"Alles bleibt so, wie es niemals war". Dies könnte der politische Wahlspruch der sympathischen Alpenrepublik sein. Warum? Nun, schon seit Jahrhunderten ist die Schweiz im Zwiespalt zwischen einem starken, konservativen Tradition-Bewahrungs-Aktionismus und der niederschmetternden Tatsache, irgendwie doch mit den modernen Entwicklungen Europas mitgehen zu müssen. Für sich genommen erlebt die Schweiz dadurch eine Veränderung, bei gleichzeitiger, maximaler Bewahrung. Es bleibt eben alles so, wie es niemals war.
Ob die Schweizer Celtic-Metaller von ELUVEITIE genau das im Kopf hatten, kann ich so nicht beantworten. Doch eine Analogie zur Bandgeschichte lässt sich doch herstellen – dazu aber im Fazit mehr. Zunächst einmal gilt es die Frage zu beantworten, wo ELUVEITIE im Jahr 2010 stehen? Nach einem wahren Veröffentlichungs-Marathon – "Spirit" (2006), "Slania" (2008), "Evocation I – The Arcane Dominion" (2009) – steht nun das erste Metal-Album seit zwei Jahren ins Haus, war die 2009er-Veröffentlichung doch ein reines Folk-Album.
Bezeichnenderweise entführt der Opener 'Otherworld' den Hörer des neuen Albums in eine eigene, andere Welt, die Welt der Mythen und Geheimnisse, voller Pathos und archaischen Melodien, bevor es mit dem Titeltrack genau dahin geht, wo es gut tut: Melodischer Death Metal der Göteborger Schule mit keltischen Sounds im Hintergrund. Ja, ELUVEITIE werden ihre Fans absolut nicht enttäuschen, denn sie tun das, was von ihnen erwartet wird: Rocken, grooven, tanzen, springen, klingen, träumen, loslassen. Was vorwiegend auffällt ist, dass die Verbindung der Metal- und der Folk-Elemente noch besser klappt als bei "Slania". Es sind keine zwei Pole mehr, die sich da gegenüberstehen und mit Zwang kombiniert werden wollen, sondern vielmehr ein Ansatz, der dem ganzen zu Grunde liegt.
Die Reise in den reinen Folk hat der Band sichtlich gut getan: Die Melodien, die auf "Everything..." verwendet werden, kommen noch intensiver rüber als auf "Slania" und ergänzen die Musik um eine Tiefe, die mir dort etwas gefehlt hatte. Besonders hervorzuheben ist das wunderschöne Akustikstück 'Isara', das mit Wasserrauschen zum 'Bloodstained Ground' des "Everything..."-Albums überleitet. 'Kingdom Come Undone' ist ein fetter, moderner Metalsong, der im Prinzip alles in sich vereinigt, was ELUVEITIE bis dato ausgemacht hat. Und noch mehr. Die Produktion des Albums ist ebenso wie die Technik der Musiker so fett wie noch nie, ein neues Level wurde erreicht – und das, wo schon "Slania" recht wenig Platz nach oben ließ.
Ein besonderes Schmankerl ist, dass eine Tugend, die mit "Evocation..." ins Land gezogen ist, auf "Everything..." fortgesetzt wird: Anna Murphy, eigentlich für die Drehleier zuständig, hat eine wahrhaft epische Passage eingespielt. Zu viel will ich nicht verraten, aber 'Quoth The Raven' besitzt einen wahren Gänsehautmoment – einfach anhören und gespannt sein!
Fazit: Es ist fast schon eine leidige Pflicht, erzählen zu müssen, dass das Songwriting, die Breaks, Hooks, die Riffes und Leads nahe an der Perfektion eingespielt wurden. Aber das ist schlicht und ergreifend der Fall. Und obwohl sich alles verändert, bleibt doch irgendwie alles beim Alten: ELUVEITIE werden nachwievor die Speerspitze dieser Spielart des Melodic Death Metal mit keltischen Melodien bleiben, weil es schlicht nichts besseres, professionelleres oder kreativeres gibt. Dass das für viele zu kommerziell sein mag, liegt schlicht und ergreifend daran, dass die Musik großartig ist und eben viele Menschen anspricht; wie könnte man das zu einem Vorwurf machen? "Alles bleibt so, wie es niemals war" - wie soll das nur weitergehen?
Anspieltipps: Everything Remains (As It Never Was), Lugdunon, Isara, Kindom Come Undone, (Do)minion, Quoth The Raven
http://powermetal.de/review/review-Eluveitie/Everything_Remains__As_It_Never_Was_,15371.html
Punkte: 9 / 10