Wenn man so wie ich nur das Cardsleeve zur Hand hat, dann ist es schonmal eine Herausforderung die einzelnen Songs halbwegs zuzuordnen, denn die Rückseite ist ungefähr so chaotisch wie das Cover und natürlich ohne Tracklist. Dass manche Songs einfach so zusammengelegt wurden und auch ein namenloses Instrumental mit dabei ist macht die Sache nicht leichter. Es kann also gut sein, dass ich hier was durcheinander bringe, aber ich gebe mir Mühe. Ansonsten ist das Chaos hier natürlich gewollt und musikalisch sind wir in einer ziemlich krassen Nische irgendwo zwischen Grindcore, Punkt und Thrash Metal unterwegs.
Den Anfang machen drei Songs von Festival Der Geisteskranken, auf die ich erst durch "Hat Megatonnen Gift In Sich" aufmerksam geworden bin. "Liebling Der Götter" hat es dann auch später auf "Burn Manson Burn" geschafft und stach dort ziemlich (positiv) hervor. Schöne Kombination aus elektronisch verzerrtem Gesang, female Vocals und Gitarren. Was dort die Ausnahme war ist hier die Regel: alle drei Songs sind in diesem Stil gehalten, variieren aber ziemlich in Tempo und Härtegrad. Vor allem "Krüppel" geht zwischenzeitlich ziemlich nach vorne, kann mich aber gleichzeitig von den dreien am wenigsten beeindrucken - in den schnellen Passagen ist außer Geschrammel nicht viel zu hören und wenn das Tempo mal reduziert wird, dann entsteht schnell Leerlauf.
Der Abschluss "Recycle Your Body / Totenschiff" (streng genommen eigentlich zwei Songs) macht dafür alles wieder gut und hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Dafür sollte man es allerdings mehrmals gehört haben. Ich kann hier gar nicht auf alles einzugehen, was in den über 7 Minuten so alles eingebaut wurde. Nur so viel: bis wir von einer ziemlich schrägen Version von Marlene Dietrichs "Ich Bin Die Fesche Lola" zum psychedelischen "Totenschiff" kommen erleben wir eine Menge Tempowechsel, Samples, Telefonsex und Material aus dem man locker 3 Songs hätte machen können.
Engelwerk, die sich auf ihrem späteren Album "Wet Look" ebenfalls sehr abwechslungsreich und musikalisch schwer greifbar geben setzen hier ebenfalls klar auf einen bestimmten Stil, den ich jetzt mal "Goth Rock meets Trash Metal" nennen würde. In der Praxis sieht das so aus, dass cleane Vocals sich mit Gekreische munter abwechseln und ein und derselbe Song sowohl kitschig als auch richtig schön abgefuckt klingen kann. Das funktioniert unterschiedlich gut. Während bei "Radio Engelwerk" bei mir noch nicht so viel hängen bleibt, geht das Konzept bei "Bitterlich" für mich in der Form komplett auch. Aber auch das etwas langsamere "Dark Angels" funktioniert in dieser Form ganz gut.
Als nächstes hätten wir ein Thrash Metal Projekt namens Use Your Strength (hier als U.Y.S. bezeichnet) von denen ich weder davor noch danach nochmal etwas gehört habe. Sowohl "Herz" als auch "Stahl" sind im Prinzip ziemlich simpel, hauen ordentlich in die Fresse und bestehen gefühlt vor allem daraus, dass der Sänger den Songstitel brüllt. Okay "Stahl" beginnt mit Chorgesängen, bei denen jeder sofort weiß, dass sie jeden Moment brutal unterbrochen werden. Ich weiß nicht, ob mich das ein ganzes Album lang nicht doch irgendwann aufgrund akuter mangelnder Abwechslung langweilen würde, aber für zwei Songs kann ich mir das wunderbar geben.
Einen großen Anteil auf "Hat Megatonnen Gift In Sich" machen Untoten aus. Neben drei Songs und einem instrumentalen Intro wurde auch eine Liveaufnahme ausgegraben. Ich kenne Untoten jetzt eher mal durch meine Freundin und bin im Gegensatz zum Sideproject Soko Friedhof nie so ganz an die Band dran gekommen. Nach den drei Aufnahmen hier muss ich das ganze wohl nochmal überdenken, denn sowohl "Kiss Of Death" als auch "Todessehnsucht" sind top notch. Am besten gefällt mir aber das rockige "An Einem Strang" - ganz starke Leistung von Greta Csatlós! Vielleicht habe ich auch einfach nur die falschen Alben gehört, da ich mit Gothic Kitsch und Chanson jetzt nicht so viel anfangen kann. Aber die 90'er Version von Untoten ist nochmal 'ne ganz andere Nummer. Wenn ihr aber wirklich heftige Kontraste wollt, dann gebt euch mal die Live Version von "Berlin Bleibt Schmierstadt" - jep das was ihr da growlen hört ist immer noch Greta Csatlós.
Der nächste Kandidat wäre dann Wishmopper und jetzt wage ich mich schon ziemlich weit aus meiner musikalischen comfortzone, denn klassischer Deutschpunk ist jetzt nicht unbedingt das, was bei mir oft in der Playlist läuft. Gerade "War Es Glück?" und "Sag Mir Doch Was Dich Quält" sind dabei erstaunlich melancholisch, während es mit "Geballte Verblödung" nochmal etwas Konsumkritik gibt. Vor allem "Sag Mir Doch Was Dich Quält" ist bei mir ziemlich gut hängen geblieben und macht ziemlich Bock. Ansonsten sind die drei Songs gut für das, was sie sind ohne dass sie stören oder ich jetzt Lust hätte, mich noch mehr mit Wishmopper zu beschäftigen.
Den Abschluss macht dann Psychopathia Sexualis - ebenfalls eine Truppe, von der ich weder davor noch danach gehört habe. Mit "Der Staat Irrt Niemals", "Wer Bist Du?" und "Hitlers Leiche / Kreischen" haben wir vier Songs am Start, wobei die letzten beiden zusammengelegt wurden. Ganz ehrlich: mir wäre es kaum aufgefallen, wenn man aus allen vieren eine Datei gemacht hätte und statt "Kreischen" hätte ich jetzt eher kräzchen, schrammeln oder dreschen als Titel gewählt. Genau das bekommt ihr hier in den letzten Minuten auf "Hat Megatonnen Gift In Sich" zu hören und alles klingt so chaotisch und gleichförmig, dass ich Probleme habe, hier irgendwelche klare Strukturen raus zu hören. Aber schön, dass wir gegen Ende doch noch was gefunden haben, für das ich einfach zu mainstreamig unterwegs bin. So bleiben Psychopathia Sexualis für mich der schwächste Entry auf der CD, auch wenn sie mich in diesem Kontext auch nicht unbedingt stören.
"Hat Megatonnen Gift In Sich" als solches macht aber immer mal wieder ziemlich Bock und hat zumindest bei mir seinen Zweck voll erfüllt, mir mal die eine oder andere Band darauf näher anzuschauen. Dass bei 6 Bands und 19 Songs nicht jeder ein Volltreffer sein kann ist klar, aber die Quote an Ausfällen ist für die Quantität und das spezielle Genre doch noch recht gering. Die Exklusivität der Songs hängt von der jeweiligen Band ab. Während ihr alle drei Songs von Wishmopper auch von deren Album findet, dürfte zum Beispiel das gesamte Material von Engelwerk exklusiv sein. Alleine dafür hat sich das Ding schon für mich gelohnt. Vielleicht ist "Hat Megatonnen Gift In Sich" kein Meisterwerk, aber einen sehr netten Einblick in ein paar interessante Bands und nettes Material für die etwas keimigere Playlist bietet der Sampler allemal.
Punkte: 8 / 10