Deathstars Decade Of Debauchery (2010) - ein Review von DarkForrest

Deathstars: Decade Of Debauchery - Cover
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1 Review
3
3 Ratings
7.83
∅-Bew.
Typ: Compilation/Best-Of
Genre(s): Metal: Industrial Metal


DarkForrest
15.03.2024 04:57

Die ersten drei Deathstars-Alben - “Synthetic Generation”, “Termination Bliss” und “Night Electric Night” - sind für mich so eine Art eigene Trilogie. Auch wenn die Band danach noch aktiv war und ist und noch zwei weitere Alben rausgebracht hat, haben sich die 2000’er Alben auf eine bestimmte Art anders angefühlt und gehören irgendwie zusammen. Unterstrichen wird das dann zusätzlich noch dadurch, dass Anfang der 2010’er gleich zwei Compilations rauskamen, die diese Phase der Band noch einmal abgeschlossen und sich den ersten drei Alben gewidmet haben. Da hätten wir mit “The Greatest Hits On Earth” einmal eine ganz klassische Best Of und mit “Decade Of Debauchery” eine Sammlung von Remixes und seltenen Tracks.

“Decade Of Debauchery” kam direkt ein Jahr nach “Night Electric Night” raus und es gibt sogar einen Re-Release von dem Album, welches die komplette Compilation als Bonus-CD beinhaltet. Allerdings kann das Ding auch separat erworben werden. Dabei teilt sich “Decade Of Debauchery” in 5 Abschnitte auf: “The Remixes”, “The Remixe Competition Winners”, “The Unreleased Album Tracks”, “The Unreleased Demos” und “The Off Topic Crazy Shit”. Klingt vielversprechend und bietet mit 17 Tracks auch genug Material, um über 70 Minuten lang Spaß zu haben.

Los geht es mit den klassischen Remixes. 6 Stück sind es an der Zahl und ich habe direkt etwas an der Auswahl zu meckern. 5 von 6 Songs für die Remixes stammen von “Night Electric Night” und zwei Songs wurden jeweils gleich doppelt verwendet, sodass wir gerade einmal vier unterschiedliche Songs zur Verfügung haben - Abwechslung sieht anders aus. Gucken wir uns zuerst einmal die doppelten Songs an.

Da hätten wir zum Beispiel “Opium” - den Rausschmeißer von “Night Electric Night” und nicht unbedingt der erste Song, bei dem ich an Remixes denken würde. Wir erinnern uns: starker Refrain mit ein paar Längen dazwischen. Aber der “God Particle Remix” von Pzy-Clone und The Kovenant hat da direkt einen Ansatz, um die Längen zu füllen: er setzt stark auf alle möglichen Effekte, Samples, orchestrale Parts, Riffs, Beats, elektronische Parts - also irgendwie alles - und klingt damit recht überladen. Das sorgt dafür, dass es vor allem in den Strophen nicht langweilig wird, aber der eigentlich gute Refrain unter all dem Krempel erdrückt wird. Es klingt beim Anhören nicht direkt schlecht, aber ist mir gerade für den Anfang etwas zu viel.

Einen komplett anderen Ansatz verfolgt dagegen der “Nightfuture Of Century Remix” - in über 6 ½ Minuten wird auf ein langsames Tempo gesetzt und während der andere Remix hart dagegen ankämpft, dass auch nur im Ansatz mal nichts passiert, lässt man sich hier wirklich Zeit, ein paar sehr atmosphärische und unheimliche Synth-Klänge auf den Hörer wirken zu lassen. Der Refrain und zum großen Teil auch die Vocals selbst treten in den Hintergrund, unterstreichen und ergänzen die Musik aber sehr gut - teilweise auch auf bizarr verzerrte Art und Weise. Damit hätten wir dann auch jetzt schon direkt den ersten richtig geilen Remix, der nicht nur eine Alternative zum Original darstellt, sondern dieses deutlich übertrifft.

Als nächstes haben wir “Babylon” und zwar zuerst im “Underground Lounge Remix” von Deathstars-Gitarristen “Nightmare Industries” persönlich und ich muss sagen: Der Mann versteht echt was davon Remixes zu machen. Der Song wurde ordentlich auf den Kopf gestellt und der Name ist quasi Programm, denn das ganze klingt jetzt nach ziemlich abgefuckter, düsterer Lounge-Music, bei der die Gitarren sehr sparsam eingesetzt wurden und stattdessen ein elektronischer Rhythmus dominiert. Auch der Song, der dafür ausgewählt wurde, passt mit “Babylon” wie Arsch auf Eimer. Sehr gute Arbeit.

Auf der anderen Seite wäre da der Remix von Matt LaPlant - ich gebe ehrlich zu, dass ich keine Ahnung habe, wer Matt LaPlant ist, aber er scheint auch ein bisschen was an professioneller Erfahrung als Musiker mitzubringen. Sein Remix von “Babylon” ist deutlich näher am Original dran, fügt hier und da aber so einiges an neuen und mehr oder weniger passenden Effekten und Samples hinzu - seien es irgendwelche Stimmverzerrer oder orgasmisches Gestöhne. So wirkt das Ganze ziemlich trippy, aber trotzdem nicht so ganz rund. Kann man machen, hat für mich aber keinen großen Mehrwert zum Original.

Auch “Chertograd” hat einen Remix bekommen und zwar von den Dope Stars Inc. - auch so ein Projekt, dass ich nur am Rande kenne und bei dem ich jetzt schlecht beurteilen kann, inwieweit der Remix den üblichen Stil trifft. Allerdings ist “Chertograd” eine seltsame Wahl für einen Remix. Falls ihr von diesem recht epischen, gut ausbalancierten und abwechslungsreichen Song eine um gut eine Minute kürzere und deutlich simplere bis stumpfere Version haben wollt, findet ihr hier sicherlich eine tolle Umsetzung davon, aber warum sollte man das überhaupt wollen?

Damit nicht komplett jeder Remix von “Night Electric Night” stammt, ist immerhin noch ein Anstands-Remix von “Trinity Fields” (im Original auf “Termination Bliss” zu finden) enthalten. Hinter dem Remix mit dem sperrigen Namen “Drop's Synthetic Evolution By Drop / Sybreed” verbirgt sich eine über 5 Minuten lange Version des Songs, welche die ganze Geschichte noch etwas tanzbarer macht und mehr auf treibende Beats und diverse Arten setzt, die Vocals noch mehr zu modifizierten und das Ergebnis ist ganz ordentlich. Kein zu ambitionierter Remix, der sein Ziel aber ziemlich on Point erfüllt.

Als nächstes Kapitel haben wir die Remix Competition Gewinner auf dem Plan. Offenbar gab es damals die Möglichkeit, eigene Remixes einzusenden, von denen dann die besten veröffentlicht wurden. Das ist auf mehrere Arten cool - abgesehen davon, dass wir hier Leute außerhalb der professionellen Szene zu hören bekommen, wirkt das auch alles eher so, als wären die Kandidaten etwas freier damit, bei welchen Songs sie sich bedienen und wie die Umsetzung dann auch klingen soll.

Bestes Beispiel wäre da schon der “Xe-None Remix” von “The Last Ammunition”, der aus dem Song eine reine Techno-Nummer gemacht hat. Dieser Remix ist wirklich rein elektronisch, komplett tanzbar und vergleichsweise flott unterwegs. Für Metal-Puristen wahrscheinlich die absolute Seuche, aber für Leute wie mich ziemlich unkomplizierter Spaß.

Sehr beatlastig ist der “Of These Hope Remix” von “New Dead Nation” unterwegs. Daneben wurden ein paar kurze, abgehackte Gitarrenriffs eingestreut, die in der Kombination absolut geil klingen. Ganz ehrlich: genau sowas hätte “Synthetic Generation” damals echt gebrauchen können. Sehr starker Remix. Einziger Schwachpunkt ist für mich die Tatsache, dass man die Vocals weitestgehend unberührt gelassen hat und die jetzt nicht mehr so gut zur Musik passen.

Und schließlich gibt es dann noch “Catronics Child Of Light Mix” von “The Fuel Ignites”. Interessante Idee: ich fand das Original ja sehr rock- und rifflastig. Genau das hat man jetzt alles über Board geworfen und stattdessen eine eher langsame und verträumte, rein elektronische Version aus dem Song gebaut, die ziemlich gut funktioniert. Auch hier lebt der Remix vor allem von seiner Musik und man hätte die Vocals auch etwas mehr bearbeiten oder sparsamer einstreuen können, aber insgesamt bin ich doch zufrieden damit.

Lustigerweise bieten die drei Contest-Gewinner-Remixes fast schon die konstantere Qualität als die professionellen Remixes. Einerseits sind sie konsequenter darin, wirklich auf Elektro zu setzen (nur der Remix von “New Dead Nation” beinhaltet überhaupt Gitarren) und andererseits hatte man hier die besseren Ideen, was man aus den Songs macht.

Als nächstes stehen die beiden “Unreleased Album Tracks” an - zwei Songs, die denke ich mal aus “Synthetic Generation”-Zeiten stammen dürften und eher so klingen, als wären sie Teil der bisher unveröffentlichten Demo-Tracks, nur dass es diese eben im Vergleich zu den anderen drei Songs nicht auf das Album geschafft haben. Das ist okay, da die Qualität für Demo-Verhältnisse ganz annehmbar ist, aber wer hier sowas wie zwei vollwertige Songs erwartet, könnte enttäuscht sein, da sie doch noch etwas unfertig klingen.

“Black Medicines” ist der etwas metal-lastigere Song der beiden und auch wenn ich es an nichts konkret festmachen kann, klingt er so, als hätte man Elemente daraus für andere Songs auf “Synthetic Generation” verwendet. Im Endeffekt ein harter, simpler Song, der aber nicht so richtig mit dem restlichen Repertoire von den Deathstars mithalten kann und bei dem ich verstehen kann, dass er es nie auf ein Album geschafft hat.

“Division X” hat ähnlich viel Power, ist aber etwas elektronischer und vor allem kreativer. Er hat einen ziemlich starken Wiedererkennungswert und hier finde ich es fast schon schade, dass es davon keine Version gibt, welche auf Album-Niveau abgemischt wurde. Hätte dem ersten Album teilweise mehr Charakter gegeben, als so mancher Song, der es am Ende tatsächlich auf “Synthetic Generation” geschafft hat.

Mit “Revolution Exodus” gibt es dann den ersten Demo-Song, der tatsächlich später auf dem Album zu hören ist und okay… Etwas ranziger ist die Abmischung dann schon noch im Vergleich zu den beiden Songs davor. Aber gerade bei “Revolution Exodus” klingt das nicht unbedingt schlecht. Die Gitarren sind hier sehr dominant und die Vocals wirklich mal… was anderes. Zum Teil merkt man hier, dass die Jungs ursprünglich aus der Death Metal Szene stammen.

“Our God The Drugs” ist zwar auf “Synthetic Generation” erschienen, aber nur auf der limitierten Version. Es dürfte also eine gute Anzahl an Leuten geben, die nur die Demo-Version kennen. Und die ist wirklich ziemlich heavy. Inhaltlich unterscheidet sie sich kaum vom Original - sogar die weiblichen Vocals sind hier schon dabei - aber die Growls und der chaotische Sound geben dem Song eine komplett andere Stimmung. Ich mag tatsächlich beide Versionen.

“Genocide” klingt dagegen für mich in der Demo-Version noch ziemlich unfertig. Vor allem die Vocals sind viel zu leise abgemischt und die Drums klingen auch etwas komisch. Die fertige Version ist schon eher ein Filler für mich und als Demo würde ich es nur bedingt empfehlen, aber es ist schön, einmal den Unterschied zu hören und das war ja denke ich auch der Sinn dahinter.

Alles in allem ist es super interessant, sich einmal das alte und unveröffentlichte Zeug anzuhören. Ist jetzt nicht unbedingt das, was bei mir oft in der Playlist landet und wohl auch eher etwas für Fans, aber am Ende trotz allem qualitativ doch erstaunlich gut.

Zu guter Letzt haben wir am Ende den “Off Topic Crazy Shit”, der gleich mal mit dem “Fuel For Cowboys Remix” von “The Fuel Ignites” eröffnet wird - erstellt von Bassist “Skinny Disco”. Und ja: es ist genau das, wonach es klingt - eine Country-Version inklusive Banjo und allem was dazu gehört von “The Fuel Ignites”. Und was noch schlimmer ist: es funktioniert tatsächlich irgendwie. In der Theorie passt das so gut zusammen wie Ananas auf Pizza, aber ich mag diesen Remix tatsächlich auf eine unironische Art und Weise und finde ihn ganz stimmungsvoll.

Danach folgt die “Necrocock / Masters Hammer” - Version von “Chertograd”, bei der ich nicht so richtig einordnen kann, was diese versucht darzustellen. Erinnert mich ein wenig an die etwas schrägeren Remixes von Rammstein-Songs, die sich oft auf deren Singles wiederfinden und die man kaum einem Genre zuordnen kann. Auch hier lässt sich das Gehörte kaum beschreiben, ist nach gut 2 Minuten aber auch wieder so schnell vorbei, wie es angefangen hat.

Den Abschluss bildet dann der “Phoebus Remix” - nochmal von “The Fuel Ignites”, der sich irgendwo zwischen Techno und Pop bewegt und keine Angst davor hat, einfach ein wenig herumzuspacken. Klingt ein bisschen so, als ob der Remixer den Song als Spielweise benutzt hat, um sich mal ordentlich auszutoben oder wie etwas, das man nachts um 4 im Club spielt, wenn alle maximal besoffen sind. Als Freund der Weirdness mag ich diesen Remix allerdings. Allerdings ist er eine kleine Mogelpackung: der Track geht nämlich über 7 Minuten, endet aber schon drei Minuten vorher und der Rest ist nur Stille - ohne Hidden-Track oder so.

Und damit endet dann auch die “Decade Of Debauchery” und als Fan kann ich schon sagen, dass sich die CD insgesamt lohnt. Die Remixes sind etwas durchwachsen (wie das bei Remixes nunmal meistens so ist), aber alles in allem ist die Quote an guten bis sehr guten Remixes in Ordnung. Man sollte natürlich für elektronische Musik und Metal gleichzeitig offen sein, um damit etwas anfangen zu können, aber das dürfte bei Fans des Industrial Metal und insbesondere der Deathstars ja eigentlich gegeben sein.

Die unveröffentlichten Songs und Demoaufnahmen richten sich vor allem an Fans, die mal reinhören wollen, wie alles angefangen hat und die letzten drei Remixes sind auf sehr angenehme Art maximal experimentell und bescheuert.

Ich muss sagen, dass ich hier auf meine Kosten gekommen bin und für Fans ist “Decade Of Debauchery” auf jeden Fall die interessantere der beiden Compilations. Auf der anderen Seite sollte man schon einigermaßen mit den ersten drei Alben vertraut sein, um mit “Decade Of Debauchery” etwas anfangen zu können. Anfänger sind sicherlich mit der Best Of “The Greatest Hits On Earth” besser bedient. Außerdem sollte man das hier wirklich eher als Bonus-Material betrachten und hier nichts im Sinne eines neuen Albums oder einer EP erwarten. Aber wenn man weiß, worauf man sich einlässt, kann man mit “Decade Of Debauchery” eine Menge Spaß haben.

Punkte: 8 / 10


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