Wir haben es hier mit einer sehr guten Umsetzung der Konzeptalbenidee zu tun. Sicherlich wendet es sich inhaltlich an Kinder, aber auch als Nicht-Kind kann man sehr viel Spaß am Album (was strenggenommen ein Doppelalbum ist) haben. Zum Einen ist die Strukturierung einer konkreten Geschichte in gut 30 Minuten so gut gelungen wie selten zuvor - die meisten Konzeptalben die ich kenne neigen dazu ihren roten Faden zwischendurch zu verlieren oder ein Thema zu generell beleuchten zu wollen. Zum Anderen erfreut mich die musikalische Darbietung. Das ganze Album ist außerordentlich stimmig arrangiert und abwechslungsreich. Ich habe bei den meisten Liedern das Gefühl mir etwas Bekanntes zu hören, ohne ein konkretes Lied benennen zu können. Es wirkt so als wären die schönen Harmonien und die Instrumentierung den popmusikalischen Highlights der späten 60er und frühen 70ern entliehen. An der einen Stelle denkt man, hm, das ist doch aus einem Beatles-Stück. An anderer Stelle fühlt man sich ein bisschen an das Album Odessey & Oracle von The Zombies erinnert. Am stärksten jedoch ist für mich das Assoziation mit einem meiner liebsten Kinks-Alben – Schoolboys in Disgrace. Als Konzeptalbum über die Schulzeit kommen dort inhaltliche Parallelen dazu (z.B. beim Thema Mobbing in 'Super Goober' bzw. 'Jack The Idiot Dunce'). Allein deshalb dürfte Goodbye, Smile Mile zur kindlichen Früherziehung sehr nützlich sein; vielleicht bewahrt es sie davor in späteren Jahren einem schlechten Musikgeschmack zu frönen.
Besonders kinderfreundlich finde ich den Erzähler, der vor jedem Lied in wenigen Sekunden zusammenfasst was passiert, das macht es sehr leicht allem zu folgen, auch wenn es nicht die Muttersprache ist.
Achtung, Spoiler:
Wie es sich gehört ist eine Lebensweisheit inklusive. Auf seinem Irrweg durch den Wald trifft Jolly Joe den kinderfressenden Bär, der auch ausgelacht wird:
„Mach dir nichts draus, wenn dich andere auslachen.
Du kannst es sowieso nicht allen recht machen.
Ich weiß das, alle haben mich kritisiert,
weil ich ein kinderfressender Bär bin, den Fleisch nicht interessiert.“
Es folgt ein gewagter Reim von Bär auf Vegetarier (bei den deutschen Texten merkt man an einigen Stellen dass das Songwriting auf Englisch war, aber die Übersetzung ist trotzdem deutlich besser als z.B. bei der englischen KOOK von Tocotronic oder dem beatleschen Kleinod 'Komm gib mir deine Hand'), und dann brechen sie auf zurück nach Hassstadt. Und die Moral von der Geschicht': vor Problemen weglaufen lohnt sich nicht.
Ich möchte aber anmerken dass es Ausnahmen gibt, liebe Kinder. Ist man z.B. im späteren Leben professionelle/r Bankräuber/in, sollte man sehr gut vor den Problemen wegrennen können. In den meisten Fällen hat aber der kinderfressende Veggibär recht. Auch Kant hat in den meisten Fällen recht, aber dafür braucht es wohl ein anderes Konzeptalbum.
Erstveröffentlichung: www.tantepop.de/2013/12/the-benja-men-goodbye-smile-mile.html
Punkte: 9 / 10