Eisregen Marschmusik (2015) - ein Review von metal lounge

Eisregen: Marschmusik - Cover
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1 Review
10
10 Ratings
6.25
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal



10.11.2015 23:36

Beim Hören von „Marschmusik“ fallen mir folgende zwei Szenarien ein.

1)
Saßen in einer Erlanger Spelunke die Musiker von Ordensburg (wohl aus bayerischen Gauen stammende völkisch gesinnte Kleingeister, die den nächsten Versuch eines Großdeutschen Reichs mit Black Metal herbeimusizieren möchten) und von J.B.O. (J.B.O. halt) halbwegs lustig beisammen. Alles gut soweit, dann aber musste man ja auch mal über Musik ganz allgemein und die eigene ganz speziell reden. Bot sich ja an.
- „Ich finde die Musik an sich echt ganz gut, aber sagt mal, meint ihr das eigentlich ernst mit euren Texten?“
- „Was? Ach so, nein, natürlich nicht! Haha!“ [Band blinzelt sich verstohlen zu] „Habt ihr das echt geglaubt? Hahaha! Und ihr?“
- „Ach was, Unsinn, alles nur Spaß! Hehe! Wo denkt ihr hin? Das wär ja Quatsch!“ [Band blinzelt sich verstohlen zu].
- „Na dann.“
- „Puh. Und ich dachte immer…“.
- „Prost!“
Großes Gelächter.
- „Ja, dann, äh, wollen wir nicht mal was zusammen machen? Provokant, aber nicht ernst gemeintes. Bisschen geschmacklos, aber schon auch lustig irgendwie. So richtig NS-Kriegsthemen, aber nicht so Marduk-ernst oder Hail of Bullets-historisch-todernst, sondern auch mit witzigen Liedtiteln wie z.B. Brummbär oder Panzerschokolade!“
- „Brummbär, harharhar! Wie geil! Das wird die EP!“
- „Und vor allem, hey, ne Menge Metal Fans werden für so was echt viel Kohle ausgeben. Da könnten wir sicher gut Asche mit machen, weil sich auch total viele Leute provozieren lassen und sich aufregen werden, und das ist immer super Werbung .“
- „Gut, wir nennen uns doch EISREGEN!“
- „Jawoll! Hurrrraahhh!“

Nach wochenlanger Platzierung weit oben in den Charts und einer sagenhaft erfolgreichen Clubtour mit auf ihre spezielle Weise ähnlich gurkentruppigen Bands wie Debauchery und Milking the Goatmachine dann eines Abends am Telefon.
- „Ach übrigens, das wollte ich jetzt doch noch sagen, hmm, wir haben unsere Texte von Anfang an sehr ernst genommen.“
- „He, Scheiße! Das gibt’s doch nicht! Ihr seid echt totale Deppen! Aber, tja, äh, wir auch.“
- „Hey, ihr Vollidioten, ich habe es mir doch gedacht! Das war’s jetzt!“


2)
Eisregen nehmen geschlossen an einer der gewaltigsten Reenactment-Ereignis teil, dem getreuen Nachspielen der Schlacht um Stalingrad. Es soll, um möglichst authentisch zu sein, einen ganzen russischen Winter lang gehen. Nach etlichen Wochen aber ist die anfängliche Begeisterung etwas getrübt und die Band beschwert sich bei den Veranstaltern. „Warum müssen wir eigentlich immer verlieren? Wir finden, das ist echt doof. Könnten wir da nicht was ändern? Wir wollen nicht immer nur im Kessel hocken und so langsam zusammengeschossen werden.“ Gut, der Veranstalter, ein Russe mit angeblich guten Kontakten zur Staatsführung und doch tatsächlich ein ehemaliger Sowjet-Panzergeneral, gibt ein kleines Zugeständnis. Generell machen könne er nichts, auch die Eisregenmusiker müssten erdulden, hier historisch genau entweder das Verrecken nachzuspielen oder halt ab nach Osten in die Gefangenschaft. Was von beidem, das werde sich noch zeigen. Aber die Band dürfe sich ihr neues Album „Marschmusik“ auf Schellack gepresst stilecht mit einer Tante Ju aus Berlin einfliegen lassen.
Das geht dann auch eine Weile gut, bis der General irgendwann vom lauten Mitsingen der Band genervt ist und da noch etwas Kleingedrucktes in den Teilnehmer-Vertrag der Band einfügt, „Marschmusik“, denkt er sich, „das könnt ihr haben!“. Und das Schicksal der Band ist besiegelt: Die russischen Darsteller dürfen ihre Geschütze zwar nach wie vor nicht mit scharfer Munition bestücken, aber das mit einem echten Strafgefangenlager tief in Sibirien hinten kann auch im heutigen demokratischen Russland mal eben locker gemacht werden. So. Und während alle anderen Darsteller sich wieder auf den Weg nach Hause machen, wird es für Eisregen ernst: „Wie bitte, ihr wollt uns doch wohl verarschen?!?“ – „Leider nein. Njet. Dawai, Fritz, dawai!“ Und, hossa, los geht’s! Die Schellackplatte ist längst zerbrochen, aber die Jungs können die Texte auch so singen. Noch, aber das Eisenkreuzkriegertum vergeht ihnen bald. Denn mit immer weiter von der Kälte aufgerissenen Lippen und immer mehr Erfrierungen will das Singen langsam einfach keine rechte Freude mehr machen. Aus der Marschmusik ist ein jämmerliches Gestolper geworden, dem Ende entgegen. Das Blut pulsiert längst nicht mehr in den Adern, ein Stückchen Schokolade wär jetzt das Allergrößte, und die ferne Erinnerung an siegreiche Panzerschlachten verblasst in unsagbarem Elend.
Nur Einer von ihnen sollte Jahre später wieder in die Heimat zurückkehren, innerlich völlig zerstört und für immer geläutert zugleich. Nie wieder würde er auch nur einen weiteren so erbärmlichen Song in Eisregen-Art aufnehmen. Nein, nicht einen Ton.


Was? Habe ich geträumt, diese musikalisch absolut mittelmäßige Band wäre endlich weg und würde uns nicht mehr mit ihrem Müll belästigen? Muss wohl so sein. In Wahrheit arbeiten EISREGEN sicher schon an ihrem nächsten Streich.

So. Und jetzt ist es aber mal gut.


Wer es noch nicht gemerkt haben sollte, EISREGEN nerven mich seit Jahren mit ihrer wieder sehr konsequenten Art, ihr Wirken auf die Spitze zu treiben, ganz schön: Tourankündigungs-Sticker in den Reichsfarben rot weiß schwarz, usw. Wenn sie endlich mal all ihre Kreativität in richtig gute Musik stecken würden, dann könnte ich ihnen langsam auch solchen Quatsch wie „Marschmusik“ mit seinen dumm betitelten Liedern mit dummen Texten verzeihen. Vielleicht. Nein, besser nicht. Aber EISREGEN haben ihre Vision, und die verfolgen sie, leider bestätigt durch ihren relativ großen Erfolg. Ist halt so. Ich mag die Musik der Band einfach nicht. Das Anhören der Lieder war unerfreulich genug, ich mach das auf youtube z.B., in die Sammlung wird mir sowas nie und nimmer kommen. Die Arschbombenrezension im Rock Hard habe ich mit Freude gelesen. EISREGENs ärgerlichen Humor siedele ich tatsächlich irgendwo in der Schnittmenge aus den schon lange kaum mehr zu ertragenden J.B.O. und völkischen, wohl doch eher humorlosen Truppen an. Alle genannten Bands, die sich hier unverstanden fühlen könnten: Ihr habt es verdient, bei dem, was ihr so macht.

Trotzdem: Ein herzliches Danke an EISREGEN, weil ich zu „Marschmusik“ auf so ulkige Ideen gekommen bin! Und jetzt, liebe EISREGEN-Verehrer, seid ihr dran, euch positive Geschichten einfallen zu lassen.

Punkte: 2 / 10


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