Zillo Medieval - Mittelalter Und Musik CD 09/2014
CD, 2014, Heftbeilage, Cardsleeve

Waz ist wunders hie geschehen?

Faun haben sich auf ihrer neuesten Scheibe, "Luna", zwar nicht schwerpunktmäßig mit alten Melodien beschäftigt, haben dafür aber wieder zu ihren eigenen Wurzeln zurückgefunden und besingen mit "Hekate" auf feinfühlige Weise die griechische Göttin der Magie.

Dieses zauberhafte Motiv greift auch der französische Harfenvirtuose Alizbar auf und lässt uns mit "Rebecca's Dreams" an schwärmerischen Tagträumereien teilhaben. Die sanften Klänge schmiegen sich wie kleine Kuschelelfen an die eigene Seele und erfüllen diese mit Mut und Zuversicht.

Um sich den Pagan-Folkern Cuélebre zu stellen, sind diese Eigenschaften auch notwendig. Das Sextett leitet seinen Namen nämlich von einem riesigen, gefährlichen Drachen aus den asturi- schen und kantabrischen Bergen ab. So mysteriös wie das beschuppte Ungetüm ist auch ihr Beitrag "Dekam Kwennos" – wunderschön und doch dräuend.

Nur während des Mittsommerfestes konnte der Cuélebre bezwungen werden, denn in jener Nacht waren seine Zauber wirkungslos. Hilfreich für den Kampf gegen das Monster wäre sicherlich auch die "Zaubertröte" gewesen, deren Geschichte Die Rabenbrüder erzählen. Mit der Macht dieses Liedes wird jeder in Tanzwut versetzt und zappelt, hüpft und hopst, bis er ermattet zu Boden geht.

Bis zur völligen Erschöpfung könnte man auch zu "Hell Of A Day" von den kanadischen Folk-Piraten Bodh'aktan tanzen. Die sieben zotteligen Jungsmischen irische, keltische, bretonische und quebe- cische Traditionals mit Hard Rock, Country, Polka und Punk – und das vortrefflich!

Daran schließt sich nahtlos der "Piperdemon" von den acht Kilkenny Knights an. Wenn sich nämlich in den Highlands der Nebel über das Moos legt und die Sonne am Horizont verschwindet, lockt dieser Dämon mit seinen Dudelsackklängen arglose Wanderer in den Untergang. Tatsächlich braucht man für ausgiebiges Freudenspringen zu diesem Liedlein eine gute Kondition.

Zur Freude – auch in prekären Lebenslagen – rufen auch die Maiden und Mannen von Feuerschwanz auf. Denn selbst im Angesicht der Apokalypse gilt es, die Gläser, Krüge und Hörner zu heben und dem Tod lachend den Allerwertesten ent- gegenzustrecken. "Wir wollen feiern bis zum Untergang" ist das deutliche Credo des Titelsongs ihres neuen Albums, "Auf's Leben".

Wo wir gerade bei fröhlichem Hinterschinken sind: Aus der ehemaligen spanischen Grafschaft Aragón stammt nicht nur einer der besten Schinken dieses Erdenballs, sondern auch eine ebenso deftige Folk-Rock-Kapelle mit dem schmissigen Namen Lurte. Mit dem Titeltrack ihres aktuellen Albums, "Última Frontera", beweisen die Südländer ihr heißes Temperament.

Mit krachenden Gitarren führen die sechs Herren von Narrator den medievalen Klangausflug fort. Die noch jungen deutschen Folk-Metaller legten mit ihrer ersten EP, "Von Kreaturen und Kriegern", im letzten Jahr einen beachtlichen Auftakt hin, den sie mit "Stunde der Wölfe" und ihrer ersten Langrille 2015 gekonnt fortsetzen wollen.

Tancredo und Lothar müssen ihren Fans hingegen nichts mehr beweisen und haben schon so manches Speludenjahr auf dem Kerbholz. Mit ihrem schmissigen Freibeuter- Song "Hejo, die Piraten sind wir" stimmen die zwei in den heiteren Seeräuber-Chor mit ein, besingen den Rum, das verprasste Gold und das gefährliche Leben an Bord.

Eine Zauberbohne überreichen die vier Musiker von Góthien ihren Zuhörern – auf dass sie gedeihe und ihren Besitzer in fremde Welten trage. Mit "La Criada Del Hostal" einen dieTschechen mittelalterliches Liedgut und historische Tonwerkzeuge auf ausgezeichnete Weise – das Tanzbein darf auch hier stilvoll geschwungen werden.

Ein wenig höfischer geht es mit "Do Fraig Amors" von Oswald von Wolkenstein weiter. Das Ensemble Leones lässt das Stück des schrägen Tausendsassas andachtsvoll und doch schmissig erschallen. Immerhin besang Oswald die Liebe hier in gleich sieben Sprachen!

Vom beohrringten Herrn von Wolkenstein geht es weiter zu Walther von der Vogelweides "Palästinalied". Wiederbelebt wurde das viel besungene Meisterwerk vom niederländischen Quartett Datura. Die zwei Damen und zwei Herren nähern sich dem Stück mit dem nötigen Respekt und lassen ihm dabei allen Raum zur Entfaltung.

Es bleibt traditionell und multikulturell. Die australischen Mittelaltermusiker Wayward – mit deutschem Migrationshintergrund – nehmen sich des schwedischen "Vänner Och Fränder" an, das spätestens seit der Neuinterpretation von Garmarna in aller Ohren war und ist.

Den Abschluss macht wie immer eine Hörspielprobe, dieses Mal erneut aus der Feder von Michael J. Sullivan. Die ungekürzte Lesung von "Der Turm von Avempartha – Riyria 2" ist allein schon durch die einzigartige Stimme von David Nathan ein fulminantes Lauscherlebnis mit rasanten Abenteuern, gefährlichen Schwertkämpfen und erfreulich unkonventionellen Charakteren.

Quelle: Zillo-Medieval-CD 09/2014