Wenn man sieht, wieviel Megadeth im Gepäck haben, was sie sich auf "Into the Lungs of Hell" einfach mal so aus den Ärmeln schütteln, wie sie mit "Set the World afire" wieder pure Verwüstung bringen, und wie sie "In my Darkest Hour" spielen, so dass der Hörer sich richtig in dem Lied verliert, während er nebenher noch zum Stück mitschwangt, dann haben wir es hier definitiv nicht mit einem typischen "Play and Bang"-Werk zu tun. "So Far, So Good..." hat bei mir von Anfang an etwas mehr Arbeit zum reinhören benötigt als die Werke davor und danach, denn Hits wie auf "Peace Sells..." oder die Thrashessenz auf "Rust in Peace" sind hier nicht so ausgeprägt vorhanden. Nach dem Intro und "Set the World afire" sind Megadeth nämlich auf andere Sachen aus, als nur darauf, sich die Instrumente plattzuspielen. Das zeigt schon das dritte Stück, das Sex Pistols Cover "Anarchy in the U.K.": Megadeth haben schon auf ihrem Debüt ein Lied von Nancy Sinatra umfunktioniert. Hier allerdings haben sie das Lied weniger zu was Megadethartigem gemacht, als "These Boots".
Auch "Mary Jane" ist eher im Midtempo gehalten und bricht erst gegen Ende aus sich heraus. Was nicht heißt, dass es langweilig ist. Das Songwriting reißt den Hörer deutlich mit, auch wenn es nicht im Highspeed ist, wie gewohnt.
"502" ist eigentlich der Anfang der ganzen Lieder, die später vom im Highspeed auf der Straße landen. Der Anfang lässt schon ziemlich Adrenalin aufkommen und sobald Dave mit " Pull over, shithead, this is the cops!" kommt, ist man in der richtigen Stimmung für das Stück. Wie gewohnt schlittert man von einem Riff zum nächsten, Soli, wo es Platz hat und Samples wie rasende Motorräder oder Polizeisirenen machen das Lied zu einem richtigen Erlebnis. Wer mehr will, kann ja mal "1.320" auf dem Album "Endgame" oder "Fast Lane" auf "Th1rte3n" hören.
"In my Darkest Hour" ist ebenfalls abwechslungsreich. Mag das Stück anfangs noch mit dem gleichen tiefen Riff eher monoton klingen, baut es sich in den 6 Minuten so auf, dass man sich richtig reinfühlen kann in das Stück. Gut, emotionale Momente lassen Megadeth zu dieser Zeit noch nicht zu, doch irgendwie sickert zwischen den ganzen Riffmauern doch ein paar düstere und triste Andeutungen durch, die den Hörer in den Bann ziehen.
Mit "Liar" dürfte wohl ein Disstrack in Thrash Metal Manier geboren worden sein. Liest man sich die Lyrics durch, kommt einem eine Rapcrew in den Sinn. Man müsse sich mal ein Musikvideo zu diesem Track vorstellen. Megadeth spielen um ein Tonnenfeuer, sammeln ihre Producer und Manager um sich, die alle hinter ihnen fett und böse posen, Dave headbangt in einem Cabrio oder bindet die Leine seines Pitbulls um seine Gitarre, während er darauf herumschrubbt? Aber zurück zum Song: "Liar" ist ein typisch hochwertiger Thrasher, der seinesgleichen erst auf der "Rust in Peace" wiederfindet.
"Hook in Mouth" - ein paar Saitenhiebe, darauf folgt eine nette Basspassage. Das Stück baut sich langsam auf, aber dann eskaliert es mit einem fetten abgedrehten Solo vor und nach dem Chorus. Nicht nur Judas Priest hatten ein Problem mit der P.M.R.C. (siehe "Parental Guidance"), der Chorus, eine wahre Mitsingpassage, zeigt genauer, was mit dem "Haken im Mund" gemeint ist. Am Ende macht Mustaine noch mal nachdrücklich klar "I'm not a Fish, I am a Man, Hook in Mouth!"
Leider vergisst man meist, dass es dieses Album gibt. Dafür sind Vorgänger und Nachfolger zu bekannt und auch viel zu eingängig. Und wenn Megadeth was aus diesem Album spielen, dann meist nur "in my darkest Hour", was dieses Werk leider nicht komplett repräsentieren kann. Nehmt euch die Zeit für dieses Album, ihr werdet es lieben!
Punkte: 10 / 10