nicht glücklich werden. Wer aber generell für beide Genres offen ist, “Remanufacture” oder “Fear Is The Mindkiller” mochte oder “Aggression Continuum” gut fand und offen für Remixes ist, kann hier nicht viel falsch machen.

Punkte: 7.5 / 10


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