Doch nachdem die Band 2010 bekannt gab, auf unbestimmte Zeit zu pausieren, habe ich mich immer mehr den neueren drei Alben gewidmet - sowohl was Reviews angeht, als auch was ich öfter in die Playlist gepackt habe, während die ersten beiden Werke bei mir mehr und mehr in Vergessenheit geraten sind. Tja, es ist einfach verlockend, mich zu dem bombastischen Sound von "Elysium" treiben zu lassen, über das extrem merkwürdige "Auf Dem Weg In Deine Welt" zu lästern oder mich über politisch fragwürdige Botschaften auf dem kommunistisch-anarchistischen "Imperium" zu wundern, aber die Musik trotzdem abzufeiern. Und dabei ist mir aufgefallen, dass ich mir die ersten beiden Alben schon verdammt lange nicht mehr aktiv angehört habe.
Grund genug, sich das allererste Album "Eisheilig" noch einmal ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Ist es wirklich so gut wie ich es in Erinnerung hatte? Ich meine ich war die meiste Zeit ein depressiver Teenie, als ich das Ding rauf und runter gehört habe, was ich jetzt nicht direkt als Gütekriterium werten würde. Vielleicht hatte es ja einen Grund, warum ich mich nach und nach mehr den neueren Alben zugewandt habe…
Eines können wir schonmal direkt festhalten: "Eisheilig" ist das melancholischste, ja fast schon depressivste Album der Band. Sänger Dennis Mikus wurde damals gerne mal mit Pete Steele von Type O Negative verglichen und auch wenn der Vergleich nicht ganz so weit hergeholt ist, haben Eisheilig doch einen recht eigenen Stil. Dieser ist hier noch deutlich gothiclastiger geprägt als auf späteren Alben. Härtere Gitarrenriffs sind zwar durchaus vorhanden, rücken aber hier aber noch eher in den Hintergrund, während Keyboards oder der tiefe Gesang von Mikus sehr dominant hervortreten. Letzterer fällt auf "Eisheilig" noch wesentlich ruhiger aus und auf gutturale Vocals wird weitestgehend verzichtet. Abgerundet wird das ganze dann mit ein paar elektronischen Spielereien und fertig ist das Konzept.
Ich weiß, dass "Eisheilig" damals ein paar Anläufe gebraucht hat, um mich so richtig mitzunehmen und auch nach all den Jahren musste ich mich an diesen Stil erstmal wieder gewöhnen. Als Fan der härteren Gangart hat mich die ganze Geschichte nicht sofort mitgerissen und zwischendurch sogar erstaunt wie langsam es hier zur Sache geht. Aber mit der Zeit habe ich recht schnell wieder die Düsternis und Schwere, die dieses Album ausstrahlt zu schätzen gelernt. Eisheilig schaffen hier den sehr feinen Balanceakt zwischen Melancholie und belanglosen Kitsch, welcher nicht unbedingt unterschätzt werden sollte. Nur drei Alben später sollten sie es mit "Auf Dem Weg In Deine Welt" nochmal probieren und aus welchem Grund auch immer nach komischen 70'er Jahre angehauchten Kuschelrock klingen.
Der Opener "Die Brücken" ist nicht unbedingt der einfachste Einstieg in die Welt von Eisheilig und vergleichsweise schwere Kost. Für den Anfang gibt es relativ wenige klare und einfache Strukturen, an denen man sich festhalten kann, ein ziemlich langatmiges Intro, viele unerwartete Stilwechsel und textlich schon fast eine kleine Geschichte, die da erzählt wird. So nach und nach bin ich aber mit "Die Brücken" warm geworden und im Laufe der Zeit hat das Stück sogar eine ziemliche Sogwirkung bei mir entwickelt.
"Am Letzten Tag" ist da schon etwas direkter und melodischer. Es konnte seine Wirkung bei mir direkt entfalten, geht schön in's Ohr, hört sich aber auch recht schnell ab. "Wolfzeit" ist einer der Songs, die mir von damals am besten in Erinnerung geblieben sind. Er hat eine angenehm unheilsschwangere und fast schon doomige Note, um dann am Ende seine ganze Kraft in einem apokalyptischen Finale zu entfalten. Ziemlich cool auch, wie Mikus hier schon ein wenig seine Vocals variiert und dezent etwas Härte hineinbringt.
Mit "Vater Unser" wird "Eisheilig" dann ein bisschen aufgelockert. Vergleiche zu NDH-Bands zu ziehen würde mir hier zwar schon etwas zu weit gehen, aber sowohl die etwas härteren Vocals als auch die Gitarren als auch die weiblichen Background Vocals nehmen hier einen sehr gefälligen Klang an. Und warum auch nicht? "Vater Unser" ist ein kleiner Ohrwurm, der am Ende ordentlich umgesetzt wurde und trotzdem noch gut zum Stil des restlichen Albums passt.
Ein Song, den ich von damals gar nicht mehr so in Erinnerung hatte ist "Sünder" und ich bin wirklich angenehm überrascht. Die Schleppenden Gitarren, ein sehr kraftvoller Gesang und insgesamt einfach ein großartiger Flow geben "Sünder" einiges an Intensität. "Bei Dir" klingt dagegen erstmal etwas sperrig und außerhalb des Refrains auch nicht gerade sehr melodisch, aber ich weiß nicht… irgendwas fasziniert mich trotzdem daran. Sowohl textlich als auch musikalisch einer der dunkelsten Songs von Eisheilig und einer, welcher die Atmosphäre des Albums perfekt einfängt.
Deutlich leichtere Kost bekommt ihr dagegen im Anschluss mit "Mein Blut". Die catchy Gitarren kündigen es im Prinzip schon an: hier gibt's 5 Minuten lang unkomplizierten Gothrock zum mittanzen. Das ganze kann mich zwar nicht wirklich beeindrucken, geht als Song aber so immer noch voll in Ordnung. "Das Tier" ist da schon eine etwas größere Herausforderung. Definitiv der härteste Song auf "Eisheilig". Allerdings haben wir hier ein Problem: das Album ist nicht wirklich auf solche Songs ausgelegt. So sehr Mikus versucht uns härtere Vocals entgegen zu fauchen oder der Rest der Truppe Drums und Gitarren beansprucht, wirkt es doch etwas kraftlos und kommt nicht annähernd so wuchtig daher wie die Songs auf "Elysium". Dadurch wirkt "Das Tier" eher monoton als hart und wenn man dann doch versucht sich mit plötzlichen ruhigen Momenten über Wasser zu halten, dann wirkt das eher unpassend. Man kann es sich trotz allem noch anhören, aber für mich trotzdem ein Schwachpunkt auf "Eisheilig".
Absolut kein Schwachpunkt ist dafür "Tanz Mit Mir" - Wow! Hier geht das Konzept des Albums mal wieder voll auf und alles harmoniert perfekt. Die Gitarren sind recht knackig, die Elektronik ziemlich, die Vocals sehr emotional, aber nichts davon dominiert zu sehr. Stattdessen fügt sich alles zu einem unverschämt melodischen Gesamtkunstwerk zusammen. Im Anschluss gibt es "Das Licht" und das ist… ganz nett. Viel mehr fällt mir dazu nicht ein. Es hat ähnliche Probleme wie "Bei Dir", nur dass es nicht ganz so stark mit dieser extrem düsteren Atmosphäre punkten kann. Aber auf der anderen Seite schafft es auch nicht, großartig unangenehm aufzufallen. Ich würde sagen: als Filler okay.
Wenn euch das alles jetzt noch nicht melancholisch genug war, dann zaubern euch Eisheilig mit "Feuerstaub" zum Abschluss noch eine vollwertige Ballade in die Ohren und ich bin fucking begeistert. Alles das, was das Album vorher gut gemacht hat, wird hier nochmal auf den Punkt gebracht. Gleichzeitig merkt man sofort, dass so ein Song auch nur auf diesem Album möglich ist.
Ganz fertig sind wir aber noch nicht, denn es gibt einen kleinen Hidden Track und dafür hat man sich ausgerechnet für ein Cover von "Love Street" von The Doors entschieden. Das Ergebnis klingt so seltsam wie man vermuten würde: Eisheilig schaffen es sowohl ihrem eigenen Stil als auch dem Original treu zu bleiben und damit am Ende weder wie das Original noch wie Eisheilig sonst zu klingen. Eigentlich ein Zeichen für ein gelungenes Cover und ich kann auch nicht an der Umsetzung meckern, aber die Idee alleine ist schon etwas merkwürdig. Einerseits bin ich ganz froh, dass der Rest des Albums nicht so klingt, andererseits ist das hier ein Hidden Track, der damit ja noch nicht mal teil der offiziellen Tracklist ist und dafür wiederum ganz ordentlich.
Nach gut einer Stunde wird es dann Zeit für das Fazit und ich bin echt angenehm überrascht. Nach einer kurzen Phase, in der ich schon fast das Gefühl hatte, dass Eisheilig hier einfach noch die Energie späterer Werke fehlt, bin ich doch wieder gut in das Album hinein gekommen und konnte mich voll und ganz auf die melancholische Schwere eines "Eisheilig" einlassen. Ich kann am Ende gar nicht sagen, ob ich es besser oder schlechter als ein "Elysium" finde. Es klingt auf jeden Fall anders und hat seine ganz eigenen Vorzüge. Bestimmte Songs funktionieren nur hier und wie man an "Das Tier" hören kann, hier eben noch nicht so ganz. Etwas schwerer zugänglich als der Rest von Eisheiligs Diskographie ist der Erstling schon und man muss auch ein wenig dafür in Stimmung sein, aber wenn es denn mal klickt, dann hat man es hier mit feinsten Gothic Metal zu tun.
Punkte: 8.5 / 10