Mir wird schnell klar, das das neue Material wieder etwas melodischer und strukturierter sein soll. Der erste Track erinnert mich persönlich ein wenig an diesen typischen, naiven, leidlich gut gelaunten Ami-Punk, wie ihn GREEN DAY und OFFSPRING machen (Kenner denken natürlich eher an die schwermütigere Punk/Grunge-Szene Seattles). Für EARTH-Verhältnisse ist das Ganze relativ 'schnell', aber für Normalos wahrscheinlich nichts weiter als dösiges Geklimpere. Schade das der Drummer noch nicht da ist. Wenigstens steuert Zweitgitarrist Tommy Hansen noch ein paar nette Sprenkler hinzu.
Ohne viel Umschweife kommt das zweite Stück ins Spiel und hier lässt es sich meine Prostata wieder richtig gut gehen. Halb orgasmotrös empfange ich "Tibetan Quaaludes" und bade mit weit ausgestreckten Armen in entrückt-positiver Energie. Dieser Titel wird wohl einer meiner absoluten Faves von EARTH werden! Nach dreieinhalb Minuten mutiert dieser Zauber exotischer Harmonien zum netten Drone-Monster von nebenan. Es massiert mir mit seinen Pranken die Schläfen und lässt mich vollkommen entspannt auf dem versifften Boden des Proberaums liegen. Draußen scheint die Sonne.
Nach göttlichen 7:40 min brabbelt Carlson [telepathisch] irgendetwas davon, das er zukünftig mehr in die Country/Western-Ecke möchte und spielt mir eine dementsprechend verträumte Melodie vor. Sehr cool, wie er die Langsamkeit auskostet und mit allerlei Stilelementen füllt. Hier mal eine kleine Dissonanz oder dort mal ein wenig die Saite kratzen lassen. So wird aus Banalem Interessantes.
"Song 4" legt den Western-Style wieder ab und klingt eher wie eine Suche nach einem Riff, einer neuen Idee. Man kennt das ja von Gitarristen im Proberaum. Zwischendurch wird einfach mal drauf los geklimpert, bis die Kollegen genervt den Klinkenstecker ziehen oder Bierflaschen schmeißen. Doch Carlson überbrückt nur, denn von mir unbemerkt ist der Drummer angekommen. Dieser schleicht sich verschlafen an sein Kit, um sich für den nächsten Titel fertig zu machen.
Mit "Site Specific Carnivorous Occurence" spielt sich schließlich die komplette Truppe ein. Ein herrlich dissonantes Gedröhne mit ein paar Tupfern Akustikgitarre. Und da ist schon wieder dieser leichte Western-Beigeschmack, der gegen die "Ureinwohner-von-(Nord)Amerika"-esken Toms zu kämpfen scheint. Da kann ich nur fasziniert die Augen aufreißen und das Kinn baumeln lassen. Ein zuckender Trance-Zustand stellt sich ein und ich wünsche mir, das die drei niemals damit aufhören.
Doch es kommt wie es kommen muß. Alle Verstärker kollabieren und ehe ich mich versehe, befinde ich mich in einer gewaltigen Geräuschedusche. Könnte mal jemand das Mikrophon aus dem Tornado nehmen und den Phasereffekt ausschalten? Niemand hört mich, ich höre mich ja noch nicht mal selbst. Es ist einfach zu laut.
Nach über 12 Minuten kehrt abrupt Ruhe ein und ganz langsam erhebt sich EARTH wieder aus den Tiefen der Erde. Deutlich angeschlagen kämpfen die Musiker um jeden Ton. Harte Anschläge gibt es nicht, nur langsam aufkommende Saitengesänge. Die Stimmung ist hinüber und niemand weiß, ob dies das Ende ist, oder ein neuer Anfang. Man tastet sich durch im Nebel liegende Trümmer. Irgendein Licht scheint in der Ferne zu rufen. Der Nebel löst sich nach und nach auf. Die Schemen der anderen werden wieder deutlich und langsam kommt eine Kommunikation zustande. An Stelle von hellen, verängstigten Tönen treten wieder massive, dunkle Klangfelsen. Der Schlagzeuger wird zwar seitdem vermisst, aber alles in Allem ein Erlebnis von dem ich noch meinen... äh... Katzen erzählen werde.
Zum Abschluss gibt's eine kurze, fast schon fröhliche Komposition und das war's dann. Carlson ist weg, alle anderen sowieso und da sitze ich dann wieder auf meiner Couch im Saarland. Immer wieder seltsam diese '93 aufgenommene und '95 veröffentlichte "Phase 3: Thrones And Dominions".
Punkte: 7.5 / 10