Ganz am Ende der Releases, die sich um “Schock” drehten, kam als Nachzügler mit “Volle Kraft Voraus” 2016 noch eine letzte Single raus. Eigentlich sind es sogar zwei verschiedene Releases, denn die Single-Version unterscheidet sich inhaltlich doch recht von der Promo. Erstere CD ist dabei für mich deutlich spannender und am Ende mache ich meine Wertung auch an dieser fest. Trotzdem vielleicht noch ein paar Worte zur Promo:
Die Promo beinhaltet zwei Songs von “Schock” - einmal “Volle Kraft Voraus” (Ach was?!) und einmal “Himmel, Arsch Und Zwirn” sowie beide Songs nochmal als Live-Version - direkt entnommen von “Schock Live”. Beides sicher nicht die schlechtesten Songs auf “Schock”, beides Songs, die noch keine eigene Single spendiert bekommen haben und beides Songs, die durchaus recht gut live-tauglich sind - vor allem “Himmel, Arsch Und Zwirn” hat ein paar schöne Interaktionen zwischen Alexx und dem Publikum. Ob es jetzt aber wirklich ganz doll unbedingt beide Songs in beiden Versionen gebraucht hätte, sei mal dahingestellt. Abwechslung sieht sicherlich anders aus und 2016 dürfte der Großteil der Fans auch schon mit allen 4 Tracks vertraut gewesen sein. Als Promo für das damals noch frischere Live-Album vielleicht noch ein ganz netter Versuch, aber selbst dann hätte man vielleicht einfach mit 4 unterschiedlichen Live-Tracks etwas mehr aus der CD rausholen können. Und für Leute, die sowohl “Schock” als auch “Schock Live” haben, ist das Ganze natürlich eh im Prinzip unbrauchbar.
Deutlich spannender, aber leider auch mittlerweile recht schwer zu bekommen, ist dagegen die Single-CD, welche durch eine etwas andere Tracklist heraussticht. Die ersten beiden Songs sind identisch - Also einmal “Volle Kraft Voraus” und einmal “Volle Kraft Voraus” (Live). Beide Songs natürlich direkt hintereinander (nur für den Fall, dass jemand Bock hat, beide miteinander zu vergleichen oder so), was es übrigens auch etwas sinnlos macht, die CD am Stück zu hören. Aber egal. Soweit erst mal so gut. Aber die anderen beiden Tracks sind dieses Mal tatsächlich zwei komplett neue Songs, die es so auch auf keinem anderen Eisbrecher-Release zu finden gab - zumindest bis 2018 mit “Ewiges Eis” eine neue Compilation rauskam, auf der zumindest einer davon zu finden ist.
Zuerst hätten wir da “Schwarzes Blut” im sogenannten “Eisbrecher Neuschnitt” und ich bin ganz ehrlich: ich habe, bevor ich es zum ersten Mal gehört habe, nicht nachgeschaut, was es mit dem Song auf sich hat. Auch bin ich kein großer Fan von ASP. Ich könnte vielleicht mit Mühe und Not drei Songs nennen, aber das war es dann auch schon. Und trotzdem war mein erster Eindruck von dem Track, dass es eher wie ein ASP-Song klingt, als ein Stück von Eisbrecher. Das spricht zumindest dafür, dass ASP einen wirklich einprägsamen und wiedererkennbaren Sound haben, denn ich sollte intuitiv Recht behalten: “Schwarzes Blut” ist im Original von ASP und dieser Neuschnitt ist dann eben eine Eisbrecher-Version vom selben Somg. Meiner Meinung nach wäre der Zusatz “ASP-Cover” in der Tracklist vielleicht etwas sinnvoller gewesen, aber evtl. ist man ja auch einfach davon ausgegangen, dass ASP in der Szene so groß sind, dass jeder Eisbrecher-Fan sofort bescheid weiß, von wem der Song ursprünglich stammt.
Am Ende merkt man natürlich direkt, dass der Sound hier etwas anders klingt, als der von Eisbrecher. Im Verhältnis zwischen Gitarren und elektronischen Arrangements dominieren zweitere etwas stärker als sonst und das Tempo ist insgesamt recht flott. Alles sehr, sehr zugänglich und einprägsam. Gleichzeitig profitiert der Song ziemlich stark von Alexx’ Stimme, die dem Ganzen etwas mehr Düsternis und Härte bietet als im Original. Auch wenn viele mich jetzt steinigen werden, bevorzuge ich diese Version sogar gegenüber dem Original, wenn ich mir beide so im Vergleich anhöre, aber ich bin ja auch wie gesagt kein großer Fan von ASP. Die Eisbrecher-Version von “Schwarzes Blut” ist vielleicht nicht die absolute Offenbarung, aber ich muss schon sagen: als Bonustrack mehr als ordentlich und als zusätzliches Material auf so einer Single, wertet es das Gesamtwerk schon ordentlich auf.
Aber wir haben ja noch einen zweiten Song. “Süßwasserfisch” ist ein Eisbrecher-Original, damals noch exklusiv auf “Volle Kraft Voraus” und für mich eigentlich eher einer dieser Songs, die für einen kurzen Moment in der Theorie ganz gut klingen, die dann aber doch so beknackt sind, dass man sie als Künstler eigentlich schon in einem recht frühen Stadium wieder verwirft. Aber Eisbrecher haben es tatsächlich doch so weit durchgezogen, bis daraus ein fertiger Song wurde und diesen dann auch noch auf CD gepresst. Wo ist also das Problem? Naja, es gibt mehrere.
Los geht es schon beim Text. Ich weiß ja, dass NDH bei den Lyrics nicht immer das subtilste Genre ist, wenn es darum geht, Metaphern und Analogien dafür zu finden, Ischen klar zu machen. Warum dann nicht also auch mal das Thema Angeln dafür herhalten lassen? Aber der Refrain “Du bist mein Süßwasserfisch, du kommst mir ganz frisch auf den Tisch.” klingt schon ordentlich unfreiwillig komisch und ich weiß nicht, wie erotisch Zeilen wie “Wenn ich mich an deinen Schuppen schab’, dann weiß ich was ich an dir hab’” dann auch wirklich in der Praxis sind. Ich kann mir das eigentlich nur so erklären, dass der ganze Spaß eine etwas schlecht erkennbare Parodie auf die manchmal etwas hohlen Texte des NDH-Genres sein soll. Entweder das, oder ich bin ein kompletter Idiot, der überall zu viel hineininterpretiert und Alexx hat hier einfach nur einen Song übers Angeln geschrieben.
Musikalisch mag es weniger schlimm sein, aber “gut” wäre jetzt auch nicht das erste Wort, was mir dazu einfallen würde. Die Strophen haben am Anfang vor allem (aber nicht nur) bei den Vocals derart starke Ähnlichkeit mit “Ich Tu Dir Weh” von Rammstein, dass ich fast schon darüber erstaunt bin, dass Till Lindemanns Anwälte das so haben stehen lassen (hört euch wirklich mal beide Songs im Vergleich an). Und auch der Refrain ist maximal simpel aufgebaut. Am Ende ist das ganze eine witzige Kuriosität, aber sicher nichts für die nächste Live-Setlist.
Was bleibt also am Ende von “Volle Kraft Voraus”? Ein ganz netter Song von “Schock” in zwei Versionen, der absolut okay ist, wenn man das Album noch nicht hat und zwei mehr (“Schwarzes Blut”) oder weniger (“Süßwasserfisch”) gute exklusive Songs. Wirklich repräsentativ für das Album oder das Live-Album ist “Volle Kraft Voraus” dann auch nicht - weder in dieser, noch in der anderen Version, wobei die Promo da insgesamt noch einen etwas besseren Job macht. Aber wenn es um exklusives Material und rare Songs geht, dann bekommt ihr hier immerhin mal etwas geboten, das über Remixes hinaus geht. Für den fleißigen Eisbrecher-Fan sicherlich eine interessante CD, aber die meisten Leute würden auch nicht viel verpassen, wenn sie “Volle Kraft Voraus” einfach überspringen und sich auf das Album und das Live-Album konzentrieren.
Punkte: 5.5 / 10