Swans My Father Will Guide Me Up A Rope To The Sky (2010) - ein Review von Probatologist

Swans: My Father Will Guide Me Up A Rope To The Sky - Cover
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1 Review
4
4 Ratings
7.88
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Rock: Folk Rock, Noise Rock


Probatologist
11.01.2011 08:13

Ist 2010 das Jahr der Reunions und Comebacks? Nach mehr oder weniger relevanten Künstlern wie KIM WILDE, ACE OF BASE, ALPHAVILLE und OMD dürfen nun auch die Industrial-Rock-Pioniere SWANS nach über 12 Jahren Auszeit mal wieder raus aus der Mottenkiste. Nur ist hier sicherlich weniger kommerzielles Kalkül die treibende Kraft, sondern eher das Bestreben von Bandleader Michael Gira, wieder einmal mit einigen seiner früheren Kollegen etwas Krach zu machen, der nicht zu seiner derzeitigen Band THE ANGELS OF LIGHT passen würde. So zumindest ließ Gira es auf seiner Homepage verlauten.

Beweisen müssen SWANS nach einem guten Dutzend Studioalben und einem bereits früh verdienten Kultstatus sicherlich nichts mehr, aber wenn man wie ich als Fan 12 Jahre nach Ende der Band ein neues Lebenszeichen bekommt, steigen die Erwartungen ins Unermessliche. Das ist ebenso natürlich wie auch falsch, denn kaum eine Band kann solche Erwartungshaltungen erfüllen. Das hat nebenbei gesagt natürlich nicht die über 1000 Fans abgehalten, die dieses Album erst mit ihrer finanziellen Unterstützung ermöglichten.

Von daher gilt es die goldene Mitte zwischen rosaroter Fanbrille und überkritischer Mäkelei zu finden. Also, wie viel SWANS ist wirklich auf "My Father Will Guide Me Up A Rope To The Sky"? Und vor allem: wie nötig war diese Reunion?

Kirchturmglocken begrüßen den Hörer beim Opener 'No Words/No Thoughts' als erstes, bevor schwere Riffs und stoisches, repetitives Schlagzeugspiel einsetzen, was man von SWANS so kennt und das es so trotz ähnlicher Besetzung bei THE ANGELS OF LIGHT nur sehr selten zu hören gab. Nervzehrender Gitarrenkrach setzt auch alsbald ein und man fühlt sich als Fans bereits zuhause. Mit treibendem Industrialgroove brettert der Song in für SWANS-Verhältnisse oberen Geschwindigkeitsregionen davon, während Gira seinen bekannten Bariton bordunartig in den Krach einflechtet. Natürlich nicht mehr so lauthals schreiend wie in den 80ern, aber vertraut und gelungen. Hier wird Atmosphäre groß geschrieben, denn es bringt nichts, sich in diesem Wall aus Klang kritisch auf einzelne Elemente zu konzentrieren. Der Song ist einfach nur ein Statement - bestehend aus den industriellen, krachenden Elementen der Frühphase der Band und dem entrückten, hypnotischen Klang der Spätphase. Davon lässt man sich mitreißen, dazu lässt man sich treiben. Einleitung gelungen.

Neben dem Opener sind noch 'My Birth' und vor allem das vor Hitsingle-Potential strotzende 'Eden Prison' genau die Art von Song, die man sich von einem SWANS-Album wünscht und erhofft: mit knallhartem, simplem und tödlichem Maschinenrhythmus in Endlosschleife und sägenden Gitarrenrückkopplungen, während Gira darüber manisch jault und seine Seele offenbart. Richtig guter Krach.

Doch auch die ruhigeren Klänge kommen nicht zu kurz, so bekommen wir bei 'Reeling The Liars In' und 'Little Mouth' modern interpretierten, kauzigen und bluesigen Folk in der Art, wie ihn auch THE ANGELS OF LIGHT hin und wieder spielen. Derartige Parallelen sind unvermeidlich, wenn man sich die Besetzung teilt. Natürlich lässt es sich Gira nicht nehmen, auf ein vermeintlich zugänglichen Stück wie besagtem 'Reeling The Liars In' einem einen makaberen Text voll blutiger und blasphemischer Symbolik zuzuschustern. SWANS mögen heutzutage öfter die ruhigeren und atmosphärischen Momente betonen, aber massentauglich sind sie immer noch nicht. Ecken und Kanten sind ein Markenzeichen der Band.

Der Großteil des Albums wechselt zwischen rauem Krach und trockenem Folk, der von Giras rauer Stimme und seinen bitteren Texten lebt. Der verschrobene Post-Punk von 'Jim', der zu Beginn ein wenig VIRGIN PRUNES und BAUHAUS und gegen Ende eher JOHNNY CASH zu beschwören scheint, und das stellenweise nach dem Soundtrack für einen Mafiafilm klingende 'Inside Madeline' wechseln gekonnt zwischen diesen Extremen hin und her. Das amüsant betitelte 'You Fucking People Make Me Sick' fällt dank Gastsänger DEVENDRA BANHART - seines Zeichens Folk-Sänger und Späthippie - als einziges völlig aus dem Rahmen und erinnert aufgrund des nasalen Gesangs und vereinzelter Kinderstimmen in der ersten Hälfte eher an CURRENT 93, bevor es nach einem abrupten Break zum düstersten Stück des Albums mutiert. Ob jemand den Kindern gesagt hat, wie der Titel heißt, dem sie ihre Stimmen leihen?

Im Großen und Ganzen kann man jedenfalls sagen, dass Michael Gira sich auf seine alten Tage wohl wenig um die Erwartungshaltung der Fans schert und auf "My Father Will Guide Me Up A Rope To The Sky" einfach nur macht, was ihm gefällt. Die Band mag härtere, eingängigere oder experimentellere Alben veröffentlicht haben, findet hier aber einen perfekten Mittelweg und spielt einfach nur ihre Stärken aus, ohne altbacken zu klingen oder alte Kamellen neu aufzuwärmen.

Um also auf die Fragen am Anfang zurückzukommen: es steckt jede Menge SWANS in dieser Scheibe und ich bin froh, dass die Band zurück ist. Für mich ist der größte Kritikpunkt an dem Album nicht der grandiose Inhalt, sondern die Menge. Ein oder zwei zusätzliche Songs hätten "My Father Will Guide Me Up A Rope To The Sky" nicht schlechter gemacht, in seiner jetzigen Form lässt es mich nach rund 44 Minuten Spielzeit zurück mit einem Verlangen nach mehr. Aber vielleicht ist gerade das ja auch ein Merkmal eines guten Albums.

Im Original veröffentlicht unter:
http://powermetal.de/review/review-Swans/My_Father_Will_Guide_Me_Up_A_Rope_To_The_Sky,17214.html

Punkte: 8.5 / 10


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