Nirvana In Utero (1993) - ein Review von Lord

Nirvana: In Utero - Cover
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2 Reviews
52
52 Ratings
8.66
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Rock: Grunge


Lord
10.06.2010 14:32

Problemlos die volle 10!

Nachdem 1991 Nirvana mit dem Meilenstein "Nevermind" in jedermans Munde war und die Jugend ihren Wortführer bestimmt hatte, modische Entgleisungen wie Karo-Flanellhemden und Ziegenbärtchen den Nerv der Zeit trafen, unendlich viele Bands düster-melancholische Gitarrenmusik spielten und diese unter dem Trendlabel "Grunge" anzupreisen versuchten, wähnte man bei der wohl entscheidendsten Band der Grungebewegung die Luft bereits draussen. Es war bekannt, dass Cobain massive Drogenprobleme hatte, Gigs waren entweder explosiv brillant oder aber einfach eher tragisch - je nach Verfassung des Sängers und Aushängeschild der Band. Zornig, destruktiv und wütend waren sie jedoch immer.

Nirvana wurden von den Indie/Alternative/Grunge-"Spezialisten" (solche Nervtöter gibt es ja heute noch mehr als genug) mehr oder weniger abgeschrieben, doch sie kamen im Herbst 1993 mit diesem Album tonnenschwer, destruktiv und verstörend zurück und zeigten all den Jammerbands, die unter dem Etikett "Grunge" mit dem Strom schwammen, wer die wahren Könige sind! Gingen Bands wie die lahmen Pearl Jam enorm lasch zu Werke, zeigen die 3 Jungs Cobain/Grohl/Novoselic, dass dem nicht so sein muss; der "Smells like teen spirit"-Nachfolger "Rape me" überzeugt auf ganzer Linie durch Aggression, Intensität und einem fiesen Text!! "Heart-shaped box" krachte ebenfalls ohne Ende und sogar die avantgardistischen Köpfe von Radiohead kupferten da für ihren 1994 folgenden Song "My iron lung" ab. Ein weiteres Highlight der Scheibe ist "Serve the servants"; ein schwerer, total kaputter Track, dennoch fies und rotzig - hier kommt Cobains Leiden bestens zum Tragen - sei das nun seine Drogensucht oder seine schon seit Jahren anhaltenden Magenschmerzen. In "All apologies" präsentieren sich Nirvana ähnlich wie 1991 in "Lithium"; mal apathisch, dann wieder impulsiv - jedenfalls zu keiner Sekunde gleichgültig...
Sicher zu erwähnen sind auch die Noise-Tracks "Scentless apprentice", "Radio friendly unit shifter" und "Tourett's", die der Scheibe eine geisterhafte, enorm kranke Seite schenken und einen Cobain wiederspiegeln, der eben nicht nur gut aussah und cool war - gebrochen, verloren, kaputt und am Ende! Ein zu sensibler Mann, der mit seinem Leben zu dem es durch den Erfolg wurde nicht umzugehen vermochte. Seine Sensibilität jedoch ist es, die seiner Stimme diese unglaublichen Emotionen verleiht, die selten ein Sänger dermassen ehrlich auf Konserve brachte; sei es Wut, sei es Kummer, sei es Leiden oder sei es Hoffnungslosigkeit und Destruktion. Und dennoch immer mit dieser schützenden Wärme.

Die Luft war also noch bei weitem nicht raus, auch wenn "In Utero" das letzte wirkliche Nirvana-Studioalbum war, im April 1994 verabschiedete sich Kurt Cobain via Waffe in die ewigen Jagdgründe. Vorher ernteten die 3 Jungs mit der "MTV unplugged" Scheibe jedoch noch die verdiente Anerkennung, auch wenn Cobain zu jener Zeit schon gespenstisch und entrückt wirkte. Negativ war das für den Auftritt jedoch nicht, was umso erstaunlicher ist.

"In Utero" bedeutet mir - wie jedes Nirvana Album - sehr viel, denn dieses Album war 1993/94 Soundtrack für mich als 17 Jähriger, so wie das 1989/90 auch "Bleach" schon war und 1991 "Nevermind" wurde. Nirvana zeigten mir und vielen Anderen, dass es sich lohnt wieder ein Instrument in die Finger zu nehmen ohne perfekt spielen zu können. Nirvana brachten dieses nur in dieser Zeitspanne 1991- 1994 herrschende Feeling an den Start (1989 war es nocht nicht soweit gereift, das war erst der "Aufbruch" des Aufbruches), dass man sich abends zum grillen im Wald traf, jeder mit einer schlechten, oft sogar verstimmten akustischen Klampfe, doch man hatte das Gefühl nicht perfekt sein zu müssen und einfach zu jammen. Es war ein Miteinander der Jugendlichen, ein Aufbruch in eine neue Zeit, die Nirvana unabsichtlich gegen den Trend 1989 mit "Bleach" einläutete - gegen die überproduzierten, ausufernden Werken von all den Popbands, gegen die mittlerweile laue Thrash Metal-Welle, die ab 1989 immer substanzloser wurde, gegen Bands wie Winger oder Slaughter, die dem Hair Metal/Rock die hässlichste aller hässlichen Krone aufsetzten. Und letztendlich auch gegen das arrogante Yuppiegehabe, gegen Perfektion und auch gegen altbackene Regeln in Sachen Erziehung. Mir öffneten Nirvana die Augen und seither sehe ich die Welt in einem anderen, nicht ganz so sterilen, dadurch jedoch um Welten schöneren Licht.

Wie in den 70ern der Punk, so waren Nirvana ende der 80er; LEBENSNOTWENDIG. Zusammen gegen den Rest der Welt.

Punkte: 10 / 10


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