Mayhem Ordo Ad Chao (2007) - ein Review von Hugin

Mayhem: Ordo Ad Chao - Cover
3
3 Reviews
21
21 Ratings
7.83
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal: Black Metal, Doom Metal



22.08.2009 13:48

Die Black-Metal-Legende zementiert ihren Ruf der abweisenden Genialität: Ein Album, um sich die Zähne auszubeißen!

MAYHEM. Nein, THE TRUE MAYHEM! Ein Name wie Donnerhall, eine schwarze Ikone der Zerstörung und doch auch Sinnbild für eine fast schon unanständig progressive Entwicklung. Gegenstand kultischer Verehrung und vernichtender Schmähkritik. Was mich angeht, muss ich voraus schicken, dass ich zu den Verehrern der norwegischen Black-Metal-Vorreiter gehöre, und das seit Anfang der Neunziger. Das heißt wiederum nicht, dass es mir die Jungs aus Oslo jemals leicht gemacht hätten. Hat sich die norwegische Black-Metal-Szene von den rumpelig-derben Anfängen im Allgemeinen in eine erstaunlich anspruchsvolle, avantgardistische, originelle und vielseitige Kunstlandschaft entwickelt, so ist es aus meiner Sicht letztlich doch die älteste aller Bands aus diesem Umfeld, die den jüngeren Kollegen immer noch einen Tick voraus ist, wenn es darum geht, sich selbst neu zu erfinden und nicht nur die Kritiker sondern auch die eigenen Fans zu provozieren, oder besser: herauszufordern!

Zunächst ist es schon fast ein Wunder, dass die Band zwei Todesfälle großer Identifikations- und Leitfiguren überstanden hat, ohne am eigenen Erbe zu zerbrechen. Wie Phönix ist MAYHEM nach dem Freitod Deads und der Ermordung Euronymous' mit Rückkehrer Maniac und Neuzugang Blasphemer aus der Asche erstanden, doch stand die Band nach drei monumentalen musikalischen Statements 2004 wieder vor einem Scherbenhaufen, als Maniac seinen Dienst am Mikrophon quittieren musste. Die verbliebenen Drei taten das einzig Richtige: Sie holten sich Verstärkung aus Südost. Der Ungar Attila Csihar (u.a. bekannt von TORMENTOR) kehrte an die Wirkungsstätte zurück, an welcher er über ein Dutzend Jahre zuvor die überirdisch unterirdische Gesangsleistung absolvierte, die "De Mysteriis Dom. Sathanas" zum Mythos und ihn zur Legende werden ließ.

Doch was würde das für MAYHEM bedeuten und für das kommende Album "Ordo Ad Chao", das im Jahre 2007 das Licht der Welt erblicken sollte? Nun, es stand bereits von Anfang an fest, dass es diese Band ihren Fans erneut nicht leicht machen würde und auch mich hat die Chaostherapie ordentlich in Verlegenheit gebracht. So hat es knappe zwei Jahre gedauert, in denen ich mich immer wieder mit diesem schweren Brocken auseinandergesetzt habe, bevor ich mich nun endlich daran wage, ihn zu besprechen. Und noch immer fällt es mir schwer, die richtigen Worte zu finden. Hauptgrund dafür, dass es so unglaublich schwer ist, sich an "Ordo Ad Chao" zu gewöhnen, ist der Einstieg des Albums, wobei ich natürlich davon ausgehe, dass dieser mit Bedacht so gewählt ist. Der dreieinhalbminütige Opener 'A Wise Birthgiver' ist zäh, bizarr, mit wenigen Vocals versehen, die dazu noch kaum als solche zu identifizieren sind. Er setzt die düstere und beklemmende Atmosphäre und gibt dem Hörer keinen Halt, sondern verwirrt ihn mit perkussiven Elementen, die einen Rhythmus im herkömmlichen Sinne direkt zu meiden scheinen wie ihre Schöpfer das Weihwasser. Das folgende 'Wall Of Water' klingt kalt und modrig, düster und ausweglos. Gesanglich lehnt sich Attila an "De Mysteriis"-Zeiten an, wozu auch ganz allgemein die Produktion des ganzen Albums passt.

Am Anfang zu 'Great Work Of Ages' blitzen erstmals Blasphemers schneidende und irrsinnig schnelle Gitarrenriffs auf, welche MAYHEM seit der Reunion prägten, doch auch hier wird mehrfach das Tempo krass heraus genommen. Was Hellhammer in Sachen Blast und in Sachen Breaks gen Slow-Mo abliefert, zeigt einmal mehr seine Klasse, ohne auch nur ein bisschen überambitioniert zu wirken. Auch Attila zeigt die ganze Bandbreite seiner abgründigen Sangeskunst. Er klagt, knurrt, singt, wimmert, keift, wie es nur einer kann. Überhaupt ist es erstaunlich, dass diese Band drei der großartigsten und einzigartigsten Extrem-Metal-Sänger aller Zeiten in ihren Reihen hatte und hat. Doch zurück zur noch aktuellen Scheibe des Quartetts: 'Deconsecrate' steigt archaisch schwarzmetallisch ein, mit Grishnackh-mäßigen Screams und einem Wirbelsturm aus infernalischem Schlagwerk, das jedoch - wie könnte es bei Herrn von Blomberg anders sein - alles andere ist, als eine konturlose Speedattacke. Der zweite Abschnitt geht dann gesanglich und atmosphärisch wieder stark in Richtung "De Mysteriis", ist getragener und lässt Attila mit bedrohlicher, beschwörender Stimme singen, vor wieder die Doublebass-Keule und das Keifen ausgepackt werden. Dazu wieder irre Rhythmen auf den Cymbals, die in dieser Form absolut einzigartig sein dürften, dabei aber einen unglaublich erdigen und im Vergleich zum teils sehr steril produzierten "Grand Declaration" natürlichen Sound haben.

'Illuminate Eliminate' startet wieder langsam, fast doomig. Der Bass kommt zum Tragen und kontrastriert im sphärischen Einstieg wunderbar mit der Gitarre und dem langsam erwachenden Dämonen Attila. Über zwei Minuten entledigt sich das Stück fast jeglicher Struktur und wirkt wie eine Horror-Klanglandschaft, jedoch ohne die leisesten Ambient-Einflüsse. Alles wird mit dem guten alten Metal-Instrumentarium erzeugt. Dann setzt der Song richtig ein. Schwarzer Lava gleich ergießt sich Attilas morbide Predigt vor einem dramatischen Doom-Szenario aus einem perseverativen Riff und dräuenden Drumbeats, vor im Mittelstück mehrfach das Inferno in bester "Wolf's Lair Abyss"-Manier durch bricht. Das knapp zehnminütige Stück ist für mich der Dreh- und Angelpunkt des Albums, der alles zusammenfasst, wofür MAYHEM heute steht und jemals stand, allerdings ohne jegliche Anbiederung an das eigene Vermächtnis. Es trifft wahrhaft zu: Diese Band kopiert sich nicht, sie erfindet sich immer wieder neu. Indem es ein Riff aus dem zweiten Drittel des vorigen Stücks aufgreift, schlägt das erneut getragen eingeleitete 'Psychic Horns' eine Brücke zum bisherigen Verlauf der Scheibe, nur um diese mit Einsetzen des Gesangs wieder einzureißen. Attila klingt hier mehr wie zu TORMENTOR-Zeiten, die Gitarren und Drums rollen im Hintergrund und lassen dem Sänger das Rampenlicht, vor wieder Blastspeed-Passagen und vertrackte Drumfills jegliche Anflüge der Eingängigkeit zertrümmern und zerhacken. Und doch fesselt das Stück. Attila gibt dem Hörer wieder den Anker und Haltepunkt, bis am Ende kurz die "Chimera"-Keule ausgepackt wird und das Stück explodieren lässt.

'Key To The Storms' ist dann sowas wie Hellhammers Paradestück. Schon im Intro darf der Trommelmeister gehörig zaubern. Die Gitarre tritt streckenweise weit in den Hintergrund und lässt den Bass einige Hooks setzen. Doch natürlich lässt auch Blasphemer sein Gespür für effektiv eingesetzte geisterhafte Tonfolgen immer wieder an der richtigen Stelle aufblitzen, während Attila knurrt und gegen Ende in ein fast weinerliches Jammern verfällt, das schließlich im Ausklang in blanke Hysterie umschlägt. Als Finale haben uns die Norweger schließlich die "Hitsingle" aufgehoben - namentlich 'Anti' - und der Name ist Programm: Das schnellste und aggressivste Stück des Albums und vielleicht auch das Stück, das am ehesten als "normaler" Black-Metal-Song durchgeht.

"Ordo Ad Chao" ist ein Album, das MAYHEM nach dem etwas songorientierteren und - mit Verlaub - gewöhnlicheren "Chimera" wieder völlig krank und kompromisslos präsentiert. Die Urväter werden mit ihrem sechsten Studiowerk (vier Alben, zwei EPs) mindestens ebenso viele Fans gnadenlos vor den Kopf stoßen, wie sie dies auch mit "Grand Declaration Of War" getan haben. Dabei ist "Ordo Ad Chao" weder ein schlechtes Album noch ein Stilbruch. Die drei Nordmänner und ihr hunnischer Fronter machen genau das, was MAYHEM tun muss, um existieren zu können: Sie dehnen die Grenzen der Musik im herkömmlichen Sinne bis ans äußerste Limit und fordern den Hörer heraus, es mit ihren Kompositionen aufzunehmen. Diese sind höchst anspruchsvoll, aber nicht verkopft oder selbstverliebt. Sie lassen sich nicht mit dem Intellekt oder mit Musiktheorie knacken, sondern nur mit Beharrlichkeit und einem Gespür für die dunkle Seele dieser Musik. Wer sich an dieses Album heran wagen möchte, der muss ihm Zeit geben und es sich mühsam erarbeiten. Wie gesagt, ich selbst habe knapp zwei Jahre gebraucht, um das wirklich würdigen zu können, was MAYHEM 2007 darstellt. Wer die Energie hierfür nicht aufbringen kann oder will, und wer auch nur ansatzweise eingängige Musik haben möchte, wenn er sich mit MAYHEM anlegt, der soll ein älteres Werk kaufen und dieses hier vorläufig stehen lassen. Wer eine Herausforderung sucht, bei der er viel gewinnen aber auch fünfzehn Euro verlieren kann, der muss sich dagegen "Ordo Ad Chao" holen.

Anspieltipps: Wall Of Water, Illuminate Eliminate, Anti

Artikel ursprünglich veröffentlicht unter:
http://www.powermetal.de/review/review-Mayhem/Ordo_Ad_Chao,13238.html

Punkte: 9 / 10


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