Existence Reign In Violence (1990) - ein Review von Fire Down Under

Existence: Reign In Violence - Cover
1
1 Review
2
2 Ratings
9.75
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal


Fire Down Under
02.01.2011 14:24

Das erste Album der Nürnberger Formation EXISTENCE ist ein typisches Beispiel für einen "verhinderten Klassiker" - hätte sich nur eine Plattenfirma darum gekümmert, das Ding auch ordentlich zu vertreiben. Doch dazu kam es nicht, und so legte sich bald der Staub des Vergessens auf diesen Release. Denn "Reign In Violence" kam 1991 in einer höchst inflationären Auflage von sagenhaften 6 (!!) CDs heraus, was aber nichts mit künstlicher Verknappung zu tun hat wie sie manchmal praktiziert wurde, sondern andere Gründe hatte: die Band war damals nur so eine Art "Abschreibung" für das Studio eines Bekannten, und als Gegenleistung durfte die Band ihr Material aufnehmen und bekam eben die besagten 6 CDs. Soweit, so gut.

Gut 10 Jahre später drang wohl eine der ominösen CDs an das Label "Hidden Metal Gems" vor, das einen Re-Release auf Vinyl, limitiert auf 500 Einheiten, anfertigte - allerdings ohne Zustimmung und Wissen der Band. Der Release wird jedoch von der Band toleriert, und führte, da sich das Material rasch hoher Beliebtheit erfreute, dazu dass die Band das Material selber im Eigenvertrieb nochmals neu auflegte (CD "Reign In Violence II"), sich sogar neu formierte (sofern man sich je aufgelöst hatte) und neues Material aufnahm. So erschienen 2 weitere, ebenfalls in Eigenregie vertriebene Alben, ein neues Album ist im Moment in Arbeit. So hatte dieser Release dann doch was Gutes und half, der Band zumindest etwas Aufmerksamkeit zugute kommen zu lassen, wenn auch nur einen Bruchteil von dem was der Band eigentlich zustehen würde.

Denn "Reign In Violence" ist eines dieser Alben, bei dem eigentlich jeder Progressive/Epic-Metaller auf die Knie fallen und diesem perfekt geschmiedetem Werk Stahlkunst huldigen muss. EXISTENCE sind eben nicht der x-te unnötige HELLOWEEN-Clone, sondern fahren ihren eigenen Stil. Zwar hat's hier und da mal leichte Einflüsse anderer Bands, aber ohne Einflüsse keine Weiterentwicklung, von daher ist das völlig legitim, zumal man bei EXISTENCE hört, dass die Musik aus tiefstem Herzen kommt und nicht stumpf irgendwem nachempfunden ist. Für mich sind EXISTENCE eine der wenigen deutschen Bands denen man ihre Herkunft nicht anhört - sie haben ganz klar internationales Niveau. Ich kann die Band nur mit den Italienern von ADRAMELCH vergleichen, allerdings nicht etwa weil die Musik ähnlich oder gleich klingen würde, sondern einzig und allein vom Anspruch her, epischen Power Metal mit progressiv-verschachteltem Songwriting und gleichzeitig wunderschönen, zu Tränen rührenden Melodien und einer beinahe schon unverschämten Eingängigkeit zu kombinieren. Sowas ist ganz großes Kino, und sowas gibt es leider viel zu selten.

Die Songs die hier zelebriert werden punkten vor allem durch das perfekte Zusammenspiel der Musiker - so setzt das Gitarrenduo Andy Eder/Markus Wagner packende Grundriffs, melancholische Melodien, unvorhersehbare Wechsel und wunderschöne Soli in Szene, Bass und Schlagzeug setzen ebenfalls Akzente, das ganze wird hin und wieder durch dezente, niemals kitschig wirkende Keyboard-Melodien verfeinert. Über all dem steht Sänger Mike Klose, ohne Frage ein Talent vom Format eines Michael Kiske, ohne aber gleich zu klingen - im Gegenteil, seine eigenwillige Stimme und Gesangslinien hat man schnell ins Herz geschlossen.

Stücke wie "Godfather Death", das in siebeneinhalb Minuten eine gewaltige Breitseite an Epik, Progressivität und Melodien, die den Hörer auf die Knie zwingen, auffahren sind einfach nur unbezahlbare Schätze selten gefundener Art. Das gilt ausnahmslos für alle Songs die hier verewigt wurden. "Nights In The Desert" wird mit einer dezent fernöstlichen Schlagseite angereichert, was Melodien wie Text ("...to live the Arabian Nights") betrifft - der Ideenfundus der Band scheint unermesslich. Das ungemein intensive Doppelpack "Insomnia" (sehr auffällige, ungewöhnliche Rhythmik hier) / "Chosen Courses" (letzteres sehr balladesk) rührt mich immer wieder zu Tränen, so schöne Melodien habe ich selten gehört. Für "The Loner", "Jester's Laughter" und "Eventful Visions" gilt das selbe: was hier an Melodien verbraten wird ist nicht von dieser Welt - absolute Könner sind hier am Werk, die trotz ihrer musikalischen Fähigkeiten niemals abgehoben rumfrickeln, sondern immer songdienlich arbeiten und durch ihre außergewöhnlichen Einfälle jeden Song zu etwas ganz besonderem machen. Der vorletzte Track "The Ritual" unterscheidet sich dann vor allem im Sound etwas von den anderen, da er nicht auf dem Original-Album war, sondern wohl vom ersten Demo "Gates To Exist" stammt. Er klingt etwas roher, aber ansonsten ist auch das ein wunderbares Stück Epic-Progressive-Metal. Der Abschluss "Wheel Of Time" ist dann halbballadesk gehalten, und auch wieder total unter die Haut gehend.

Ein perfektes Album also, das sich auch nicht vor den ganz großen Bands wie ADRAMELCH, DARK QUARTERER, MANILLA ROAD oder FATES WARNING zu verstecken braucht, da man hier mit spielerischer Leichtigkeit beweist, dass man auch auf internationaler Ebene mithalten kann. Schade nur dass einer Band mit solchem Talent kein Erfolg vergönnt war, an der Qualität lag's jedenfalls nicht.

Punkte: 10 / 10


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