Deathstars Night Electric Night (2009) - ein Review von DarkForrest

Deathstars: Night Electric Night - Cover
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1 Review
9
9 Ratings
8.78
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal: Industrial Metal


DarkForrest
03.03.2024 10:09

Die 2000’er waren wirklich die stärkste Decade für die Deathstars. Während aktuell gefühlt jedes Jahrzehnt mal eine CD der schwedischen Death-Glam-Truppe das Licht der Welt erblickt, haben sie damals tatsächlich ziemlich regelmäßig abgeliefert. Dabei haben sie ziemlich schnell ihren Höhepunkt erreicht, denn nachdem sie sich mit “Synthetic Generation” erst einmal ausprobieren durften, hatten sie mit “Termination Bliss” 2006 eigentlich schon ihren perfekten Sound gefunden.

Diese wunderbare Balance zwischen harten Klängen und Eingängigkeit wurde auf späteren Alben dann doch eher zugunsten zugänglicherer Songs verschoben. Das ist 2009 schon so langsam bei “Night Electric Night” aufgefallen. Grundsätzlich hat sich dabei allerdings gar nicht mal super viel verändert. Die Besetzung dürfte noch original dieselbe sein wie auf “Termination Bliss” und selbst Background-Sängerin Ann Ekberg ist wieder mit dabei - auch wenn sie hier etwas weniger zu tun hat. Bei Songs wie “The Greatest Fight On Earth” hat sie damals ja noch eine tragende Rolle gespielt, während ihre Vocals hier sehr in den Hintergrund treten. Komischerweise ist sie auf der ersten Hälfte des Albums zumindest in irgendeiner Form fast in jedem Song zu hören und auf der zweiten Hälfte dann plötzlich fast gar nicht mehr.

Auch wenn “Night Electric Night” an sich im Vergleich zu den beiden Vorgängern etwas softer daherkommt, kann man hier nichts gegen den Sound sagen. Während ich mich noch ein wenig an die Abmischung auf dem aktuellen Album “Everything Destroys You” vom letzten Jahr gewöhnen muss, klingt hier alles angenehm druckvoll und jedes Instrument kommt so zur Geltung, wie es soll. Elektronische Arrangements waren schon immer eine sehr wichtige Komponente der Band, wurden auf “Night Electric Night” aber noch besser mit dem restlichen Sound der Band verwoben, als je zuvor.

Wie schon bei “Termination Bliss” habt ihr auch hier wieder die Wahl zwischen verschiedenen Versionen und auch hier gestaltet sich die Auswahl etwas verwirrend. Am Ende läuft es aber auf drei verschiedene Varianten hinaus, zwischen denen man sich als Fan entscheiden durfte: der silbernen, der goldenen oder der Platin-Version. Die silberne Version ist einfach nur das Album mit seinen 11 Songs. Die goldene Version hat 3 Bonus-Tracks und eine Bonus-DVD. Die Platin-Version hat eine ganze Bonus-CD mit einigen Remixes und allerlei Kuriositäten. Intuitiv würde man also denken, dass die Platin-Version die beste Variante ist, allerdings muss das nicht unbedingt stimmen. Bei der Platin-Version handelt es sich nämlich um einen Re-Release von “Night Electric Night”, aus dem Jahr 2010 und die Bonus-CD ist einfach nur die “Decade Of Debauchery” Compilation, die ihr auch separat erwerben könnt. Wenn man dann noch bedenkt, dass hier sowohl die drei Bonus-Tracks als auch die DVD fehlen, sollte man als Perfektionist also eher zur goldenen Variante greifen, was bei mir eh der Fall war, da ich das Ding damals direkt zum Release geholt habe. Ob sich aber das Bonus-Material der Gold-Version wirklich lohnt? Naja… Das können wir uns später nochmal angucken.

Aber bleiben wir erstmal bei dem Basismaterial - und da gibt es schon genug zu entdecken. Der Opener “Chertograd” bietet direkt alles, was man sich für einen epischen Auftakt wünschen würde. Wirklich: die Deathstars haben für mich echt ein Händchen dafür, wie man ein Album eröffnet, aber kein Opener funktioniert so gut wie “Chertograd”. Es ist ein ausbalancierter Song - nicht zu schnell, nicht zu langsam, kein komisches Gimmick - der alle Stärken des Albums ausspielt, alle späteren Elemente, die wir hier hören, werden mal kurz vorgestellt und gleichzeitig das Album gut repräsentiert. Dazu zählt auch das etwas langsamere Tempo und der eingängige Refrain, der den Song ein gutes Stück zahmer wirken lässt als zum Beispiel ein “Tongues”.

Danach geht's gleich an den Titeltrack und hier muss ich leider sagen, dass ich ihn nicht besonders mag, was ungünstig ist, da er auf dem Album recht präsent ist (Titeltrack halt), gleich in drei Versionen vertreten ist und selbst heute noch gerne als Opener für Live-Auftritte herhalten darf. Mit seiner angetäuschten orchestralen Passage am Anfang und dem vergleichsweise hohem Tempo geht er für mich in eine ähnliche Richtung wie “Blitzkrieg” zumal auch hier der Twist darin besteht, irgendwann übermäßig mit dem Vodcoder rumzuspielen und dann wieder auf die Passage am Anfang zurück zu kommen. Aber irgendwas fehlt mir hier. Das ganze ist mir einfach nicht aggressiv genug und wird mir teilweise zu sehr durch die Drums getragen, die hier aber auch ein wenig Durchschlagskraft vermissen lassen.

Auf der anderen Seite steht dann “Death Dies Hard”, das sofort durch ziemlich geile Drums aufhorchen lässt, aber noch nicht mal unbedingt von diesen abhängig ist. Nein, “Death Dies Hard” ist eigentlich ziemlich melodisch, fast schon poppig, spielt aber die Stärken des neuen Stils der Band perfekt aus und ist ein Song, der sehr gut in's Ohr geht und dort auch lange hängen bleiben wird.

Direkt danach wird es mit den nächsten beiden Songs sehr düster. “Mark Of The Gun” überzeugt durch eine ordentliche Heavyness, angenehm makabere Lyrics und starke Vocals, wobei Frontmann “Whiplasher” und Bassist “Skinny Disco” hier sogar ohne weibliche Begleitung auskommen. Und ich muss schon sagen: dann, wenn die Musik auf “Synthetic Generation” etwas in den Hintergrund getreten ist und der “Whiplasher” alleine da stand, war das manchmal etwas holprig. Mittlerweile kann sich die Gesangsperformance aber auch bei einem Stück hören lassen, welches sich stärker auf die Vocals fokussiert.

Danach hätten wir mit “Via The End” einen ganz besonderen Song auf der Liste - sowohl musikalisch, als auch was die Hintergrundgeschichte angeht. Gitarrist “Nightmare Industries” ist der Bruder von Jon Nödtveidt, welcher wiederum Gitarrist und Sänger bei Dissection war. Im August 2006 beschloss Jon Nödtveidt sein Leben zu beenden, indem er sich selbst in den Kopf schoss. Angeblich schrieb “Nightmare Industries” die Musik zu “Via The End” innerhalb von einer Nacht, kurz nachdem er vom Suzid eines Bruders erfahren hat und konnte sich später nicht mehr daran erinnern, während “Whiplasher” den Text dazu schrieb, ohne den Kontext zu kennen, unter dem die Musik entstanden ist. Wie viel davon stimmt, kann wahrscheinlich keiner so genau sagen, aber so oder so bekommt der Song natürlich nochmal eine neue Note vor diesem persönlichen Hintergrund.

Musikalisch weicht er auch stark von den restlichen Songs auf “Night Electric Night” ab. Es ist ein langsamer Song mit viel Piano-Einsatz und eine traurige Ballade über das Thema Abschied und Verlust - nicht unbedingt das, was man von einer Band wie den Deathstars erwartet. Das Ergebnis ist für mich absolut in Ordnung und funktioniert sogar erstaunlich gut für das, was es ist. Ein ganzes Album in dem Stil würde ich mir ungern geben, aber als kleine Besonderheit, die hier hervorsticht, passt “Via The End” recht gut auf das Album.

Mit “Blood Stains Blondes” gewinnt die CD aber sehr schnell wieder einen deutlich leichteren und positiveren Touch, denn dieser Track macht erstaunlich gute Laune. Ja, er ist ein bisschen sehr simpel im Aufbau und Ann Ekberg darf hier zwar noch ihre Stimme zur Verfügung stellen, aber irgendwie nicht mehr richtig singen, aber auch hier muss ich ähnlich wie bei “Death Dies Hard” sagen: wenn die Deathstars den Glam ordentlich in den Vordergrund stellen und alles in ein bombastisches Soundgewand verpacken, dann mag ich mir auch weniger harte und eingängige Songs von ihnen geben.

Auch “Babylon” geht da in eine ähnliche Richtung, wobei mich hier die erste Textzeile
“Say what you want me to do
And I will do it for you
Say who you want me to do
And I will do her too”
Damals etwas unerwartet getroffen und unfreiwillig zum Lachen gebracht hat. Daneben haben wir aber einen ordentlich tanzbaren Track im eher langsamen Mid-Tempo, der fast schon eine hypnotische Wirkung auf mich hat.

Weiter geht's mit “The Fuel Ignites” - einem eher minimalistischen Song mit weniger technischen Spielereien, der erstaunlich rockig daherkommt. Für Deathstars-Verhältnisse ist mir das fast schon zu trocken, allerdings wird die ganze Nummer durch ein sehr ordentliches Tempo und ein absolut geiles Riff gerettet.

“Arclight” ist dagegen für mich ein ziemlich unterschätzter Song, der gegen Ende des Albums leider etwas untergeht. “Night Electric Night” hat ähnlich wie “Synthetic Generation” für mich das Problem, dass sich irgendwann vieles wiederholt, wenn man es am Stück hört und an dem Punkt, wo wir bei “Arclight” angekommen sind, braucht es für mich schon etwas mehr Kreativität und Abwechslung, um mich aufhorchen zu lassen. Aber für sich genommen ballert “Arclight” ziemlich gut rein. Wenn “Chertograd” nicht der perfekte Opener wäre, würde ich sogar soweit gehen zu sagen, dass man das Album auch sehr schön mit “Arclight” hätte eröffnen können und der Song dann deutlich besser zur Geltung gekommen wäre.

“Venus In Arms” ist dagegen nochmal ein kleines Highlight, das an jeder Stelle des Albums für mich richtig gut kommt. Düster-erotische Lyrics, die erstaunlich energisch vorgetragen werden und ein ähnlich harmonisches Tempo mit perfektem Flow wie damals bei “Trinity Fields” machen “Venus In Arms” für mich zu einem heimlichen Favoriten des Albums.

Bleibt nur noch “Opium”, was eine erstaunlich konventionelle Art ist, das Album zu beenden. “No Light” hatte damals noch einen melancholischen Touch, der es vom Rest von “Synthetic Generation” abgehoben hat und “Termination Bliss” war eh etwas ganz eigenes. “Opium” ist hier eher mal mehr vom selben und hat gerade in den Strophen seine Längen. Aber zumindest im Refrain steckt noch ordentlich Power und es wirkt fast so, als würde die Band zum Schluss nochmal ihre gesamte Energie loswerden wollen - insgesamt solide.

Falls ihr die Gold-Version habt, winken aber noch drei Bonustracks. Das erste wäre der “The Night Ignites Remix” von “Night Electric Night” und es ist wirklich ein ganz klassischer Remix, wie man sich ihn vorstellt: die Gitarren machen Platz für ein paar fette Beats, alles ist noch elektronischer und im Grunde wurde einfach das Genre geändert. Die Umsetzung ist qualitativ eher gut, aber von all den Songs, bei denen ich mir so einen Remix vorstellen könnte, wäre “Night Electric Night” ziemlich weit unten auf der Liste.

Das nächste wäre dann eine Piano-Version von “Via The End”. Hey, das klingt doch gut, oder? Hat bei “Termination Bliss” doch auch super funktioniert, oder? Ja, aber bei “Termination Bliss” hatten wir einen Song, der sich im Original nicht so stark auf das Piano verlassen und durch diese Version eine ganz neue Richtung bekommen hat. Bei “Via The End” dagegen steht das Piano ja eh schon sehr im Vordergrund und eine Stärke war es für mich, wie nach und nach mit den Gitarren oder Background-Vocals neue Facetten hinzu kamen. Genau das nimmt man hier einfach alles weg, ohne viel Neues hinzuzufügen. Was bleibt, ist eine sehr minimalistische Version von “Via The End”. Wenn man das Original wirklich sehr mag, kann das vielleicht eine interessante Alternative sein, aber für mich ist das hier eine deutlich schlechtere Version vom Original.

Bleibt noch als letztes eine weitere Version von “Night Electric Night” - yay. Und diese ist wirklich komplett was für Puristen, denn sie ist absolut identisch zum Original mit einer kleinen Ausnahme: Adrian Erlandsson übernimmt jetzt die Drums. Interessant hierbei war für mich vor allem, herauszufinden, wer Erlandsson überhaupt ist, denn ohne dass mir der Name ein Begriff war, habe ich erstaunlich viele CDs bei mir im Schrank stehen, an denen er beteiligt war: Cradle Of Filth, At The Gates, The Haunted oder sogar Samsas Traum waren nur ein paar Bands, in denen er aktiv war/ist. Dass er ausgerechnet die Hauptattraktion bei einem Deathstars-Song werden würde, hätte ich jetzt auch nicht gedacht. Und hey: ich habe zwar vorhin noch geschrieben, dass mich gerade die Drums bei “Night Electric Night” nicht so ganz abgeholt haben, aber das lag wohl entweder an der Abmischung oder am Songwriting, denn Erlandsson macht es für mich auch nicht besser als “Bone Machine”-der vorher an den Drums saß. Man muss schon ganz genau hinhören, um überhaupt den Unterschied heraus zu hören.

Bleibt nur noch die DVD und mal davon abgesehen, dass man Potential verschenkt hat, indem man ihr keinen goldenen Look gegeben hat (so wie damals mit der violetten CD bei “Synthetic Generation”), beeindruckt mich der Inhalt auch nur Bedingt. Cool: es gibt wirklich einige Musikvideos inklusive Making Ofs. Nicht so cool: bis auf das Musikvideo zu “Death Dies Hard” und dessen Making of stammt alles ausnahmslos von der Extended Version von “Termination Bliss”. Im Prinzip ist es 1:1 dieselbe DVD, nur dass das Interview am Ende durch ein neues Musikvideo/Making Of ersetzt wurde. Wenn ihr die DVD von “Termination Bliss” nicht habt, mag das ein guter Deal sein, wenn ihr sie habt, dann gibt es hier wenig zu entdecken.

Damit trägt all das Bonusmaterial leider nicht sehr viel zum eigentlichen Album bei und der Qualitätsunterschied zwischen Silber und Gold ist hier relativ gering. “Night Electric Night” als solches ist aber immer noch ein starkes Album geworden. “Termination Bliss” hatte für mich zwar den besseren Stil und eine deutlich stärkere Tracklist, aber trotzdem hat sich die Band auch hier auf eine ganz nette Art und Weise weiterentwickelt und kann diese Stärken auch ganz gut ausspielen. Ein paar absolute Highlights sind mit “Chertograd”, “Mark Of The Gun” oder “Venus In Arms” für mich auch wieder mit dabei. Wirklich schlecht wird das Album nie, obwohl gerade der Titeltrack, aber auch “Opium” oder “The Fuel Ignites” mir jetzt nicht unbedingt gefehlt hätten, wenn sie nicht drauf gewesen wären.

Punkte: 8.5 / 10


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