Deep Purple Whoosh! (2020) - ein Review von Roman69

Deep Purple: Whoosh! - Cover
3
3 Reviews
22
22 Ratings
7.89
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal: Hardrock, Progressive Metal


Roman69
03.10.2020 00:32

"The Long Goodbye Tour" nannten Deep Purple ihre Tour zum 2017er Album "inFinite". Wer damals glaubte, es würde noch mal ein weiteres DP-Studio-Album geben, musste ein Träumer sein. Aber manchmal werden Träume wahr.

Bemerkenswert bei der Wahrwerdung dieses Traums finde ich zunächst, dass es sich bei Whoosh! um ein Konzeptalbum handelt (das sich in Act 1 und Act 2 aufgeteilt). Thematischer Überbau ist die menschliche Vergänglichkeit, die auf dem Cover sehr schön durch den sich auflösenden Astronauten illustriert und durch den Titel lautmalerisch unterstrichen wird. Nicht zum eigentlichen Konzeptalbum gehört der als Bonus gekennzeichnete (und mMn absolut überflüssige) Song "Dancing In My Sleep". Er passt nicht zum Thema und fällt musikalisch völlig aus der Reihe.

Ein paar Anmerkungen zu den einzelnen Titeln:
• Whoosh! beginnt mit "Throw My Bones" mit einer wunderschönen, satten und ohrwurmverdächtigen Hymne mit Hit-Potential. Sehr gelungen, wie Sänger Ian Gillan dem Tod vorerst eine Absage erteilt!
• In "Drop The Weapon" sorgt sich Gillan um jugendliche Bandenmitglieder und rät im eindringlichen Refrain und fast flehentlich vorgetragenen Text zur Waffenabstinenz, um am Leben zu bleiben zu können. (Die NRA dürfte not amused sein.) Guter Song - seine Lästerei gegen die 60er-Hippiebewegung in San Francisco finde ich allerdings bezüglich der Song-Aussage contraproduktiv.
• "We’re All The Same In The Dark" ist der blasseste Song des Albums – es fehlt ihm das Besondere, das Charakteristische, das Unterscheidbare, das alle anderen Whoosh!-Songs ausmacht. Das macht ihn aber noch nicht schlecht.
• Eine echte Perle ist "Nothing At All". Nicht nur, dass sie in punkto Eingängigkeit locker mit dem Eingangstrack mithalten kann; das Besondere ist das großartige Zusammenspiel von Steve Morse und Don Airey, die sich hier mal so richtig austoben können. Morse spielt teilweise in einem für ihn ganz ungewöhnlich filigran-stakkatoesken Gitarrenstil und Aireys Instrument klingt phasenweise wie eine Barockorgel – meisterhaft spielen sie sich die Bälle zu und erzeugen einen großartigen Sound.
• Bei den ersten Klängen von "No Need To Shout" musste ich stutzen. Das ist doch "Stormbringer" von 1974! Und tatsächlich haben sie als Grundthema den Riff des Klassikers der Mark III-Besetzung gewählt. Eine Hommage an die Coverdale-Ära, von der aktuell nur noch Ian Paice dabei ist? Jedenfalls ein erstklassiger Rock-Kracher!
• Das ruhigste und entspannteste Stück des Albums ist "Step By Step". Musikalisch kommt es mir vor, wie eine fast trotzige Replik an den Teil der Fangemeinde, der in Erinnerungen an die gute, alte Zeit schwelgt (Stichwort Blackmore) und die Härte in der Musik vermisst. Dabei gab es auch in den 70ern DP-Alben, die nicht viel mit Hardrock zu tun hatten.
• "What The What" ist feinster Rock’n’Roll mit Honky-Tonk-Piano (oder einer Keyboard-Einstellung, die so klingt). Die Spielfreude der Band lässt die Trommelfelle Purzelbäume schlagen (bitte nicht bildlich vorstellen!).
• "The Long Way Around" ist ein überaus vielseitiger Song. Er beginnt mit einem treibenden Riff, entwickelt sich dann in Richtung Prog-Rock (Im Mittelteil sah ich den Marillion-Keyboarder Mark Kelly vor meinem inneren Auge.) und klingt nach einem tollen Gitarrensolo ruhig aus.
• Hervorheben möchte ich "The Power Of The Moon" mit Ian Gillans etwas hypnotischem Gesang - dem mystischen Thema angemessen. Geht runter wie Öl!
• "Remission Possible" ist eine zunächst bedrohlich klingende, dann kraftvoll Fahrt aufnehmende Lokomotive, die nach kurzem Spurt ganz sanft ins Folgestück "Man Alive" übergeht. Dieses stellt den textlich-thematischen Abschluss des Konzeptalbums dar. Der Sekundenzeiger tickt. Das Ende naht. "Whoosh!"
• "And The Address" ist halt "And The Address". Mein Senf dazu steht weiter unten.

Insgesamt gibt es auf diesem Album kein schwaches Stück. Ian Gillan, mit 75 Jahren der Senior des Quintetts, beeindruckt durch eine angenehme, kraftvolle Stimme. Morse und Airey spielen mit einer Leidenschaft, als wäre es das letzte Mal (ups!). Wir dürfen also besonders viele herrliche Soli genießen. Dafür liebe ich dieses Album! Wer hätte 2013, als das letzte Album schon ewig lange acht Jahre zurücklag, gedacht, dass Deep Purple unter der Regie von Bob Ezrin noch solch einen Alben-Hattrick hinlegen würden. Und Whoosh! ist das beste dieser drei Alben. Beim erstmaligen Hören eines neuen DP-Albums hatte ich noch nie ein solches Gefühl der durchgehenden Zufriedenheit. Unterm Strich ergibt sich damit eine Wertung von 9,5 Punkten – ausdrücklich ohne Seniorenrabatt! Die Scheibe wird mit jedem Durchlauf besser, für mich das beste DP-Album seit mindestens Purpendicular (1996).

Außer dem oben bereits genannten Bonusstück, finden sich auf der CD als Extraboni drei sehr hörenswerte Hidden Tracks: Live-Aufnahmen von "Uncommon Man", "Knocking At Your Backdoor" und "Black Night" von einem Konzert in Rio aus dem Jahr 2017. Hervorheben möchte ich von diesen Stücken "Black Night" (das ich sonst eher langweilig finde), in einer extralangen Version mit virtuosem, instrumentalen Schlussteil inklusive einer tiefen Verbeugung vor den ehemaligen Konkurrenten von Led Zeppelin ("How Many More Times"). Einfach großartig!

Nun sieht es wieder so aus, als wäre Whoosh! das letzte DP-Album. Sie machen es wie Black Sabbath. Die hatten ihr letztes Album "13" von 2013 so ausklingen lassen, wie sie ihr erstes Album "Black Sabbath" von 1970 eingeleitet haben – mit Regen, Gewitter und Kirchengeläut. Damit war der Kreis geschlossen. Deep Purple beenden Whoosh! (abgesehen von den Boni) mit dem ersten Song ihres ersten Albums von 1968, mit "And The Address". Damit ist auch dieser Kreis geschlossen. Wer noch mehr erwartet, muss ein Träumer sein. Aber manchmal werden Träume wahr.

Punkte: 9.5 / 10


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