Bislang stand Allen / Lande für bombastischen Melodic Metal, getragen von zwei der geilsten Stimmen im Genre, wenn nicht dem ganzen Musik-Universum. Die beiden Frontsäue haben sich gegenseitig die Klinke in die Hand gedrückt und die Songs waren perfekt auf sie abgestimmt.
Nicht so bei „The Great Divide“. Dieses vierte Album des Projektes klingt eher nach einer abgeschwächten Form von neueren Stratovarius als etwas anderes. Schnell wird klar, da haben sich zwei gefunden. Doch sie heissen leider nicht Lande und Allen, sondern Lande und Tolkki. Ersterer lebt sich voll und ganz aus, fast als hätte er bloss die Band und den Produzenten, nicht jedoch seinen Gesangsstil gewechselt (im Gegensatz zu den drei Vorgängern, auf denen er sich durchaus offen für andere Vocal Melodies zeigte, als die für ihn typischen). Auch gehen jede Menge Facetten verloren. Die Texte stammen ebenfalls grösstenteils von ihm, ein krampfhafter Versuch, in fremden Gefilden zu rudern. Das wäre ja auch weiter kein Problem, wäre das tatsächlich eine neue Tolkki-Band mit ihm als Sänger.
Aber hier landen wir schon beim nächsten Problem: Wo ist eigentlich Russell Allen in dem ganzen Zirkus abgeblieben? Seine Stimme ist kaum wieder zu erkennen, klingt seltsam verzerrt, um nicht zu sagen „herunterproduziert“. Jorns hingegen klingt abgesehen von dem hintergründigen Gedudel mehr oder weniger normal. Schon seltsam, das. Bei den Duetten hört man Russell fast nicht, die für ihn bestimmten Songs klingen mehr wie – richtig – Jorn-Tolkki Songs. Das Letzterer schon lange kein besonders gutes Gespür für gute Melodien oder auch nur ein harmonisches Tempo mehr hat, macht es auch nicht besser.
All dies nicht genug, ist das Artwork (das ich normalerweise nicht mitbewerte) lieblos hingeklatscht und im Booklet fehlen die Texte. Ich hüte mich davor, bei Frontiers „Ausverkauf!“ zu schreien, aber mir erschliesst sich auch nicht, worum es hierbei sonst gehen soll. Darum, zwei Götter zu einem spektakulären Soundprojekt zu vereinen, jedenfalls nicht mehr.
Da höre ich lieber „The Showdown“, „The Battle“ oder „The Revenge“, bei denen Karlsson (und seine Mitstreiter Anders Theo Theander, Mitproduzent bei „Battle“ und Dennis Ward, Mixer von „Revenge“) die Feinheiten beider Stimmen auf so grandiose Weise berücksichtigt haben.
Punkte: 2 / 10