Fear Factory Mechanize (2010) - ein Review von DarkForrest

Fear Factory: Mechanize - Cover
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1 Review
20
20 Ratings
8.43
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal: Death Metal, Industrial Metal


DarkForrest
11.06.2023 10:16

Fear Factory haben irgendwie ein Talent dafür, sich zu zerstreiten. Mittlerweile stand die Band schon dreimal kurz vor ihrem Ende, nachdem einzelne Mitglieder sich im Schlechten getrennt haben. So beeindruckend es auch ist, dass Fear Factory trotz allem bis heute als Band überlebt haben, so nervig und unprofessionell wirken die oft auch ziemlich hässlich ausgetragenen Streits. Nachdem die Kalifornier 2005 mit "Transgression" ein etwas unfertiges Album auf dem Markt brachten, das bei Fans und Kritikern nicht so gut ankam, war es zum zweiten Mal soweit: es gab ordentlich Beef unter den Mitgliedern.

Diesmal waren es Raymond Herrera und Christian Olde Wolbers, die das Feld geräumt haben. Dafür kam Dino Cazares zurück, welcher wiederum damals nach "Digimortal" aus der Band gekickt wurde. So sehr ich Cazares als großen Gewinn für die Band sehe, so schade fand ich es damals vor allem um Herrera. Er und Wolbers haben dann am Ende schließlich mit Arkaea ihr eigenes Ding gemacht und waren damit leider nicht gerade super erfolgreich. Nachdem Arkaea 2009 mit "Years In The Darkness" ihr erstes und einziges Album rausgehauen haben, hatten Fear Factory ein paar Monate später die Gelegenheit, es besser zu machen. "Mechanize" sollte das neue Album heißen, das 2010 dann auf die Fans losgelassen wurde.

Neben Sänger Burton C. Bell war Bassist Byron Stroud das einzige Bandmitglied aus der kurzen Phase bei Liquid 8, welches hier noch dabei war, aber auf "Mechanize" seinen letzten Auftritt haben sollte. Herrera wurde durch Gene Hoglan ersetzt, welcher hier einmalig an den Drums ausgeholfen hat und ich muss sagen: so sehr ich auch Herrera-Fanboy bin, steht Hoglan seinem Vorgänger hier in nichts nach und vermöbelt die Drums hier auf höchstem Niveau, dass es eine wahre Freude ist, ihm zuzuhören. Wirklich im Vordergrund steht dieses Mal aber die Gitarrenarbeit und hier hört man einfach raus, dass Cazares richtig Bock hat, wieder am Start zu sein.

Etwas heruntergefahren wurden dagegen die elektronischen und melodischen Elemente. Nicht falsch verstehen: "Mechanize" ist definitiv noch ein Industrial Metal Album und das hört man auch raus, aber im Vergleich zu den meisten anderen Fear Factory Alben gibt es hier etwas weniger an Samples oder elektrolastigen Songs. Mit Wolbers haben sich auch alle noch verbleibenden Nu Metal Einflüsse verabschiedet, was für mich aber kein großer Verlust ist.
Insgesamt merkt man, dass Fear Factory nach dem experimentellen "Transgression" wieder versuchen, auf Nummer sicher zu gehen, indem sie an das goldene Zeitalter von "Demanufacture" und "Obsolete" anknüpfen wollen. Und tatsächlich: "Mechanize" klingt in vielen Punkten wie eine Mischung aus diesen beiden Alben - garniert mit einer ordentlichen Prise "Soul Of A New Machine". Es wird also versucht, das beste aus den ersten drei Alben zu kombinieren und alles in ein modernes und wuchtiges Soundgewand zu stecken, während man so tut, als hätte es die Alben ab "Digimortal" nie gegeben.

Bevor man selbst herausfinden kann, ob das wirklich funktioniert, muss man sich aber erst einmal für eine Version von "Mechanize" entscheiden. Falls euch die normale Version nicht genug ist, habt ihr verschiedene Alternativen mit Bonus-Tracks, die sich je nach Version unterscheiden. Wir hätten da zum Beispiel die Versionen mit den Klassikern vom Debüt Album als Remake. Auf der japanischen Version haben wir eine Neuaufnahme von "Martyr", während der Rest der Welt "Crash Test" bekommt. Eine Version mit beiden Tracks habe ich nicht gefunden und da ich mir das Ding bestimmt nicht zweimal kaufe, habe ich mich für die Version mit "Crash Test" entschieden - nicht, weil die japanische Version schwerer zu bekommen ist, sondern einfach, weil mir "Crash Test" von den beiden Songs im Original besser gefällt. Außerdem kommt diese Version in einem ziemlich coolen Slipcase, welches von einem hübsch geschnittenem Digipack zum vorne aufklappen umschlossen ist.

Wenn ihr noch auf der Suche nach komplett absurden Limited Editions seid, dann könnt ihr euch aber auch das Box Set holen. Immerhin bekommt ihr dann ein Tape mit alten Demoaufnahmen mit dazu, was definitiv ein echt liebevolles Feature ist. Auf der anderen Seite kommt das Ding in einem fucking Werkzeugkasten. Ja, richtig gelesen: die Box ist nicht wie ein Werkzeugkasten gestaltet, sondern eine komplette Toolbox inkl. Hammer, Schraubenzieher und was man als Heimwerker sonst noch so benötigt. Ich bin ja kein großer Fan von albernem Merch und mache mich gerne mal über solche Box Sets lustig, aber dieses Ding bietet wirklich viel Angriffsfläche. Ich habe zu Hause schon einen eigenen Werkzeugkasten und sicher keine Lust, mir einen zweiten in schlechterer Qualität anzuschaffen, aber falls ihr das klobige Teil in irgendeiner Weise ästhetisch findet und genug Platz habt, es zur Schau zu stellen oder mal mit qualitativ minderwertigen Werkzeug arbeiten wollt, das euch ganz sicher spätestens im dritten Anlauf kaputt geht, dann habt ihr hier die Gelegenheit dazu.

Wenn ihr euch dann für eine Version entschieden habt und dazu kommt, euch das Album anzuhören, dann wird euch direkt am Anfang der Titeltrack zeigen, dass Fear Factory keine Lust mehr haben, wie auf "Transgression" mit Pop Rock zu experimentieren, sondern euch akustisch ordentlich auf die Fresse zu geben. Nach dem kurzen Industrial-Intro ballert der Song direkt los und demonstriert eine Power, die wir schon länger nicht mehr von Fear Factory gehört haben. Vor allem der Refrain ist hier echt brutal. Melodische Parts mit cleanem Gesang lassen bis zur zweiten Hälfte des Tracks auf sich warten und werden dann auch sehr sparsam eingesetzt, liefern aber einen schönen Kontrast zum Rest des Songs.

"Industrial Discipline" bietet fast schon so eine Art Duett von Burton C. Bell mit sich selbst, wie er hier sehr schnell zwischen harten Thrash Metal Shouts und cleanen Vocals wechselt. Teilweise erinnert mich das stark an "Self Bias Resistor" von "Demanufacture" - nur etwas schneller und dafür mit weniger Abwechslung. "Fear Campaign" klingt dem gar nicht mal so unähnlich, allerdings ein gutes Stück ausgereifter. Der Refrain ist noch melodischer und bleibt mir noch besser im Ohr hängen und der Rest haut noch mehr rein. Die Shouts sind hier on Point, die Instrumente kommen besser zur Geltung und die knapp 5 Minuten wurden gut genutzt, um dem Song mehr Inhalt zu geben, als einem "Industrial Discipline" - sogar ein nettes kleines Gitarrensolo wurde eingebaut.

Wirklich selbst übertroffen haben sich Fear Factory aber mit dem nächsten Song "Powershifter". Kein Wunder, dass ausgerechnet diese Nummer ausgewählt wurde, um im Vorfeld veröffentlicht zu werden und das Album gut zu verkaufen. "Powershifter" hat all die Qualitäten, die einen guten Fear Factory Song ausmachen und ist dazu noch kreativ genug, nicht wie etwas zu klingen, das wir in irgendeiner Weise schonmal hatten. Damit bleibt "Powershifter" bis heute für mich ein absoluter Evergreen der Band.

"Christploitation" würde auf dem Album als einfach nur ein weiterer etwas härtere Song ziemlich untergehen, wenn es nicht ein witziges Gimmick hätte: ein Piano-Intro, dass am Anfang etwas aufgesetzt wirkt, dann aber im Laufe des Songs immer wieder aufgegriffen und auch ganz ordentlich in das Gesamtwerk eingebunden wird. Das ist zwar eigentlich nur eine Kleinigkeit, aber am Ende doch ziemlich effektiv.

"Oxidizer" ist dagegen ein knallhartes Brett ohne Gimmicks und Bullshit, das fast schon mit Thrash Metal liebäugelt. Schön sind hier auch die Background Shouts vom Bassisten. Kein sehr komplexer Song, aber er erfüllt seinen Zweck trotzdem mehr als gut. Ein klein wenig melodischer wird es mit "Controlled Demolition" - stellt euch auf jeden Fall darauf ein, dass sich der Refrain als Ohrwurm in eurem Gehirn festfressen wird.

Bei "Designing The Enemy" bekomme ich direkt nostalgische Erinnerungen an "Soul Of A New Machine". Nicht unbedingt nur wegen tiefen Death Metal Growls (die hier aber zumindest im Ansatz kurz zu hören sind), sondern eher wegen der teilweise etwas unkoordiniert wirkenden Mischung aus den an sich schon sehr brutalen Vocals, ordentlichem Tempo und dann völlig aus dem Nichts aufploppeneden cleanen und langsamen Parts. Mich erinnert das ein wenig an "Scumgrief". Im ersten Moment ist das ganze etwas schwierig zu hören, aber im Laufe der Zeit konnte ich mich damit anfreunden.

Vor dem großen Finale gibt es mit "Metallic Division" noch kurz ein 1 ½ Minutes Instrumental, das ein paar Riffs mit Industrial-Sounds vereint. Es ist ein ganz netter Moment, der einen nochmal kurz in die 90'er zurück holt, aber für sich genommen auch nichts wirklich besonderes. Ehrlich gesagt vergesse ich die meiste Zeit, dass "Metallic Division" überhaupt existiert.

Deutlich schwerer zu vergessen dürfte der letzte offizielle Track "Final Exit" sein. Wie es sich für ein Fear Factory Album gehört, endet "Mechanize" mit einem sehr langen, vergleichsweise experimentellen und melodischen Song. "Final Exit" erfüllt an dieser Stelle alle Kriterien und schafft es auf ziemlich beeindruckende Art und Weise das Gänsehautfeeling, das die ruhigen Rausschmeißer auf den Fear Factory Alben oft haben mit dem vergleichsweise harten Sound von "Mechanize" zu verbinden, ohne dass beides miteinander im Widerspruch steht. Neben "Powershifter" für mich definitiv das zweite Highlight auf dem Album.

Aber es gibt da ja noch die Neuaufnahme von "Crash Test" und die ist zwar nicht perfekt, insgesamt aber sehr gelungen. Das neue Industrial-Sound Intro klingt im ersten Moment recht ungewohnt, ist im Nachhinein aber deutlich cooler als das alte. Gitarre und Schlagzeug schaffen den perfekten Spagat, indem sie einerseits die Qualität der Musik etwas verbessern und andererseits das ursprüngliche Gefühl des Songs nicht verfälschen und zwischendurch hören wir sogar den Bass wie im Original durch den Song rumpeln. Nur die Vocals klingen für mich etwas künstlich. Lustig wäre es gewesen, wenn der Sänger hier wirklich nochmal die tiefen Death Metal Growls ausgepackt hätte. Stattdessen haben wir hier die erprobten Vocals, die seit den späteren Alben zum Einsatz kamen - teilweise sogar weniger hart als das, was so mancher regulärer Song auf "Mechanize" zu bieten hatte und ein wenig wirkt "Crash Test" so, als wäre es für diese Art von Vocals nicht geschrieben worden. Das ist aber ziemlich hartes Nitpicking, denn insgesamt reicht das nicht aus, mir "Crash Test" zu verleiden und ich muss tatsächlich sagen, dass die Kopie dem Original in diesem Fall das Wasser reichen kann.

Damit wäre "Mechanize" dann auch vorbei und ich muss sagen, dass ich damals echt positiv überrascht war. Kein Song fällt wirklich negativ auf, jeder Track bewegt sich auf recht hohem Niveau und hier und da verstecken sich sogar ein paar wahre Highlights. Fear Factory haben es tatsächlich geschafft, das Feeling der alten Alben noch einmal im modernen Gewand aufleben zu lassen und das, was die früheren Alben ausgemacht hat, erfolgreich zu replizieren. Und das alleine ist schon alles andere als selbstverständlich, wenn man sich mal so manch anderen Versuch von länger bestehenden Bands anschaut, nochmal an die goldenen Zeiten anzuknüpfen. Damit reicht "Mechanize" für mich fast an die großen Klassiker "Demanufacture" und "Obsolete" heran.

Warum nur fast? Naja, einmal muss man natürlich sagen, dass die frühen Alben auch ein gutes Stück von ihrer Kreativität gelebt haben. Sowas wie "Demanufacture" war damals neu, mutig und experimentell. 2010 war es auf "Mechanize" eher mal die bewährte Formel, welche gut umgesetzt wurde, aber nichts, was man zu diesem Zeitpunkt nicht schon kennen würde. Außerdem kann "Mechanize" wirklich dankbar sein, dass es mit "Powershifter" und "Final Exit" zwei großartige Songs mit ordentlich Wiedererkennungswert hat, denn sonst hätten wir hier ein Album, das im Grunde nichts falsch macht, aber auch keine Songs hervorgebracht hat, die heute noch besonders herausstechen.

Auf der anderen Seite muss man "Mechanize" dann natürlich zu Gute halten, dass es eine verdammt runde Sache ist. Am Stück kann man es sich super anhören, ohne Songs zu skippen oder darauf zu hoffen, dass irgendeiner der Songs endlich bald mal vorbei ist und die knapp 50 Minuten vergehen jedes Mal schneller als gedacht. Damit würde ich "Mechanize" jedem empfehlen, der die alten Alben mag und dem es ab "Digimortal" zu soft wurde. Wer noch gar kein Album von Fear Factory hat, sollte sich natürlich erstmal "Demanufacture" oder "Obsolete" holen, um die ganzen großen Klassiker zu haben und zu verstehen, was den Hype damals ausgemacht hat. Allerdings könnte man es auch wesentlich schlechter treffen als mit "Mechanize" bei Fear Factory einzusteigen.

Punkte: 8 / 10


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