Dieses Vorhaben hätte man jetzt unterschiedlich angehen können. Roadrunner entschieden sich erstaunlicherweise nicht für den offensichtlichsten Weg, einfach die erstbesten Songs, die in den Sinn kommen, auf eine lieblose Best Of zu pressen (genau das sollte erst drei Jahre später passieren). Stattdessen konzentriert man sich auf seltene Tracks und B-Seiten, die noch nicht jeder Fan zu hören bekommen hatte und davon hat sich in den gut zehn Jahren Bandgeschichte ja doch ein wenig angesammelt.
"Hatefiles" ist da sehr spezifisch, was sich als selten genug qualifiziert, um auf die CD zu kommen. Mal als Bonustrack auf 'nem Digipack gelandet zu sein, reicht zum Beispiel nicht aus, sodass wir hier zum Beispiel nicht schon wieder "Concreto" oder sowas serviert bekommen. Die Kandidaten müssen schon exklusiv auf einer bestimmten Single oder Version der Single erschienen sein, um hier nochmal zu landen. So wäre zum Beispiel die normale Version von "Cars" nicht mit dabei, da die auch bei den Bonustracks auf "Obsolete" zu finden ist, während die beiden Remixes, die bis Dato nur auf der "Cars"-Single zu finden waren, fair Game sind. Die besonders gute Nachricht: bei 7 der 18 Tracks auf "Hatefiles" handelt es sich um gänzlich neues Material, welches damals noch gar kein Fan zuvor zu hören bekam.
So eine Compilation ist ja meistens nicht unbedingt gut geeignet, um sie am Stück zu hören und "Hatefiles" ist inhaltlich ein besonders wilder Ritt aus regulären Songs, Remixes, Live-Aufnahmen und Instrumentals, dessen Songs von Death Metal über Nu Metal bis hin zu Hardstyle Techno reichen. Trotzdem hat man sich die Mühe gemacht, die Songs einigermaßen nach Genre zu sortieren, damit sich "Hatefiles" besser anhören lässt und zum Teil ist das sogar einigermaßen gelungen. Respekt dafür. Von den Grundvoraussetzungen her bietet "Hatefiles" also schonmal alles, was eine gute Compilation ausmacht. Jetzt stellt sich nur noch die Frage wie gut ausgewählt die bereits bekannten Songs sind und vor allem, ob das neue Material etwas taugt.
Fangen wir mal ganz langweilig beim bekannten Material an. Wir haben neben den beiden Remixes der "Cars"-Single noch alles, was damals auf "Burn" exklusiv zu finden war - also ein paar zusätzliche Remixes, die es damals nicht auf "Remanufacture" geschafft haben. Dazu gesellt sich "Linchpin" und zwar in der damals noch nicht so alte "Australian Tour EP", die bisher lediglich den Australiern vorbehalten war und damit so manchem Fan entgangen sein dürfte. An sich ist von den Gaming Soundtracks bis zum fragwürdigen Remix von "Invisible Wounds" alles dabei, allerdings fehlt die Live-Version von "Edgecrusher". Man kann zwar argumentieren, dass "Replica" eh die bessere Aufnahmequalität hat, aber so fehlt natürlich am Ende ein Track, der weiterhin schwer zu bekommen bleibt.
Persönlich geärgert hat mich auch, dass "The Gabber Mixes" nicht vollständig mit am Start ist. Es ist zwar cool "Manic Cure" endlich mal auf CD zu haben (und je nachdem, ob man mit Hardstyle Techno was anfangen kann, ist dieses Medley aus verschiedenen Songs auch ganz gut gealtert), aber der "Chosen Few Mix" von "Flashpoint" hat wirklich nicht mehr auf die CD gepasst? Auch hier kann die mangelnde Vollständigkeit für etwas Frust sorgen. Ja klar, über alle Original-Releases verteilt sind das zwar gerade mal zwei Tracks, aber sie fehlen halt und mir ist auch nicht ganz klar, warum.
Spannender wird es aber natürlich eh bei dem, was bis dato unveröffentlicht war. Und da haben wir mit "Terminate" gleich einen ziemlichen Kracher. Entstanden ist der Song für das PS2-Game "The Terminator: Dawn of Fate" und man merkt klar, dass es aus der Nu Metal Phase der Band stammt. Wisst ihr noch: damals in den 2000'ern, als gefühlt jedes zweite Game und jeder Film unabhängig vom Kontext Nu Metal im Soundtrack haben musste? Lustigerweise steckt diese einfache Untermalung eines Videospiels aus meiner Sicht qualitativ mal eben fast das gesamte Album "Digimortal" in die Tasche. Alles klingt ziemlich episch und diesmal stimmt sogar die Produktion. Übrigens der letzte Song, den Fear Factory nach der Trennung nochmal schnell in ihrer bekannten Formation mit Dino Cazares und Raymond Herrera gleichzeitig aufgenommen haben.
So, als nächstes stehen ein paar alternative Mixes bekannter Songs auf dem Programm. Den Anfang macht der "T.L.A. Big Rock Mix" von "Resurrection". War euch der geniale Klassiker von damals zu sperrig und nicht eingängig genug? Nein. Tja, mit diesem Mix bekommt ihr trotzdem eine stark vereinfachte Version des Originals, welches ein paar schöne Übergänge und einiges seiner musikalischen Vielfalt opfert, um einen etwas besseren Flow zu bekommen. Kein guter Tausch, zumal die Produktion hier seltsam dumpf mit viel zu viel Hall bei den Vocals daherkommt. Im krassen Gegensatz dazu ist der "Colin Richardson Mix" von "Body Hammer" der Version des Originals auf "Demanufacture" derart ähnlich, dass ich Probleme habe, überhaupt irgendwelche Unterschiede heraus zu hören. Vielleicht minimal in der Abmischung, aber… Hmm…
Etwas kurioser ist dann wieder der "Colin Richardson Mix" von "Zero Signal". Der Unterschied ist hier, dass die Vocals deutlich anders klingen als in der Version, die auf "Demanufacture" verwendet wurde. Der Anteil an cleanen Vocals ist hier höher und alles klingt zwar nicht unbedingt unpassend, aber sehr ungewohnt, wenn man "Zero Signal" gefühlt 10000 mal in der anderen Version gehört hat. Ich bevorzuge zwar eindeutig die mir gewohnte Variante, aber interessant ist dieser Mix allemal. Der "Numanoid Mix" von "Cars" ist schlicht und einfach eine Version des Covers, bei dem Gary Numan alle Vocals übernimmt, statt sich mit Burton C. Bell abzuwechseln - nicht mehr und nicht weniger. Auch wenn ich hier erneut das Original bevorzuge, finde ich es ziemlich cool, dass es so eine Version überhaupt gibt und fange langsam an, Spaß daran zu haben, die Alternativen Varianten zu erkunden.
Wirklich umgehauen hat mich aber die Demoversion von "Dark Bodies". Erwartet habe ich den eigentlichen Song in noch beschissenerer Qualität als schon auf "Digimortal", aber bekommen habe ich was ganz anderes. Zuerst einmal: ich liebe "Invisible Wounds (Dark Bodies)" so wie es ist. Gleichzeitig hat die Demoversion nochmal einen ganz anderen Reiz und unterscheidet sich stark von der späteren Version. Das ganze klingt schon eher nach einem Cover einer anderen Band oder so als hätte man Fear Factory gesagt, dass sie den gleichen Song bitte nochmal in einem anderen Genre spielen sollen. Ich höre hier jedenfalls sehr viel modernen Thrash Metal raus - teilweise mit recht beeindruckenden Growls. Ziemliche Perle, die da ausgegraben wurde.
Bleibt nur noch der "Spoetnik Mix" von "New Breed", der nicht so genau weiß, ob er sich damals auf "Burn" oder den "Gabber Mixes" wohler gefühlt hätte. Fear Factory sind hier wieder voll und ganz im Techno-Modus und ich muss sagen, die Nummer ist ordentlich treibend. Die digitale Stimme ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig und es ist halt schon wieder ein elektrolastiger Remix von "New Breed". Ich finde es eh lustig, wie dieser Song, der als reiner Metalsong recht unspektakulär daherkommt, offenbar als in Remix-Form so richtig aufblüht. Am Ende ist der "Spoetnik Mix" nichts worum ich mich reißen würde, aber nett und auf "Hatefiles" sehr passend.
So, wie bewerte ich das ganze jetzt? Natürlich sind die "Hatefiles" kein vollwertiger Ersatz für ein neues Album unserer Industrial-Helden. Aber wenn ich das ganze nach den Kriterien einer Compilation mit Raritäten bewerte, dann bin ich einigermaßen beeindruckt. Die Auswahl ist umfangreich, es gibt ordentlich viel neues Zeug, was hier zum ersten Mal veröffentlicht wurde und wenn man bedenkt, dass es sich hierbei nicht um die größten Hits der Band, sondern um verworfene Songs und B-Seiten handelt, dann sind hier ein paar echt krasse Dinger dabei. Sogar die scheinbar unmögliche Aufgabe, die Songs so anzuordnen, dass man es sich halbwegs am Stück anhören kann, wird hier einigermaßen gut bewältigt. Wenn nicht gerade zwei Songs fehlen würde, dann würde mir ehrlich gesagt kaum etwas einfallen, wie man das ganze Vorhaben denn besser hätte aufziehen sollen.
Als Überblick über das Schaffen der Band ist "Hatefiles" natürlich gänzlich ungeeignet, aber als vertiefendes Werk für fortgeschrittene Fans und endgültiger Schlussstrich für die Roadrunner-Ära der Band mehr als in Ordnung.
Punkte: 8.5 / 10