Aufgrund der Single und der Vorab-Interviews konnte man schon deutlich erkennen, dass dieses Album wohl nichts mehr mit dem klassischen Dendemann zu tun haben wird. Gut (in diesem Fall), dass ich den klassischen Dendemann nicht kenne, da meine musikalische Sozialisation mit anderen Künstlern aus anderen Sparten stattfand und meine Einszwo-CD, aufgrund von Zeitmangel, immer noch ungehört im Regal steht.
Die 2-LP Vinyl-Version kommt im stimmig gestalteten Klappcover, dass eine MacBook-Persiflage ist und liefert die Audio-CD, des Albums, gleich mit, falls man den Plattenspieler fürs Auto mal nicht mitschleppen will.
Der Nesthocker verabschiedet sich gleich am Anfang, klangtechnisch vom HipHop, jedoch nicht ohne seine brillanten Texte beizubehalten, denn schließlich ist nur das Haus zu klein geworden, nicht der Bewohner zu alt. Das bereits als Single erschienene Stumpf ist Trumpf 3.0 bietet eine herrliche redegewandte Vintage-Retrospektive mit gleichzeitiger Gesellschaftskritik an dem hüben wie drüben aufbrandenden Stumpfsinn.
Dendemann behandelt auf dem Tonträger eine großeMenge zuvor so nicht, oder kaum, gehörter Themen. So erzählt er uns auf V.N.D. zum Beispiel etwas über seine Liebe zur Musik, was genauso unverkrampft und klischeefrei kommt, wie seinerzeit Gangsterbraut als Liebeslied für HipHop. 0 Robotta hingegen zeigt sympathisch seine Antipathie gegen Computertechnik. Das kommt zwar ziemlich kauzig rüber, aber man will ihn trotzdem irgendwie dafür lieben, dass er “ein Englisch wie Loddar” drauf hat.
Gegen Mitte flacht das Album etwas ab, was an genau 3 Tracks liegt. Tierisch behandelt ein Thema, dass im HipHop schon fast genauso zu Tode durchexerziert wurde, wie die berühmten Mütter. Petze ist einfach nur eine merkwürdige Sammlung verschiedenster Petze-Rufe, und Es geht bergab will nicht so recht ins Ohr gehen, auch, wenn die Idee vielleicht nicht schlecht war.
Hingegen zeigen die Tracks Und, wenn ja warum? und Hörma Dendes wunderbare Beobachtungsgabe. Was in den beiden Songs an den Pranger gestellt wird ist einerseits die Tatsache, dass man sich für jede seiner Meinungen rechtfertigen muss, zum anderen die in den letzten Jahren geradezu überbrodelnde Toleranzphilie. Toleranz heißt nämlich, wie Dendemann gut erkannt hat, dass man jemandes Meinung akzeptiert und nicht, dass man sie annimmt.
Der obligatorische Plattenliebhabersong in Form von Im a Record Junkie und zurück darf auf einem gerappten Album natürlich auch nicht fehlen.
Die Hits des Albums sind neben dem bereits erwähnten Hörma eindeutig die “Garagenrap-Hymne” Freie Radikale GbRdH, sowie Metapher than leather und Papierkrieg, samt passendem Tocotronic (Ich hoffe ich erzähle gerade keinen Blödsinn) Sample.
Mit entsprechend guten Monitoren hört man direkt den voluminösen und erstaunlich hochwertigen Sound raus, der so nur entstehen konnte, weil alle Songs, inklusive aller Instrumente Live im Studio aufgenommen wurden. Die übliche Praxis ist es Konserven-Beats zu nehmen und im Nachhinein abzumischen.
Von vielen Raphörern habe ich gehört, dass ihnen die Beats nicht gefallen, weil diese zu eintönig seien. Das mag dem Rap-affinen Ohr vielleicht so vorkommen, stimmt aber so nicht, denn die Beats sind zwar homogen, wie es sich für ein gutes Album gehört, aber durchaus abwechslungsreich.
Abschließend lässt sich sagen, dass Dendemann eine wunderbare Mischung aus Blackrock und HipHop gelungen ist. Ich könnte auf Anhieb kein besseres deutschsprachiges HipHop-Crossover-Album nennen. Und das will was heißen, schließlich bin ich eine wandelnde Enzyklopädie für deutschen HipHop. ;)
Punkte: 8.5 / 10