Als ich einen ersten Blick auf die CD, das Cover und die Tracklist geworfen habe, wuchs mein Interesse schon mehr. Das alte Ewigheim Logo ließ schon erahnen, dass wir es hier stilistisch vielleicht doch mit etwas anderem zu tun haben. Und was sehe ich denn da: "Leiche Zur See" wird von David A. Line gecovert? Okay, damit alleine war das Ding eigentlich schon direkt ein Pflichtkauf.
Im Nachhinein muss ich auch zugeben, dass ich "Weltuntergang" zwar trotzdem eher als EP betrachte, die Bezeichnung "kleines Album" aber dennoch nicht so weit hergeholt ist. Immerhin sind die Songs lang genug, dass wir hier auf gute 26 Minuten Laufzeit kommen und vor allem abwechslungsreich wie sonstwas. Ohne Scheiß: ich glaube, dass hier musikalisch mehr Ideen umgesetzt wurden als auf dem gesamten "Irrlichter" Album. Es gibt sogar ein kleines Booklet voller Kindheitsfotos. Diese sind nicht nur irgendein Gimmick, sondern ein Einblick in Yantits Kindheit. Ja: das auf dem Cover ist laut eigener Aussage ebenfalls unser zigarettenvernichtender Textschreiber höchstpersönlich. Die ganze EP ist dabei autobiographisch aufgebaut und liefert in den 3 Songs einen recht intimen Einblick in Yantits Kindheit ("Ganz Für Sich"), teilweise recht aktuelle Verlusterlebnisse wie den Tod der eigenen Mutter während der Produktion der EP ("Ende") und der Gegenwart ("Untergang").
Nicht, dass mein persönlicher Geschmack irgendeine Rolle spielt, aber diesmal wurde er voll bedient. Falls jemand fragen sollte, was ich an "Irrlichter" nicht so toll fand und wie ich es mir eher vorgestellt hätte, kann ich jetzt ganz locker auf "Weltuntergang" verweisen. Ungefähr so hätte es wohl geklungen, wenn ich mir genau hätte aussuchen können, was Ewigheim als nächstes machen sollten. Da die Songs doch sehr unterschiedlich sind, ist es gar nicht mal so einfach, den Sound in 2 - 3 Worten zu beschreiben, aber es wird diesmal wieder deutlich düsterer, verstörender und auch sicher für den einen oder anderen musikalisch etwas schwerer zugänglich.
"Ganz Für Sich" erstreckt sich direkt mal auf stolze 8.31 Minuten und liefert endlich mal wieder richtig schönen Doom Metal. Die ganze Länge wurde dabei wirklich sinnvoll genutzt. Schon zu Beginn schafft Konstanz begleitet von Bass, Keyboard und Schlagzeug eine Klasse Atmosphäre, die nur noch bedrückender wird, wenn dann die Gitarre einsetzt. Jeder Handgriff wirkt hier wirklich gut durchdacht und auch nach dem zehnten mal Hören lassen sich noch ganz gut neue Dinge entdecken, warum der Song so gut reinhaut.
Das mit gut 4 Minuten noch verhältnismäßig kurze "Ende" ist wahrscheinlich noch der zugänglichste Song auf "Weltuntergang". Bis auf die etwas langsame Passage nach dem zweiten Refrain haben wir es hier mit recht gefälligen Gothrock zu tun, den die Band aber selten bis gar nicht so perfekt umgesetzt hat wie in diesem Stück. Obwohl es direkt in's Ohr geht, hat es sich bis jetzt auch noch kein Stück abgenutzt.
"Untergang" dreht die Härte wieder deutlich auf und zeigt, dass die Band auch den Metal noch nicht ganz verlernt hat. Konstanz habe ich glaube ich seit "Staubfrei" auf "Bereue Nichts" schon nicht mehr so angepisst gehört und die Gitarren, die ziemlich Death n' Roll lastig klingen tun dazu ihr übriges. Besonders nett ist an der Stelle noch das recht intensive gesprochene Outro (von Yantit persönlich, wenn ich das richtig raushöre). Mit dem Schlussworten "... und lauscht den Klängen von einst." wird auch gleich die perfekte Brücke zum Cover von "Leiche Zur See" geschlagen, mit dem sich der ganze Kreis irgendwie perfekt schließt.
"Leiche Zur See" war immer meiner Favoriten auf "Mord Nicht Ohne Grund" und David A Line ist für mich genau der richtige, um das Ding neu zu interpretieren. Schon auf "24/7" hat er einen ganz netten Remix zu "Die Augen Zu" zustande gebracht, aber um ehrlich zu sein passt seine Stimme einfach am besten zu den eigenen Klängen, weshalb ein komplettes Cover hier eindeutig die bessere Wahl war. Ich bin überhaupt nicht auf dem aktuellen Stand, was der gute Mann so zuletzt alles mit seinem Hauptprojekt Untoten so alles angestellt hat, aber im Prinzip ist es egal, welchen Namen er vor dieses Cover schreibt, denn der Song hier hätte auch gut auf ein ordentliches Soko Friedhof Album gepasst. Mit dem Original hat das ganze fast nur noch den Text gemeinsam und geht das ganze wesentlich ruhiger und ernster aber nicht weniger intensiv an als das Original und rundet die EP perfekt ab.
Damit endet der "Weltuntergang" dann auch schon, vorausgesetzt man hört sich die EP nicht direkt nochmal von vorne an, was an der Stelle immer mein erster Impuls ist. Ich bin wirklich beeindruckt und kann hier überhaupt keine Fehler finden. Vielleicht mag das nicht jeden Fan so gut abholen wie das etwas gefälligere "Irrlichter", aber ich bin komplett begeistert. Fragt sich, wie es jetzt weitergehen könnte. Auch wenn ich jederzeit dafür zu haben wäre, ist es wohl sehr unwahrscheinlich, dass wir nochmal ein ganzes Album in genau diesem Stil bekommen werden. Ein Schritt zurück zum Stil der letzten Alben wäre aber auch nicht unbedingt logisch. Im Prinzip wäre "Weltuntergang" fast schon der perfekte Schlussstrich für die Band, was ich natürlich nicht hoffe. Na, warten wir ab, wohin die Reise Yantit, Allen B. Konstanz und Schwadorf als nächstes hinführen wird. Bis dahin wird "Weltuntergang" noch ganz sicher einige Male von mir gehört werden.
Punkte: 10 / 10