Beim ersten Hören des Albums stellt sich ein gewisses "Jetzt bitte nicht noch eine Ballade!"-Gefühl ein, weil "Von hier an blind" wesentlich ruhiger und mit weniger Elektronik auskommt als der Vorgänger und dementsprechend auch ein paar mehr gefühlsbetonte Lieder zu bieten hat. Sobald man sich in das Album hereingehört hat, schwindet dieser Eindruck jedoch schnell und man versinkt regelrecht in den tiefgründigen Texten. "Wenn es passiert", Opener und gleichzeitig Singleauskopplung Nummer vier, erzählt von dem Moment, in dem man eine Bühne betritt oder zumindest davorsteht. Diesem einzigartigen Moment, den man eigentlich gar nicht so recht in Worte fassen kann. Weiter geht es in "Echolot" mit einer kleinen Psychoanalyse, in der Sängerin Judith Holofernes ihre Angst vor Haifischen umschreibt und zu verarbeiten versucht. Näheres dazu erfährt man auf der Bonus-DVD, die der Erstauflage beiliegt.
Das Titelstück des Albums, "Von hier an blind" also, ist definitiv der Aufreißer des Albums. Ab hier geht das Album so richtig los. Ohne die beiden Songs davor schlecht reden zu wollen, fehlt der CD bis dahin ein wenig Schwung, der hier durchaus zu finden ist.
Weiter geht es textlich mit Gesellschaftskritik ("Zuhälter"), Beziehungsproblemen ("Geht auseinander") und dem ersten Diss in der Bandgeschichte: "Zieh dir was an" richtet sich speziell gegen bestimmte Personen des öffentlichen Lebens, die sich des Geldes wegen quasi verprostituieren und halbnackt über die Mattscheibe laufen.
Durchaus tanzbar ist die Platte ebenfalls, denn spätestens bei "Gekommen um zu bleiben" hält es den geneigten Hörer nicht mehr still auf seinem Stuhl. Das Arrangement, das ein wenig an die Musik des frühen 20. Jahrhunderts erinnert, lässt den Blick allerdings allzu schnell von dem Text abgleiten, in dem die Helden sich gekonnt mit One-Hit-Wondern auseinandersetzen, die schnell wieder von der Bildfläche verschwinden.
Alles in allem bietet dieses Album alles, was man nach "Die Reklamation" von einer Wir sind Helden-Platte erwartet hatte - nur eben ganz anders. Die CD ist wesentlich direkter, die Instrumentalisierung vergleichsweise abgespeckt und Judith Holofernes hat ihr nerviges laut-zwischen-den-Zeilen-Atmen glücklicherweise abgestellt. Gesellschaftskritisch und liebesbejahend ist dieses Album rundum gelungen, auch wenn es im Dauertest wohl nicht um eine längere Pause herumkommt, da - vor allem durch die letzten beiden Stücke bedingt - schneller als gedacht der "Jetzt bitte nicht noch eine Ballade!"-Effekt wiederkehrt, der ja eigentlich schon widerlegt schien.
Punkte: 7.5 / 10