"Der halbnackte Mann lief durch den Wald, bemalt mit blauen Linien, die seinen ganzen Körper bedeckten, verschlungen und spielerisch miteinander kämpfend, immer versucht, sich niemals zu treffen und dennoch ein großes Ganzes bildend, die Stammesgeschichte des Mannes beschreibend. Er lief und lief, brach durch das Unterholz des tiefgrünen Waldes und machte dennoch kein Geräusch. Sein Gesicht verziehend, sprang er durch den Saum der Bäume und ... stockte. Was er sah, machte ihn stutzig: Auf der großen Lichtung, heimlich beleuchtet durch den Mond, der auf den Weiher schien und geheimnisvoll zu flüstern schien, stand ein wild aussehender Mann. Bekleidet mit einem fremden Stoff, Leder und Nieten, langhaarig, in seinen Händen eine Axt, bespannt mit sechs Saiten. Doch was den Läufer noch viel mehr verwirrte, ja, erschreckte, waren die Türme, die sich haushoch hinter dem Mann auftürmten. Auf ihnen stand, geschrieben, in einer fremden Sprache, das Wort "Marshall" ... im nächsten Augenblick, keine Sekunde später, brandete ein unglaublicher Lärm aus den Türmen hervor, alles niederwalzend, was sich ihm in den Weg stellte."
Und genau dieses Bild habe ich vor Augen, wenn "Slania" von ELUVEITIE aus meinen Boxen schallt. Einerseits finden wir die wunderbaren keltischen Melodien, getragen von akustischen Instrumenten wie der Hurdy-gurdy oder der Violine, jederzeit einladend, der Geschichte des oben beschriebenen Kriegers zu folgen. Auf der anderen Seite finden wir stampfende Todesblei-Nummern, die keinen Stein auf dem anderen lassen und bisweilen vom Melodic Death Metal in Richtung Metalcore abdriften, ganz im Sinne des Axtschwingers.
Sobald die Regler der metallischen Hälfte des Oktetts aufgedreht werden, spielen die Folk-Elemente im wahrsten Sinne des Wortes nur noch die zweite Geige. Dann rückt die charismatische Stimme von Chigel in den Vordergrund, die sägenden Gitarren und die treibende Doublebass von Merlin. Die akustischen Elemente umspielen dann allenfalls die Melodielinie, akzentuieren lediglich die klassischen Death-Elemente. Alles spitzt sich nun in der Frage zu, ob dieser Mix so funktioniert, ob der Folk nicht zu kurz kommt oder sogar deplatziert wirkt.
Diese Frage lässt sich meines Erachtens nach mit einem ganz klaren Votum für ELUVEITIE beantworten: Es passt, sitzt und hat Luft. Zum einen finden wir vier Folk-dominierte Lieder, alle eine andere Stimmung verbreitend, alle eigenständig und einfach schön. Hier kommen dann auch weibliche Gesangparts ins Spiel und die Folk-Instrumente entfalten ihre volle Wirkung. Diese ruhigeren Songs stehen nun eigentlich im krassen Gegensatz zu den mit Folk-Parts angereicherten, schnelleren Nummern. Doch der Clou steckt in der Abwechslung. Und da ist ELUVEITIE etwas wirklich Gutes gelungen, denn das ganze Album schafft einfach ein wunderbares Gesamtbild. Und deswegen ist das Songwriting auf dem gleichen hohen Niveau wie die Fähigkeiten der einzelnen Musiker und der Produktion im Allgemeinen. Kaufempfehlung!
Fazit: "Doch obwohl diese beiden Männer so unterschiedlich waren, obwohl sie offensichtlich nichts Gemeinsames hatten, schlossen sie sich in die Arme, tranken auf Bruderschaft, führten viele gemeinsame Schlachten und wurden so bekannt, gefürchtet, geliebt."
Anspieltipps: Primordial Breath, Tarvos, Elembivos
Zu finden auf Powermetal.de: http://www.powermetal.de/review/review-11233.html
Punkte: 8 / 10