Für mich war Onkel Tom bisher immer für seine Prise schwarzen Humor bekannt, die er zum einen mit seiner Reibestimme, zum anderen aber auch mit Textpassagen in Liedern von Sodom darbot. (man beachte so ziemlich jede deutschsprachige Lied) Das ist hier weniger der Fall. Sodom zeigen sich auf "M-16" überwiegend kompromisslos und sowohl instrumental, als auch textlich eher ernst. Das fängt schon mit dem zerberstenden Opener "Among the Weirdcong" an. Auf den Trommelwirbel folgen die sägenden Gitarren und Onkel Tom raunt wütend durch das Album. Geschlagene 5 Minuten werden die repetitiven Riffs einem um die Ohren gehauen, und doch verblüfft einen dieser eher einfach gestrickte Song von Anfang bis Ende.
Ähnlich verhält es sich mit "I am the War". Einzig enttäuschende ist hier das Solo. 10 Sekunden irgendwelche Tabs hintereinander drücken kann man auch nicht wirklich als ein Solo bezeichnen. Dennoch endet "I am the War" als ein hervorragender Kracher.
Bevor ich hier jetzt jedes Lied einzeln aufzähle, die sowieso mehr oder weniger ähnliche Strukturen aufweisen, möchte ich noch 3 Stücke erwähnen, die eher aus dem Rahmen fallen:
Zum einen ist es "Napalm in the Morning", das ein langsameres Stück ist, bei dem man Toms Reibestimme und den sägenden Riffs völlig schutzlos ausgeliefert ist. Ein perfekter Song zum aufwachen und es ist ziemlich meiner Meinung nach zynisch, diesem Track einen epischen Touch zu verleihen, glorifiziert er doch meiner Meinung nach eine der menschenverachtendsten Handlungen des 20. Jahrhunderts.
Zum anderen "Little Boy", ein eingäniger Track mit Ohrwurmcharakter und perfektem Mitsingchorus, dessen Verse mich immer wieder zum Lachen bringen. Hier kann man doch mal davon reden, dass der Angelripper ein wenig aus seiner Offiziersuniform getreten ist und die auf Hiroshima geworfene Atombombe, entsprechend ihres Namens, personifiziert hat. Wie der vorangehende Track eine ziemliche Leistung, Genie und Wahnsinn auf eine Linie zu bringen.
"Mother's little freckled boy
He is the father's pride
A little beauty sweet beloved
The sunshine of their lives"
Zum Schluss noch das hymnisch geratene "Marines", das nicht zuletzt an "Remember the Fallen" erinnert. Die Strophen sind so aufgebaut, dass die Marines in der 1. Strophe über ihre Pflicht belehrt und als Freiheitskämpfer und Patrioten (in den USA fast das Gleiche) glorifiziert werden, in der 2. Strophe wird es schon etwas finsterer: "And for my brothers you'll get what you deserve Down the bloody road to war", nur um sie in der 3. Strophe durch den Kakao bzw. die Blutströme zu ziehen, indem sie gekillt werden, und mit ihnen der Weg zum Frieden gepflastert wird. Ganz im Sinne von "Opfert euer Leben für unsere Freiheit!" Sodom sind zwar eine unpolitische Band, doch hin und wieder kann sie es sich beim Schreiben der Lyrics nicht verkneifen, auch ein paar Saitenhiebe in Richtung Unmenschlichkeiten, die eben besonders auf Ebene passieren, aufmerksam zu machen. Wer das übrigens zu grenzwertig findet, sollte sich auf dem Nachfolger "Axis of Evil" anhören. Da wird das nicht mal im Verborgenen gemacht, Angelripper leitete den Track auf Konzerten manchmal mit "Mr. President, stop the fucking War" ein.
Ein durch und durch gelungenes Album, bei dem ich überrascht bin, wie man mit einfachen Strukturen so herausragend sein kann. Diese Billigsolos, die genauso schnell vorbei sind, wie sie angefangen haben, und meist nach akkustischem Gekritzel klingen, weshalb ich die meisten erst nach mehreren Durchläufen wirklich wahrgenommen hab, sind für mich verschmerzbar, das hier ist schließlich ein Album von Sodom, und nicht von Dream Theater oder Megadeth. Aber so sollte Geprügel im 21. Jahrhundert klingen, die Rhythmen stehen im Vordergrund und obwohl wir hier weniger technische Perfektion vor uns haben, sind die Lieder auf den Punkt gebracht und haben enorme Energie im Gemüt!
Punkte: 9 / 10