Rammstein Völkerball (2006) - ein Review von metal lounge

Rammstein: Völkerball - Cover
1
1 Review
21
21 Ratings
9.07
∅-Bew.
Typ: Live
Genre(s): Metal: Heavy Metal, Industrial Metal
Rock



13.12.2015 01:46

Vorneweg: Die fanatische Begeisterung für diese Band ist mir absolut unerklärlich. Die Masse im Theaterrund ist von der ersten bis zur letzten Sekunde frenetisch hingerissen. Ich widme mich jetzt der Konzertaufzeichnung im südfranzösischen Theater in Nimes, und zwar der DVD, die Audio CD kümmert mich nicht.

RAMMSTEIN verstehen es mit einem Riesenaufwand perfekt, sich auf der Bühne zu inszenieren, aufmerksame Leser dürften aber schon an der vergebenen Note bemerkt haben, dass mich das Spektakel nur schwer zu beeindrucken vermag. Und perfekt inszenieren müssen sie sich, haben sie doch rein musikalisch nichts Besonderes mehr zu bieten außer ihrem letztendlich immer gleichen stumpfen Gitarrengedonner in Variationen und den durchweg mittelmäßigen (Sprech-)Gesangskünsten von Till Lindemann. Der ist freilich der Mittelpunkt der Inszenierung vom ersten Moment an, wenn er in einer Mischung aus Terminator, Kraftwerk und schwerkrankem totalitären Grobmotoriker (was soll den das sein?!?) aus dieser Stahl-Vorhang-Vulvanachbildung auf die Bühne gestakst kommt. Und so weitermacht. Es findet sich im Anschluss kaum ein Moment, in dem der Sänger halbwegs natürlich wirken würde. Aber gut: Teil der perfekten Inszenierung. Muss halt so sein. Die wissen schon, was sie tun. RAMMSTEIN haben sich ihre ganz eigene Ästhetik zusammengebastelt, optisch wie akustisch. Nur: Eine musikalische Nullnummer wie „Mein Teil“ wird auch durch eine böse-spaßige, bescheuerte Darbietung mit Riesenkochtopf auch nicht besser. Keyboarder Flake bekommt eine Rolle als so eine Art Bühnenkasper verpasst, ist musikalisch aber doch essentiell für die Band. Eben nicht nur die simplen, höchsteffizienten Bratgitarren.
Die Texte finde ich eher schlimm, nicht skandalträchtig schlimm, nein, sondern im Sinne von bescheuertem Schrott („Sehnsucht versteckt …“); mir fehlt da der Zugang zu möglichen angedeuteten Feinheiten oder Tiefsinnigkeiten. Sofern überhaupt vorhanden wie „Los“.

Große musikalische Momente (für RAMMSTEIN-Verhältnisse) sind für mich „… mir ist kalt…“, „…hier kommt die Sonne…“. Die Momente mit besonders viel Pathos also. Und ich nenne es mal den naturmystischen Empyrium-Moment von „Ohne dich“, den finde ich auch interessant. Manchmal kann Lindemann sogar halbwegs ergreifend singen.

Brennende Mikroständer, Messermikros, diverse Pyro-Apparatschaften von Till und Kollegen sind aber nichts weiter als Firlefanz, der Schlauchbootausflug des Bassisten ist auch sterbenslangweilig anzusehen. Und der Herr Kruspe sieht mit seiner Schminke aus wie eine Kreuzung aus The Crow und Cristiano Ronaldo. Der andere Gitarrist dagegen scheint mir weitgehend überflüssig. Ja, das stimmt so freilich nicht ganz, ich weiß. Einmal sieht man ihn kurz aus seiner Starre erwachen und lächeln. Das ist einer der ganz ganz ganz wenigen spontanen Momente des Konzerts. Aber die gesamte Show auf ihre Weise ist schon respektgebietend, ich komm' da nicht drum rum. Mist, Mist, Mist....

Dann empfinde ich die Kameraführung und den Schnitt generell als viel zu unruhig, Beispiel: Nicht mal das Zu-Klumpatsch-Hauen des Keyboards in „Los“ kann man am Stück genießen. Stattdessen wieder mal schnell eine nichtssagende Nahaufnahme auf eine Gitarre.

Aber Eines muss ich zugestehen: RAMMSTEIN veranstalten tatsächlich einen Völkerball, nicht nur der Auftritt in Nimes ist eine Art Deutschstunde für die begeisterten Anhänger, die aufgeschlossen genug sind für das NDH-Zirkusspektakel: Wie sie Alle mitsingen! Ob Metaller oder sonstwas, ob Mann oder Frau, ob hell oder dunkel, mit Sonnenbrand oder ohne, ob eher links oder eher rechts, ob halbes Kind oder Frührentner. Gut so. Und ich? Mit jedem Mal Ansehen – ich habe jetzt schon ein paar Auftritte hinter mich gebracht – nimmt mich diese Massenmobilisierung mehr gefangen, das gebe ich unumwunden zu. Diese DVD lässt mich schon mehr verstehen, wie RAMMSTEIN auch mich Nicht-Fan beeindrucken können. Fast schon paradox, wie mich an sich uncharismatische Typen mit ihrer Show zu fesseln vermögen, man kann sich diesen Gesamtkunstwerk inklusive billiger, aber massiver Gitarren schwer entziehen. Da hätte ich im Theater sicher auch die Rübe kreisen lassen, wenn „Du riechst so gut“, „Du hast“ loskrachen. Einen Grund, mir die Band auf CD anzuhören, wird es aber auch in Zukunft nicht geben. Versprochen. Möchte mir mal jemand ein Ticket schenken? Haha! Vielleicht, wenn RAMMSTEIN auf diesen neumodischen und extrem bekloppten Metal-Kreuzfahrt-Scheiß aufspringen, aber selbstverständlich einen dafür Zerstörer nehmen.

Der einzige Skandal an RAMMSTEIN ist doch, dass sie eine unfassbare Energieverschwendung betreiben müssen, um ihre Musik in Szene zu setzen. Aber das, wie gesagt, gelingt ihnen auf geradezu sagenhafte Weise.

Die fanatische Begeisterung für diese Band kann ich dank „Völkerball“ besser verstehen. Aber froh macht mich das nicht.

Ich bin mit diesem Review nur mäßig zufrieden, aber ich will das jetzt einfach hinter mich bringen. Von den ursprünglich angedachten vier oder vier einhalb Punkten bin ich zu meinem Erstaunen abgekommen. Und dann morgen vielleicht noch mal die DVD einlegen…...
Zwiespältig bleiben RAMMSTEIN für mich allemal.

Punkte: 6.5 / 10


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