Während "Fanatica" einen ganz guten Überblick über das gibt, was später auf "Eisbrecher" zu hören sein sollte, hält sich "Mein Blut" ganz strikt an… Na dreimal dürft ihr raten welchen Song - dafür in gleich vier Versionen. In einem Interview meinte Alexx, dass "Mein Blut" nicht nur der Song ist, mit dem man die schwarze Szene beglücken wollte, sondern vom ganzen Album der Song, welcher die Band am meisten ausmacht. Nicht "Eisbrecher", nicht "Herz Steht Still", sondern tatsächlich "Mein Blut". Kam mir zwar nie so vor und ich würde sogar eher sagen, dass mir das Ding als etwas aufgefallen ist, bei dem die Band etwas experimentiert und von ihrem eigentlichen Stil abweicht, aber so unterschiedlich kann die Wahrnehmung sein.
Die wichtigste Frage ist natürlich, ob der Song denn was taugt. Und was man direkt merkt ist wie tief Alexx und Noel Pix hier in die Klischeekiste gegriffen haben. Vocals, die nochmal tiefer sind als ohnehin schon, Chorgesänge und Streichinstrumente im Hintergrund, sämtliche Wörter und Metaphern, die in den letzten Jahren in deutschsprachigen Gothicsongs überdurchschnittlich häufig vorkamen ohne Kontext einfach in den Song gestopft - "Mein Blut" bietet in dieser Hinsicht wirklich alles, ohne dabei eine Parodie zu sein. Davon aber mal abgesehen klingt der Song alles andere als schludrig produziert. Die einzelnen Elemente sind wirklich gut aufeinander abgestimmt und wenn ihr deutsche Härte mit Gothic-Einschlag wollt, dann wird hier genau das bedient. Der Song an sich ist abwechslungsreich, ohne große Längen oder seltsame Momente und er hat bei mir den Test der Zeit bestanden. Also Klischees hin oder her: gut anhören lässt sich "Mein Blut" allemal.
Kennt ihr das, dass ihr einen Song unbedingt hören wollt, aber statt 4 Minuten nur drei Minuten Zeit habt und nicht wisst, was ihr jetzt machen sollt? Ich auch nicht, aber für alle Leute, die ihre Songs unvollständig mögen gibt es Kurzschnitte, Radio-Cuts, Single-Edits oder wie auch immer es sonst genannt wird. Auch diese Single bietet eine Version von "Mein Blut", die statt 4.25 Minuten nur 3.24 Minuten lang ist. Ich bin kein großer Fan von sowas und in der Regel haben es die Songs nicht nötig so zurecht gestutzt zu werden, zumal ich ja gerade finde, dass "Mein Blut" keine nennenswerten Längen hat. Trotzdem bin ich überrascht, wie wenig kastriert sich diese Version anhört. Am fehlenden Intro merkt man zwar direkt, dass diese Version sofort zum Punkt kommt, aber insgesamt klingt der Song gar nicht mal so sehr anders oder schlechter, was für gutes Editing spricht. Also haben wir hier eine gute Umsetzung von etwas, was ich zwar unnötig finde, aber für manch einen ja vielleicht interessant sein mag.
Nachdem wir das jetzt aus dem Weg hätten kommen wir zu dem, was ich wesentlich interessanter finde und wofür ich jetzt doch nochmal nach vielen Jahren 'nen Zehner hingelegt habe, um die Single nachzuholen: die Remixes. Als erstes hätten wir die Pix-Mischung. Wer Noel Pix kennt weiß: das wird etwas länger und sehr elektronisch - und genau das ist dieser Remix auch. Dass Pix sowas nicht erst seit 2003 gemacht hat, hört man auch direkt raus. Irgendwie schafft er es, fast alle einzelnen Elemente gut in seinen eigenen Remix zu integrieren und dabei trotzdem immer im selben Takt zu bleiben, was bei einem Song wie "Mein Blut" jetzt auch nichts ist, was sich von selbst erledigt. Falls ihr mit einem etwas langsameren Tempo klarkommt, habt ihr hier einen echt gelungenen und hochwertigen Remix.
Wenn es unbedingt schneller und tanzbarer sein muss, ist die Carlos Perón Neumischung vielleicht die bessere Wahl. Dieser Remix hält sich etwas fester an den ursprünglichen Aufbau des Songs, macht ihn aber clubtauglicher. Eigentlich schade, dass solche Remixes in der Realität dann leider doch sehr selten in den Clubs gespielt wurden, denn das hier hätte mich damals jederzeit auf die Tanzfläche gebracht. Im ersten Moment wirkt es zwar nicht ganz so beeindruckend wie der ganzen Song in den Takt von Pix eingebaut wurde, aber es ist jetzt auch nicht einfach nur das Original mit tanzbarem Beat unterlegt, sondern definitiv etwas eigenständiges.
Reicht das aus, damit man sich die Single auch nach Release des Albums kaufen sollte? Eher mal ja, würde ich sagen. Im Vergleich zu "Fanatica", was klasse war, um Vorfreude und Hype für "Eisbrecher" zu generieren, danach aber nicht mehr so viel zu bieten hatte, gibt's hier noch genug exklusives Material in ordentlicher Qualität. Während viele spätere Vorabsingles wirklich nur noch 1-2 Songs des kommenden Albums beinhalten sollten, hat man sich hier wenigstens noch Mühe gegeben und allein die Remixes sind mal einen Blick wert, sofern ihr was mit dem Song anfangen könnt.
Punkte: 8 / 10