Fear Factory Concrete (2002) - ein Review von DarkForrest

Fear Factory: Concrete - Cover
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1 Review
10
10 Ratings
6.70
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal: Death Metal, Industrial Metal, Thrash Metal


DarkForrest
18.09.2021 14:47

2002 war sicher kein leichtes Jahr für Fear Factory Fans. Nach ihrem vierten Album "Digimortal" hat Sänger Burton C. Bell die Band verlassen, worauf sie sich im Anschluss auflöste - das erste Mal in der Bandgeschichte (erst letztes Jahr sollte es zu einer ganz ähnlichen Situation kommen). Trotzdem stand mit "Concrete" plötzlich im selben Jahr noch ein neues Album in den Regalen. Hatten die Kalifornier etwa noch so viel Material übrig, um noch schnell ein neues Album auf den Markt zu werfen? Nein, aber gleichzeitig waren sie vertraglich Roadrunner noch ein weiteres Album schuldig - also musste man etwas tiefer kramen, um etwas zu finden, was man noch auf CD pressen könnte.

Praktisch wäre in so einer Situation, wenn man jetzt zufällig in der Vergangenheit mal ein Album aufgenommen hätte, ohne es zu veröffentlichen. Na, was für ein Glück, dass die Jungs zufällig noch genau sowas in der Hinterhand hatten. Bevor nämlich das eigentliche Debüt "Soul Of A New Machine" auf die Hörer losgelassen wurde, hat man bereits unter dem Namen "Ulceration" einen ersten Versuch gewagt, ein Album aufzunehmen und heraus kam "Concrete". Da die Band jedoch nicht mit der Arbeit des Producers zufrieden war, ist es nie zu einer Veröffentlichung gekommen. Wirklich geschadet hat das beiden Seiten aber nicht. Der damals noch unbekannte Ross Robinson wurde zu einem der gefragtesten Producer im Nu Metal Bereich und sollte unter anderem für Korn oder Slipknot arbeiten und Ulceration haben sich in Fear Factory umbenannt und mit "Soul Of A New Machine" einen zweiten, wesentlich erfolgreicheren, Versuch für ein Debüt gestartet.

2002 wurde das alte "Concrete" dann also doch wieder ausgegraben und wer "Soul Of A New Machine" kennt, hat zumindest eine grobe Ahnung, was einen hier erwarten könnte - zumal ca. die Hälfte der Songs von "Concrete" später nochmal für genau dieses Album neu aufgenommen wurde. Für Leute, die durch "Demanufacture" und "Obsolete" verwöhnt oder gar mit dem noch gefälligeren "Digimortal" eingestiegen sind, dürfte "Concrete" aber eine ziemliche Herausforderung sein. Während das Debüt schon im ziemlichen Kontrast zu den industriallastigen Sci-Fi inspirierten Werken steht und noch sehr stark auf Death Metal setzt, haben wir hier quasi den gleichen Stil nur nochmal mit einer deutlich ungeschliffeneren Produktion.

Um ehrlich zu sein habe ich es mir schlimmer vorgestellt, als es am Ende klingt. Man darf ja auch nicht vergessen, dass wir es hier mit keiner Demo zu tun haben, sondern mit einem vollständig produzierten Album, welches damals so in der Form theoretisch zum Release bereit gewesen wäre. Während der eine oder andere Fan die Produktion aber total abfeiert und findet, dass diese der Band viel besser steht als alles, was danach kommt, würde ich das jetzt auch nicht unbedingt unterschreiben. Für mich ist es ein zweischneidiges Schwert: einerseits kommen gerade die Instrumente hier noch besser zur Geltung, die Gitarren klingen schön knackig und der Bass rumpelt, dass es nur so eine Freude ist. Aber auch die Growls klingen hier mitunter Death Metal as fuck. Auf der anderen Seite ist auch "Concrete" bei weitem kein reines Death Metal Werk und sobald cleaner Gesang, Samples und alles andere in den Vordergrund rücken, was man so an Industrial Metal erwarten würde, schwächelt die Produktion ziemlich. So hat man am Ende Songs, welche auf "Soul Of A New Machine" deutlich besser zur Geltung kommen und solche, denen die ursprüngliche Produktion besser gerecht wird. Aber allein die Tatsache, dass man sich bei jedem Song darüber Gedanken machen kann, auf welcher CD er besser klingt, spricht ja schon für eine gewisse Daseinsberechtigung von "Concrete".

Etwas mehr Gedanken mache ich mir da schon eher inhaltlich. Gefühlt hat man "Concrete" schon ganz gut ausgeschlachtet, sodass die guten Songs bereits bekannt sein dürften, während es sicherlich seinen Grund haben dürfte, warum der Rest nicht nochmal released wurde. Aber geben wir der ganzen Sache mal eine faire Chance.

Die ersten paar Songs kennen wir schon. "Big God / Raped Souls", welches später den zweiten Teil von "Soul Of A New Machine" einleiten sollte, ist diesmal das Intro und macht einen erstaunlich guten Job dabei mit seinem kurzen Monolog am Anfang und der sowieso großartigen Arbeit an den Drums, das Album einzuleiten. Ich würde sogar fast soweit gehen zu sagen, dass es als Intro besser passt als "Martyr". Auch "Arise Above Oppression" kennen wir schon und ich stand dem Song schon immer etwas ambivalent gegenüber. Auf der einen Seite steht sein wunderbar antiautoritärer Text auf der anderen Seite wenig musikalische Abwechslung, um dem ganzen etwas mehr Struktur zu geben. Auf "Concrete" kommt dazu, dass der Song mittendrin nach 1.57 Minuten abbricht. Soll sicher so, klingt aber absolut nicht gut.

"Concrete" - quasi der Titelsong - sollte erst etwas später unter dem Namen "Concreto" zu Zeiten von "Demanufacture" als Bonustrack neuveröffentlicht werden. Das ist interessant, da "Concreto" schon einen deutlich moderneren Sound hat und hier im starken Gegensatz zum Original steht und was soll ich sagen - das Original macht mit seinen extrem tiefen Growls richtig Bock und gibt dem Song eine ganz andere Richtung als "Concreto". Ich mag am Ende beide Versionen, ohne sagen zu können, welche mir definitiv besser gefällt, bin aber froh, die Auswahl zu haben.

"Crisis" ist dagegen ein Song, der auf "Soul Of A New Machine" ganz klar besser zur Geltung kommen sollte. Wir haben zwar auch hier schon alles dabei, was es auch später zu hören geben sollte inklusive der Samples aus "Full Metal Jacket", aber da "Crisis" schon vergleichsweise progressiv ist, steht ihm die neuere Produktion einfach besser. "Escape Confusion" ist mehr oder weniger unabhängig von der Produktion ein toller Song, aber gerade der fast schon doomige Anfang gefällt mir in der ursprünglichen "Concrete"-Produktion sogar ein wenig besser.

"Sangre De Niños": Yay! Endlich ein ganz neuer Song! Ich bin etwas enttäuscht, dass die Lyrics nicht spanisch sind, obwohl es dann sehr nach einem alten Brujeria-Werk klingen würde - kurz, brutal aber auch nicht gerade ausgereift. Bei meinem Review zu "Obsolete" habe ich mich noch gewundert, woher der Song "Soulwound" stammt. Tja, es scheint tatsächlich die Neuauflage von "Soulwomb" zu sein, welches wir hier zu hören bekommen, klingt aber derart anders, dass man schon genau hinhören muss und leider auch deutlich besser als das Original. "Soulwomb" klingt derart chaotisch und desorganisiert, dass es mich fast schon wundert, dass man sich überhaupt nochmal damit beschäftigt hat.

"Echoes Of Innocene" sollte dagegen "Concrete"-exklusiv bleiben, was eigentlich sehr schade ist, denn der Song hat mehr zu bieten als manch anderer Track, der es auf das offizielle Debüt geschafft hat. Ein herrlich schweres und langsames Intro im Stil von "Escape Confusion" und ein paar cleane Vocals, die zwischendurch nur von Drums begleitet werden hätten für mich alleine schon das Potential für eine Neuauflage gehabt. So bleibt "Echoes Of Innocene" zumindest einer der wenigen Songs, für die "Concrete" sich noch wirklich lohnt. "Dragged Down By The Weight Of Existence" ist dagegen wieder zweimal vorhanden und in beiden Versionen irgendwie okay. Außer der Tatsache, dass es hier den längsten und später als "W.O.A." dann den kürzesten Namen auf dem Album haben sollte, kann ich zwischen beiden Versionen keinen riesigen Unterschied finden.

"Deception" ist wieder exklusiv, unter 30 Sekunden lang und erfüllt für mich aber auch nicht die Standards für einen guten Grindcore-Song, weshalb Fear Factory auch gut daran getan haben, sich von diesem Stück zu trennen. "Desecrate" und "Suffer Age" sind beide schon bekannt und bei beiden mag ich tatsächlich die alten Versionen ein Stück weit mehr mit der einzigen Einschränkung, dass bei zweiterem leider das Sample aus "Full Metal Jacket" fehlt, was schade ist, da es wirklich perfekt in den Song hinein passt und so einen schönen WTF-Moment geschaffen hat, als plötzlich Gunnery Sergeant Hartman zu hören war.

"Anxiety" ist schon wieder ordentlich kurz, wenig originell und ebenfalls eher mal Füllmasse, die verständlicherweise nicht mit auf "Soul Of A New Machine" übernommen wurde. Etwas überrascht bin ich, hier schon das groovige "Self Immolation" zu hören, was damit seiner Zeit ja fast schon ein Stück voraus ist. Die "Concrete"-Version klingt aber viel ranziger als der spätere Track und gerade von Seiten der Vocals fast schon auf Demo-Niveau und ich finde es absolut geil! Ich bin eh schon großer Fan von dem Song, aber von dieser Version geht eine derart rohe Energie aus, dass ich kurz davor bin zuzugeben, dass sich hier sogar von einem Song vom Kaliber eines "Self Immolation" die bessere Version befindet.

Als nächstes hätten wir "Pisschrist". Echt? Sogar ein späterer "Demanufacture"-Track findet sich hier wieder? Nicht wirklich - wahrscheinlich fand man einfach nur den Titel so gut, dass man ihn wiederverwenden wollte, denn außer dem Namen haben beide Songs gar nichts miteinander gemein. Diese Version von "Pisschrist" ist wie manch andere Songs auf "Concrete" nicht ohne Grund nicht mehr veröffentlicht worden. Zum Abschluss hätten wir noch "Ulceration", also den Song, welcher den damaligen Bandnamen trägt. Originell ist hier, dass der Mittelpart recht sinnvoll durch Samples aus "Exorcist 3" ergänzt wurden. Der Rest ist ziemliche Durchschnittsware - nicht wirklich gut, nicht wirklich schlecht, qualitativ unter dem, was wir später von der Band gewohnt sein sollten.

Tja und das wäre es dann auch schon. Wirklich grässlich klingt "Concrete" für mich nicht. Ich kann ja etwas raurer produziertem Death Metal eh einiges abgewinnen und bin sogar positiv überrascht, dass es Songs gibt, die mir richtig gut gefallen und die es in der Form nur auf "Concrete" gibt. Ganz so gerechtfertigt war es also vielleicht doch nicht, das Album jahrelang im Regal verstauben zu lassen und zu ignorieren. Auf der anderen Seite richtet es sich schon an wirklich große Fans von "Soul Of A New Machine" und die meisten Songs sind ganz interessant, um sie sich mal anzuhören, damit man weiß was damals noch so alles an unveröffentlichtem Material herumgegeistert ist, aber nichts was ich mir unbedingt öfter anhören muss.

Und eine Sache ist einfach verdammt schade: die Umstände unter denen "Concrete" released wurde. Es musste halt noch zwingend ein Album her, also hat man das ganze einfach mal etwas lieblos in die Diskographie geklatscht. Stellt euch mal vor, was möglich gewesen wäre, wenn man etwas mehr Arbeit und Mühe hinein gesteckt hätte. In erster Linie richtet sich "Concrete" ja an Leute, die musikalisch in die frühen 90'er und Anfänge von Fear Factory eintauchen wollen. Eine Bonus-CD mit Live-Aufnahmen aus der Zeit oder ein paar ganz alten Songs von den Demos wäre da sehr effektiv gewesen. Theoretisch hätte man sogar noch einen Schritt weiter gehen und eine Brücke zum neuen Sound der Band schlagen können - entweder indem man noch weitere der alten Songs neu aufnimmt oder vielleicht sogar jemanden findet, der wahnsinnig genug ist, den einen oder anderen Remix aus dem alten Material zu erschaffen. Möglichkeiten hätte es sicher einige gegeben. Mir ist schon klar, dass damals im Jahr 2002 als die Band sich frisch getrennt hatte, dafür nicht gerade die besten Bedingungen vorhanden waren, aber ich kann ja auch nur das bewerten, was wir am Ende bekommen haben.

So bleibt es dann bei genau dem Album, welches wir damals nicht bekommen sollten - das Original "Concrete" - nicht mehr und nicht weniger. Ein netter Einblick in alte Zeiten mit ein paar versteckten Highlights aber eben auch jeder Menge Songs bei denen man sich fragen kann, ob es sich gelohnt hat, sie nochmal auszugraben.

Punkte: 5 / 10


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