1998 war es dann also so weit: ein neues Album musste her. "Obsolete" sollte in die Fußstapfen von "Demanufacture" treten und erneut ein Konzeptalbum sein, welches eine zusammenhängende Geschichte mit dem Thema "Mensch gegen Maschine" erzählt. Um es gleich vorweg zu nehmen: auch "Obsolete" kam verdammt gut an, hat sich noch besser verkauft als "Demanufacture" und viele Fans, schwören bis heute darauf, dass "Obsolete" das Magnum Opus der Band sei und nicht "Demanufacture". Irgendwas haben die Abrissbirnen aus Kalifornien also definitiv richtig gemacht.
Ähnlich wie beim Vorgänger wurde wieder viel Material um das Album herum veröffentlicht. Ich zähle alleine 5 Promo-Singles, die eine oder andere EP, wieder ein Soundtrack zu einem Game und hier und da auch mal 'ne Split. Wirklich viel exklusives Material kam dabei aber nicht rum. Zum Glück gibt es auch diesmal wieder eine Digipack-Version, auf welcher alle 5 Tracks, die außerhalb von "Obsolete" erschienen sind, nochmal zusammengekratzt und als Bonus hinzugefügt wurden. Das spart einem nicht nur das Suchen irgendwelcher einzelnen Singles, sondern ist am Ende des Tages doch nochmal einiges an extra Content, weshalb ich auf jeden Fall zum Digipack raten würde.
Das eigentliche Album macht da weiter, wo "Demanufacture" aufgehört hat - also nicht nur thematisch, sondern auch musikalisch. Erwartet nicht so einen heftigen Sprung wie zwischen den ersten beiden Alben: im wesentlichen gibt es hier den gleichen Stil wie beim Vorgänger. Das heißt aber immerhin auch, dass alles, was die Band damals groß gemacht hat, hier immer noch vorhanden ist - egal ob Cazares abgehackte Gitarrenriffs, Bells Wechsel zwischen aggressiven Shouts und fast schon steril wirkenden cleanen Vocals und natürlich Herrera, welcher gefühlt mit Drumsticks in den Händen geboren wurde. Ein paar kleinere Experimente werden hier allerdings doch gewagt, teilweise sogar recht radikale Schritte, in denen man sich erstmals in Nu Metal Gefilde vorwagt. Allerdings passiert das auf "Obsolete" noch so selten und wohldosiert, dass es nicht wirklich viel am grundlegenden Stil, welcher mit Industrial Metal, Groove Metal und Death Metal eh schon sehr bunt zusammen gewürfelt ist, ändern kann.
Los geht es sehr effektiv mit dem Opener "Shock". Kein langes Intro, keine große Einführung, sondern sofort das volle Aufgebot an Fear Factory Power - ein Song, mit dem man die Massen innerhalb weniger Sekunden direkt zum Moshpit mobilisieren kann. Was hier ein wenig hervorsticht ist der Refrain, welcher vor allem bei den Vocals deutlich ruhiger ausfällt als der Rest. Natürlich ist das nicht der erste Fear Factory Song mit cleanem Refrain, aber die Art und Weise wie hier Spannung aufgebaut und dann plötzlich wieder entzogen wird, ist irgendwie neu. Es mag Leute geben, die das furchtbar antiklimaktisch finden, aber ich finde es eher mal effektiv und es gibt dem Song eine recht eigene Note.
Konstanter auf die Fresse gibt es bei "Edgecrusher". Dafür wird hier munter mit verschiedenen Genres experimentiert. Falls ihr euch am Anfang noch nicht genug über den leicht angedeuteten Sprachgesang wundert, dürften euch zumindest die später eingesetzten Turntables und das Scratching auffallen. Und hier muss ich wirklich zugeben, dass ich beeindruckt bin: normalerweise kann ich damit im Metal rein gar nichts anfangen und genau sowas wurde in den späten 90'ern viel zu inflationär eingesetzt, weshalb Nu Metal auch nie mein Ding. Aber speziell im Fall von "Edgecrusher" passt es einfach perfekt, nimmt nicht überhand und gefällt sogar mir erstaunlich gut.
"Smasher/Devoured" geht da schon wieder etwas traditioneller zur Sache und konzentriert sich auf das, was schon auf "Demanufacture" funktioniert hat. Entsprechend liegt der Fokus hier auf Industrial Metal und das auch in ordentlich umgesetzter Form. Besonders fies ist hier die Hookline, die derart oft in fast allen denkbaren Arten von Vocals wiederholt wird, dass ihr nach dem Konsum von "Smasher/Devoured" garantiert einen hartnäckigen Ohrwurm haben werdet. Auch "Securitron (Police State 2000)" scheint sich ein paar Ideen vom Vorgänger auszuborgen. Stellenweise erinnert es mich recht stark an "H-K (Hunter Killer)" - das fängt schon beim ausgiebigen Intro an und zeigt sich danach in einzelnen, doch ziemlich ähnlichen Elementen. Musikalisch ist es auch ähnlich solide inszeniert (besonderes Kompliment hier mal wieder an Cazares), aber irgendwie können die Vocals hier nicht ganz mithalten. In der Mitte gibt es einen sehr schön angepissten Part, der klasse klingt, dazwischen kommen sie mir aber etwas lustlos daher.
Warum also nicht gleich mal einen Song zwischendurch einbauen, bei dem der Sänger etwas verschnaufen kann? "Descent" wäre nämlich genau das: eine langsame Ballade mit Focus auf cleane Vocals, die sicher nicht bei jedem Fan gut ankam. Ich bin dagegen einigermaßen begeistert. Auch hier haben wir einen gewissen Neuigkeitswert, die Gitarren klingen hier regelrecht hypnotisch und in den Vocals steckt trotz allem irgendwie mehr Power als im Song davor. Mehr zur Sache geht es dann dann wieder bei "Hi-Tech Hate". Also wirklich: der Song ballert ordentlich. Erinnert mich sogar wieder an das gute alte "Soul Of A New Machine", nur etwas besser produziert. Vielleicht nicht gerade der erinnerungwürdigste Song auf "Obsolete", aber die 4 ½ Minuten Dauerfeuer finde ich tatsächlich für zwischendurch mal ganz erfrischend.
Wirklich viel kann ich eigentlich auch nicht gegen "Freedom Or Fire" sagen, aber trotzdem kommt es mir am Ende wie ein Filler vor, der wenig zum Gesamtkunstwerk beizutragen hat. Dabei sind die einzelnen Elemente gar nicht schlecht und es ist alles da, was einen guten Fear Factory Song so ausmachen würde, aber trotzdem konnte alles nicht so gut miteinander verknüpft werden, dass das Gesamtpaket für mich wirklich stimmig ist - auch etwas, was mich ein bisschen an das Debütalbum erinnert - nur eben diesmal im negativen Sinne. Der Titeltrack macht seine Sache da schon wieder besser. Bei all den seit "Demanufacture" immer komplexer werdenden Songs ist es nett, mal wieder einen
Punkte: 8.5 / 10